Feldkirchen-Westerham/Aying – Diese Meldung dürfte nicht nur Landwirte in Feldkirchen-Westerham in Alarmbereitschaft versetzt haben: Für den Tod von drei Schafen, die am 9. Februar leblos auf einer Weide in Großhelfendorf bei Aying gefunden worden waren, ist ein Wolf verantwortlich. Das hat eine genetische Analyse des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) jetzt zweifelsfrei bestätigt, wie die Behörde am Montag mitteilte.
„Ich werde hier nicht mehr alleine in den Wald gehen“, reagiert Helena Heiler, Chefin eines Bio-Ferienhofs im Feldkirchen-Westerhamer Weiler Elendskirchen, entsetzt auf das Ergebnis der LfU-Genanalyse.
„Es war nur eine Frage der Zeit“
„GW3899m“ – so nüchtern-technisch lautet der Name, den das LfU dem Großhelfendorfer Wolf gegeben hat. „GW“ steht nach Angaben eines LfU-Sprechers für „German Wolve“, das „m“ für „male“ beziehungsweise „männlich“, während die Nummer fortlaufend für neu entdeckte Wölfe in Deutschland vergeben wird und das jeweilige Tier dann für die Zukunft eindeutig identifizierbar macht. Nach Angaben der Behörde handelt es sich bei dem bei Aying aufgetauchten Raubtier um ein Exemplar, das der Alpenpopulation entstammt und bisher noch nicht in Erscheinung getreten ist. Auch das Elternrudel ist nach Angaben des LfU unbekannt.
Dass der Wolf nun nachweislich im Mangfalltal angekommen ist, diese Nachricht ist für Martin Biechl aus dem Feldkirchen-Westerhamer Ortsteil Unterlaus keine große Überraschung. „Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit“, sagt der Landwirt. Er habe bereits damit gerechnet, dass das Raubtier irgendwann auch in der Region nachgewiesen werden wird. Dass es jetzt so weit ist, bereitet ihm dennoch „ein mulmiges Gefühl“. Akut macht sich der Landwirt, der Weidetierhaltung betreibt, um seine Tiere zwar noch keine großen Sorgen, nachdem seine Kälber erst Ende April aus dem Stall auf die Weide kommen und er sich schon Maßnahmen überlegt hat, wie er den Kälberstall und die Kälber-Iglus noch sicherer machen kann. Wie er dann aber seine Tiere im Freien schützen kann, darauf hat er noch keine Antwort. „Ich kann hier ja nicht alles einzäunen“, sagt Biechl und verweist darauf, dass Zäune, die Wölfe wirklich abhalten, nicht nur extrem hoch, sondern auch tief in der Erde verankert werden müssten. Auch ein Herdenschutzhund kommt für den Bauern derzeit nicht infrage. Zum einen seien diese Tiere rar gesät, zum anderen extrem kostenintensiv.
Beim Schutz seiner Tiere geht es ihm in erster Linie auch nicht um den materiellen Wert, wie Biechl klarstellt. „Jedes Tier, das bei uns auf die Welt kommt, bekommt einen Namen“, sagt der Unterlauser, der „eine Bindung mit den Tieren“ aufbaut. Daher ärgert es ihn auch so, dass „der Wolf bei einigen in der Politik und in der Gesellschaft einen größeren Stellenwert hat, als Nutztiere.“ Er persönlich habe auch nichts gegen den Wolf, aber: „Meine Tiere gehen für mich einfach vor.“
Seine Sorgen gelten nicht nur seinen Kälbern, sondern auch seinen drei Kindern im Alter von vier, sechs und acht Jahren. „Wir leben hier am Waldrand. Für mich als Bub war es ganz normal, dort zu spielen“, erzählt er. Seinen Kindern würde er dies nun verbieten. „Ich möchte nicht, dass sie derzeit in die Nähe des Waldes kommen.“
„Die Politiker
lassen uns im Stich“
Aussagen, die Helena Heiler, die mit ihrem Mann den nur rund sechs Kilometer von Großhelfendorf entfernten Ferienhof betreibt, nur bestätigen kann. „Ich gehe aktuell nicht mehr alleine in den Wald, das Risiko ist mir zu groß“, sagt die Landwirtin, die nicht nur Angst um ihre Kühe, sondern auch um ihre eigene Gesundheit hat. Zumal die gebürtige Slowakin als Kind in ihrer früheren Heimat mit Wölfen als „Nachbarn“ aufgewachsen ist. „Ich bin als kleines Mädchen zweimal einem Wolf im Wald gegenübergestanden“, erinnert sich Hailer. „Das war nicht lustig, auch wenn mir damals nichts passiert ist.“
Auch um den Fortbestand ihres Tourismusbetriebs macht sie sich Sorgen. Sie befürchtet, dass irgendwann auch die Übernachtungsgäste ausbleiben könnten, „wenn sie sich nicht mehr in den Wald trauen können.“ Sie selbst wünscht sich ein klares Nein zur Ansiedlung des Raubtiers in der Region durch die Politik, findet aber: „Die Politiker lassen uns einfach im Stich.“
Angst, dass sie aufgrund des Wolf-Nachweises Teile des Angebots ihres Vereins einstellen muss, hat Anne Serke, Mitglied im Vorstand des Wald- und Naturkindergartens Mangfall, nicht. Der Verein bietet verschiedene Spielgruppen für kleine Kinder an, die am sogenannten Mareiswäldchen bei Aschbach stattfinden – nur wenige Kilometer von der Weide entfernt, auf der der Wolf die drei Schafe gerissen hat. „Wir werden jetzt das Angebot nicht von einem auf den anderen Tag einstellen“, sagt Serke, die das Thema aber auch nicht auf die leichte Schulter nimmt. „Wir werden uns im Vorstand beraten und die Eltern mit ins Boot holen.“
In der Gemeindeverwaltung ist der Nachweis des Raubtiers ebenfalls ein Thema, auch wenn nach Angaben von Karolin Lohwasser, Sprecherin der Kommune, „bislang noch keine Anfragen von Bürgern dazu bei uns eingegangen sind.“
Mathias Weinzierl