Rosenheim – Das Defizit des Romed-Klinikverbundes, das 2023 bei rund 26,2 Millionen Euro lag, zog sich wie ein roter Faden durch die Debatte des Kreistags über den Haushalt für dieses Jahr.
Das Zahlenwerk, für das Kämmerer Marcus Edtbauer parteiübergreifend großes Lob erhielt, passierte das Gremium mit einer deutlichen Mehrheit von 58:2 Stimmen. Mit fünf Gegenstimmen billigte es darüber hinaus die mittelfristige Finanzplanung bis 2027.
Umlage soll 2025 auf
51,5 Prozent steigen
Sie enthält zwei Zahlen, die vielen Kreisräten ein besonders großes Kopfzerbrechen bereiten, wie sich in den Haushaltsreden zeigte. Der Landkreis rechnet auch in den kommenden Jahren mit einem anhaltend hohen Defizit des Klinikverbundes, zu dem die Krankenhäuser in Rosenheim, Bad Aibling, Wasserburg und Prien gehören. Diese Prognose ist ein wesentlicher Grund dafür, warum die Kreisumlage laut mittelfristiger Finanzplanung bereits 2025 auf 51,5 Prozent steigen und dann bis 2027 auf diesem Niveau verharren soll.
„Ich denke, dass wir die große Mitte gefunden haben“, bezeichnete Landrat Otto Lederer (CSU) den Haushalt als ein Werk, das mit Blick auf die steigende Belastung der Kommunen einen guten Kompromiss zwischen den ärmeren und den wohlhabenderen Gemeinden im Landkreis darstelle.
Den Ausgleich des Klinik-Defizits, zu dem der Landkreis 13,1 Millionen Euro beitragen muss – die andere Hälfte steuert die Stadt Rosenheim bei – , nannte er eine der „großen Herausforderungen“ in der Zukunft.
Neben dem Klinik-Defizit muss der Landkreis heuer unter anderem aufgrund gestiegener Gehälter höhere Personalkosten ohne Stellenmehrung und eine im Vergleich zum Vorjahr um rund neun Millionen Euro anschwellende Bezirksumlage (Gesamthöhe 87,5 Millionen Euro bei einem gleich gebliebenen Hebesatz) verkraften. Dennoch will der Landkreis 2024 etwa 51,4 Millionen Euro investieren.
Vier Millionen
Euro neue Schulden
Möglich machen sollen das unter anderem eine Nettoneuverschuldung von vier Millionen Euro sowie eine Entnahme aus den Rücklagen von etwa 9,7 Millionen Euro.
Im Verwaltungshaushalt stehen dem Landkreis zur Erfüllung seiner Pflichtaufgaben heuer rund 372 Millionen Euro zur Verfügung. Der Vermögenshaushalt, aus dem die Investitionen finanziert werden, beläuft sich auf circa 63 Millionen Euro.
Damit der Landkreis 2024 mit einer Erhöhung der Kreisumlage um 1,75 Prozentpunkte auf 48,5 Prozent auskomme, habe er bei den Investitionen priorisiert und „wenn möglich geschoben“, nannte der Landrat dessen Beitrag zu einem gerechten Interessenausgleich zwischen dem Kreis und den Kommunen. Städte und Gemeinden müssen den Ausgabebedarf des Landkreises über die Kreisumlage mitfinanzieren. „Diese Gratwanderung wird künftig noch schwieriger“, prognostizierte Lederer.
Schwaller warnt vor
„Schnellschüssen“
CSU-Fraktionssprecher Felix Schwaller signalisierte die Zustimmung seiner Partei und bezeichnete den Schuldenstand des Landkreises, der laut Finanzplanung bis 2027 auf 81,4 Millionen Euro anwachsen soll, als „nicht so dramatisch“. Insgesamt seien alle Positionen des Etats nachvollziehbar.
