Paukenschlag im Hanna-Prozess

von Redaktion

Im Aschauer Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. hat die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen die Zweite Jugendkammer gestellt. Hintergrund ist ein brisanter Mailwechsel zwischen dieser und der Staatsanwaltschaft.

Aschau/Traunstein – Wieder eine Wende im Aschauer Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna. Der Verhandlungstag Nummer 32 am gestrigen Dienstag platzte, ebenso der Termin am morgigen Donnerstag. Weil die Verteidigung mit einem Befangenheitsantrag dazwischenfunkte. Auslöser ist ein E-Mail-Austausch zwischen Richterin Jacqueline Aßbichler und Staatsanwalt Wolfgang Fiedler, den Rechtsanwältin Regina Rick übers Wochenende in den Akten entdeckte.

Rick sieht Vertrauen in Richterin erschüttert

„Bild“ zitierte gestern aus dem offenbar versehentlich in die Akte „Nachermittlungen II“ gelangten Austausch zwischen Staatsanwalt Wolfgang Fiedler und Richterin Jacqueline Aßbichler. Er und sein Kollege, so schreibt der Staatsanwalt, seien übereingekommen, dass man im Plädoyer denselben Ablauf der mutmaßlichen Tat annehmen wolle wie das Gericht – „denselben Sachverhalt wie ihr“ steht in der Mail.

Richterin und Staatsanwalt sprechen sich mit Spitznamen, beziehungsweise Vornamen an. An anderer Stelle teilt die Richterin mit, dass sie von gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord ausgehe, der Aussage des sogenannten JVA-Zeugen folgend, der den Angeklagten Sebastian T. schwer belastet. Damit erwecke Jacqueline Aßbichler den Eindruck, dem Staatsanwalt die Tendenz seines Plädoyers in den Mund zu legen, meint Rick. Insgesamt lege diese Korrespondenz nach Meinung der Verteidigung eine besondere Vertrautheit von Richtern und Anklägern nahe. Wahlverteidigerin Rick sieht durch den engen Austausch das Vertrauen in die Unvoreingenommenheit der drei Richter erschüttert.

Regina Rick sagte auf Anfrage des OVB, die Gründe für den Antrag seien „sehr belastbar.“ Einen Kommentar wollten die beiden Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank nicht abgeben. Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern, sagte, er wolle den Antrag erst genauer begutachten.

Fehlt die erforderliche Neutralität?

Ist nun der Prozess gefährdet? Zumindest scheint die Mitwirkung von Richterin Aßbichler gefährdet zu sein. Nach der Strafprozessordnung hat der Angeklagte durchaus das Recht, über seine Verteidigung einen Befangenheitsantrag zu stellen, wenn auch nur die Sorge besteht, dass die erforderliche Distanz und Neutralität fehlen. Und eben das scheint der Schriftwechsel in den Augen der Verteidigung zu belegen.

Regina Rick bemängelt außerdem, dass die Ergebnisse von Nachermittlungen hinsichtlich DNA-Spuren von Hanna W. im Umfeld des Angeklagten nicht in die Beweisaufnahme eingeflossen seien. Diese Untersuchungen scheinen keine Spuren von Hanna W. ergeben zu haben. Worin die Verteidigung eine Entastung ihres Mandanten erkennen dürfte – eine Entlastung, die in der Beweisaufnahme aber bislang keine Rolle spielte.

Und so geht‘s weiter: Die zweite Jugendkammer gibt eine dienstliche Erklärung zu den Vorwürfen ab. Letztlich hat die erste Jugendkammer unter Richterin Heike Will zu entscheiden. Muss Richterin Aßbichler ausgetauscht werden, steht der Prozess auf der Kippe? Eine schnelle Entscheidung scheint fraglich. Zu stark ausgelastet sind die Juristen am Landgericht Traunstein derzeit. Der für Donnerstag, 22. Februar, angesetzte Termin wurde schon mal gestrichen.

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