Kreistag streitet um Landkreispass

von Redaktion

Nach heftiger Diskussion erteilt Mehrheit grünes Licht für Einführung

Rosenheim – Der Weg für die Einführung eines Landkreispasses ist frei. Sozial Schwächere können damit künftig öffentliche Verkehrsmittel im Bereich des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV), dem der Landkreis Rosenheim seit 10. Dezember vergangenen Jahres angehört, günstiger nutzen. Seine Einführung sorgte im Kreistag für heftigen Streit.

Sepp Hofer (Freie Wähler) wollte „ein Zeichen setzen“ und sprach sich angesichts der klammen Haushaltslage des Landkreises gegen die Einführung aus. Schließlich sei der Pass mit jährlichen Personal- und Sachaufwandskosten von etwa 135000 Euro verbunden.

Thalmayr zeigt sich
„richtig aggressiv“

„Der Luxus von heute ist der Standard von morgen. Diesen Topf müssen wir mitschleppen und werden ihn nicht mehr los“, sagte er vor dem Hintergrund einer prognostizierten Steigerung der Bezirks- und Kreisumlage in den nächsten Jahren.

Hofers geforderte Zeichensetzung machte Fraktionssprecherin Martina Thalmayr (Bündnis 90/Die Grünen) „richtig aggressiv“. Teilhabe an Mobilität sei ein Grundbedürfnis der Menschen, auf die sie ein Anrecht hätten, konterte sie.

Michaela Eglseer (fraktionslos, früher AfD) machte diese Wortmeldung aus den Reihen der Grünen wiederum „noch viel aggressiver“, wie sie einräumte. „Benachteiligte eines solchen Beschlusses sind Geringverdiener, die keine Unterstützung vom Staat bekommen. Ich bin absolut dagegen. Außerdem müssen wir angesichts unserer angespannten Haushaltslage jetzt endlich mit dem Sparen bei freiwilligen Leistungen anfangen.“ Anspruch auf die Nutzung des Sozialtickets haben laut Verwaltung Bürgergeld- und Sozialhilfeempfänger sowie Asylbewerber und Menschen, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leisten.

Das Ticket ist in den gewählten Zonen gültig und kann von Montag bis Freitag in der Zeit von 6 bis 9 Uhr nicht genutzt werden. Es ist nicht übertragbar. Wer ein für die Zonen M 1 bis M 6 gültiges Ticket hat, bezahlt hierfür 31,10 Euro im Monat. Inbegriffen ist die kostenlose Mitnahme von maximal drei Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren. Für eine „Isarcard S“, die die Zone M 1 nicht umfasst, fallen monatliche Kosten in Höhe von 27,90 Euro an.

Eine deutliche Mehrheit im Kreistag sprach sich schließlich gegen das Sparen aus und billigte bei elf Gegenstimmen die Einführung des Passes. Er ist Voraussetzung dafür, dass der berechtigte Personenkreis die „Isarcard S“ erwerben kann, die zur Inanspruchnahme der günstigeren Tarife berechtigt.

Schaffung zusätzlicher
Stellen nötig

Landrat Otto Lederer (CSU) rief vor der Abstimmung nochmals in Erinnerung, dass die „Isarcard S“ bereits im Tarifgefüge des MVV eingepreist sei und der Landkreis dafür schon mitbezahle. Da man von über 6000 Berechtigten in der Region und der Bearbeitung von zunächst 4200 Erstanträgen ausgehe, sei die Einführung jedoch mit der Schaffung von zusätzlich 1,5 Vollzeitstellen in der Kreisverwaltung und jährlichen Sachkosten von etwa 15000 Euro verbunden. Die Personalkosten beliefen sich auf etwa 120000 Euro, so Lederer. Er versicherte, er nehme die schwierige Finanzlage des Kreises ernst, deshalb wolle er bei den Ausgaben natürlich priorisieren. Dennoch: „In diesem Fall ist meine Priorität, dass die wirtschaftlich Schwachen im Landkreis nicht benachteiligt werden dürfen“, betonte der Landrat.

Auch Fraktionssprecher Dieter Kannengießer (Parteiunabhängige/ÜWG) erteilte Hofer eine Abfuhr. „Warum sollen wir weniger begüterte Menschen nicht am MVV teilhaben lassen? Ich frage mich, ob das das richtige Zeichen wäre.“

Landrat muss
Gemüter beruhigen

Franz Bergmüller (AfD) stützte dagegen Hofers Kurs. „Wenn wir über Armut reden, müssen wir die Ursachen und nicht die Symptome bekämpfen. Und wenn wir einsparen wollen, geht das am ehesten bei den freiwilligen Leistungen.“

SPD-Fraktionssprecherin Alexandra Burgmaier wollte die von Michaela Eglseer ins Spiel gebrachte Benachteiligung der Geringverdiener als Argument nicht gelten lassen. „Wenn der Lohnabstand zum Bürgergeld nicht passen sollte, dann muss halt der Mindestlohn rauf.“

Derlei Gedankengut löste bei Christian Demmel (AfD) Kopfschütteln aus. „Das ist der typisch sozialistische Ansatz. Man nimmt das Geld aus den Taschen der Leute, um es dann verteilen zu können.“

Als sich die Diskussion auf die Bundespolitik auszuweiten drohte, sah sich der Landrat zum Eingreifen genötigt. Er mahnte die Kreisräte, sich auf die Aspekte zu beschränken, über die der Landkreis zu urteilen habe. Eine Mahnung, die Erfolg zeigte. Die Gemüter beruhigten sich rasch wieder.

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