Schwaller begrüßte, dass der Landkreis trotz des hohen Defizits weiter in die Krankenhäuser investiere. Wenn auch ihn das dicke Minus sorgt, so plädierte er dennoch dafür, Ruhe zu bewahren.
„Wir sollten deswegen jetzt nicht in Panik ausbrechen und vor allem keine Schnellschüsse machen.“
Georg Reinthaler, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, betonte, die intensiven Gespräche im Vorfeld der Haushaltsaufstellung hätten sich gelohnt. Es sei keine Überraschung, dass der Landkreis jetzt den Gürtel enger schnallen müsse. „Das war uns im Vorjahr schon bewusst.“ Er begrüßte vor allem den Beitritt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) und die nun als Standard festgelegte Einplanung neuer Photovoltaikanlagen beim Neubau oder bei Sanierungen von kreiseigenen Liegenschaften.
„Dringend auf den Prüfstand“ muss nach Reinthalers Auffassung angesichts „der negativen Kostenentwicklung“ das Rufbus-Angebot „Rosi“ im Chiemgau. Für dessen Einführung hatte sich unter anderem der ehemalige Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner starkgemacht.
Barbara Stein (Freie Wähler) begründete die Zustimmung ihrer Fraktion, teilte aber Schwallers Optimismus nicht uneingeschränkt. „Betrachtet man unsere Haushaltszahlen, erkennen wir, dass die fetten Jahre vorbei sind“, sagte sie. Das Missverhältnis zwischen Ansprüchen, die befriedigt werden sollen, und der Finanzausstattung der Kommunen werde immer größer, stellte sie fest.
„Wir hoffen, dass die gesellschaftlichen Herausforderungen in den nächsten Jahren noch bezahlbar sind“, so Stein. Damit die Kommunen auch in Zukunft handlungsfähig bleiben, setzt sie auf eine Änderung von Bundes- und Landesgesetzen zur Entlastung der kommunalen Ebene.
Fraktionssprecher Dieter Kannengießer (Parteiunabhängige/ÜWG) verwies darauf, dass der Landkreis ohne die Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht handlungsfähig wäre. Er kritisierte ursprüngliche Überlegungen des Landrats, die Kreisumlage bereits heuer auf 51 Prozent zu erhöhen – und dies vor dem Hintergrund, dass er selbst ohne Erhöhung der Kreisumlage aufgrund der gestiegenen Umlagekraft der Kommunen mit Mehreinnahmen von 18,9 Millionen Euro rechnen hätte können.
„Das war gewiss kein familiäres Umarmungszeichen“, zeigte er auch kein Verständnis dafür, dass der Kreis ursprünglich trotz eines Investitionsvolumens von 51,4 Millionen Euro in diesem Jahr keine neuen Schulden machen wollte.
Kannengießer
erwartet Lösungen
Kritisch beäugte der Fraktionssprecher zudem die in der Finanzplanung bis 2027 prognostizietren Verlustausgleiche des Klinikverbundes. „Das kann nicht das Ziel unserer Bemühungen für den Erhalt unserer Kliniken sein“, sagte Kannengießer. Er erwarte Lösungen. Ob er auch die Schließung eines Klinik-Standortes als letztes Mittel im Auge habe, dazu sagte er nichts.
„Wir werden ein solch großes Defizit nicht viele Jahre vor uns herschieben können“, nannte SPD-Fraktionssprecherin Alexandra Burgmaier das dicke Minus des Klinikverbundes ein „sehr großes Problem“. Man müsse jetzt wohl an einer weiteren Spezialisierung und Profilierung der einzelnen Krankenhäuser arbeiten.
Sie appellierte an das Gremium, die aktuelle Finanzkrise als Chance zu begreifen und eine „Allianz der Vernünftigen“ zu schmieden.
