Traunstein – Wegen Vergewaltigung eines 19-jährigen Mitgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Traunstein und wegen gewerbsmäßiger Schleusung, verhängte die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein gegen einen 36 Jahre alten russischen Staatsangehörigen kürzlich eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Vorsitzender Richter Volker Ziegler sprach dem Geschädigten ein Schmerzensgeld von 5000 Euro zu. Das Gericht habe dem Geschädigten voll geglaubt. Der Angeklagte hatte die Schleusung gestanden, eine Vergewaltigung aber strikt geleugnet.
Der 36-Jährige war nach einer gemeinsam mit seiner 38 Jahre alten Partnerin am 17. Juni 2023 begangenen Schleusung von zwölf illegalen Flüchtlingen aus der Türkei nach Deutschland in Untersuchungshaft gelandet. In der JVA Traunstein verging er sich laut Urteil in den ersten Stunden des 18. Juli 2023 in einer Viermannzelle an dem Nebenkläger. Der 19-Jährige saß damals wegen geringfügiger Verkehrsdelikte im Gefängnis. Während er in Bauchlage schlief, machte sich der 36-Jährige über ihn her.
Der junge Mann war so verängstigt, dass er alles über sich ergehen ließ. Erst mit Verzögerung offenbarte er sich einem Mithäftling und einem Anstaltspsychologen. Die anderen beiden Männer in der Zelle hatten geschlafen und nichts mitbekommen.
Es steht Aussage
gegen Aussage
In dem Prozess stand Aussage gegen Aussage. Der 19-Jährige bestätigte die Vorwürfe von Staatsanwältin Sabine Krotky im Zeugenstand. Der Anstaltspsychologe umriss den 19-Jährigen als schüchtern, zurückhaltend und glaubhaft. Darauf berief sich die Anklägerin im Plädoyer auf eine Gesamtstrafe von sieben Jahren und vier Monaten. Der 36-Jährige habe sich den jüngsten und unsichersten in der Zelle ausgesucht: „Er war das perfekte Opfer.“
Nebenklagevertreter Simon Daxenberger hielt ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25 000 Euro für angemessen. Sein Mandant habe die Tat vor Gericht ohne Belastungseifer geschildert. Der Opferanwalt schloss in der Zukunft wieder aufflammende psychische Probleme des 19-Jährigen nicht aus.
Gegen eine Gewerbsmäßigkeit der Schleusung trat Verteidiger Hans-Jörg Schwarzer aus Berchtesgaden ein. Für diesen Vorwurf sei eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten mit Bewährung ausreichend. Schwarzer verwies auf die 15-monatige Bewährungsstrafe für die Lebensgefährtin des Angeklagten. Die beiden seien bei der Schleusung mit zwei Autos im Konvoi gefahren. Bewährung sei wegen der positiven Sozialprognose für den 36-Jährigen möglich. Das Paar lebe mit den vier gemeinsamen Kindern in der Slowakei. Bei der Vergewaltigung führte der Verteidiger die „Null-Hypothese“ des Bundesgerichtshofs zur Glaubwürdigkeit bei gegensätzlichen Aussagen an. Die Angaben des Nebenklägers seien zwar konstant – „was aber keine große Kunst ist“.
Keine Hinweise
auf Falschbelastung
Im Urteil erinnerte Vorsitzender Richter Volker Ziegler, der Angeklagte habe dem 19-Jährigen gegenüber bereits vor der Vergewaltigung „immer wieder Avancen“ gemacht. Die Kammer habe dem Nebenkläger „letztlich uneingeschränkt Glauben geschenkt“. Die „Null-Hypothese“ bedeute nicht, dass einem Geschädigten grundsätzlich nicht zu glauben sei. Die Kammer habe die Aussage des 19-Jährigen einer Analyse unterzogen, so der Richter. Nicht jeder sei so mutig, gleich alles zu berichten. Der Vorsitzende Richter wörtlich: „Gerade solche Leute werden zu Opfern von Straftätern.“ Für eine Falschbelastung habe das Gericht keinerlei Hinweise gefunden. Im Gesamtblick sei man überzeugt, dass die Vergewaltigung sich so ereignet habe, schloss Volker Ziegler.