„Wir brauchen jetzt politische Aktivitäten derer, die bereit sind, konstruktiv und transparent mit der Finanzsituation des Kreises umzugehen“, forderte Burgmaier nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Anforderungen an die öffentliche Hand immer größer würden. Den MVV-Beitritt des Landkreises begrüßte sie ausdrücklich, stellte aber klar: „Das kann nur der Startschuss sein, autofreie Mobilität in diesem Landkreis weiter voranzutreiben.“
Franz Bergmüller (AfD) betonte, seine Fraktion trage zwar den Haushalt für 2024 mit, stimme aber der Finanzplanung bis 2027 nicht zu. „Alles wird vom Klinik-Defizit überschattet. Eine Erhöhung der Kreisumlage auf 51,5 Prozent ist für uns völlig indiskutabel.“ Er forderte, der Kreistag müsse sich „sehr intensiv“ mit dem Minus der Krankenhäuser und dessen Auswirkungen auf die Kreisumlage befassen.
Die steigende Umlagekraft des Kreises basiere letztlich auch auf einem Plus von 20 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer. „Das ist ein Damoklesschwert“, sagte Bergmüller vor dem Hintergrund seiner Annahme, dass die Einnahmen aus diesem Topf angesichts der aktuellen Wirtschaftslage in den nächsten Jahren eher zurückgehen dürften.
Heftig kritisierte er unter anderem mit Blick auf steigende Flüchtlingszahlen den Anstieg der Sozialausgaben von 34 auf 43,5 Millionen Euro. Michaela Eglseer (früher AfD, jetzt fraktionslos) warf dem Landkreis vor, die Kosten für den MVV-Beitritt „schönzureden“ und kritisierte die Kostenspirale bei den Sozialausgaben ebenfalls scharf. Ein Ausgabeposten, der ihr besonders ins Auge stach: „Wie kann man in dieser angespannten Lage noch freiwillige Leistungen für die psychologische Betreuung von Asylbewerbern anbieten?“
Für Erhalt
der Krankenhäuser
Walter Pakulat (FDP) bereitet das Klinik-Defizit ebenfalls große Sorgen, dennoch stellte er klar. „Es ist wahnsinnig wichtig, dass unsere Krankenhäuser im Bereich der Grundversorgung erhalten bleiben.“ Während er dem Haushalt zustimmte, lehnte ihn Josef Fortner (ÖDP) ab. Grund hierfür sei die Neuverschuldung des Landkreises, sagte er. Bei einer Steigerung der Umlagekraft von 11,3 Prozent wäre seiner Ansicht nach sogar ein Haushalt mit Schuldentilgung möglich gewesen.
Während Helmut Freund (Bayernpartei ) forderte, der Landkreis müsse sich in den kommenden Jahren „voll auf seine Pflichtaufgaben konzentrieren“, erwies sich Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter (CSU) in seiner Schlussrede als Anwalt der Gemeinden.
Richter, der auch stellvertretender Sprecher der Bürgermeister im Landkreis ist – Großkarolinenfelds Rathauschef Bernd Fessler, Sprecher der Landkreis-Bürgermeister, gehört dem Gremium nicht an – forderte auch in Zukunft „finanziellen Gestaltungsspielraum“ für die Kommunen. Die Schwierigkeiten der Städte und Gemeinden müssten auch bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Jahren immer mit in die Waagschale geworfen werden.
„Das ist eine
Herkulesaufgabe“
Den Haushalt des Landkreises befürwortete er, weil er den Herausforderungen und Zukunftsaufgaben gerecht werde. Auch Richter besorgt das Klinik-Defizit allerdings sehr. „Wir müssen gut überlegen, wie wir damit und eventuell notwendig werdenden Einschnitten umgehen. Das wird schwierig, das ist eine Herkulesaufgabe“, sagte er.
Sein Schlussappell im Kreistag blieb nicht ungehört. „Trauen Sie sich, etwas zuzustimmen, das den Landkreis voranbringt“. Eine ganz große Mehrheit traute sich trotz aller finanziellen Sorgen, die den Kreis wohl noch länger begleiten werden.