Aschau/Traunstein – Der Prozess um den mutmaßlichen Mord an Hanna W. in Aschau scheint dem Ende zuzugehen, die Streitigkeiten aber halten an. Verteidigerin Regina Rick machte vor dem heutigen 33. Verhandlungstag ihrem Unmut Luft – wegen einer Strafanzeige der Nebenkläger, aber auch wegen einer Ansage aus dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd.
Dessen Chef Manfred Hauser hatte kurz nach Regina Ricks Eintritt in den Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. in Aschau Ungewöhnliches erwogen. Es war Mitte November, als Regina Rick feststellte, dass in dem Skandal-Fall um den unschuldig verurteilten Manfred Genditzki wie auch im Fall Hanna eine gewisse Beamtin als Ermittlerin eingebunden war. Rick hatte Schlagzeilen geschrieben, als sie für Genditzki bei der Wiederaufnahme des Mordprozesses einen Freispruch erreichte. Im Fall Genditzkis, der wegen des angeblichen Mordes an einer alten Frau unschuldig 13 Jahre im Gefängnis saß, habe die besagte Beamtin des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd die Ermittlungen überhaupt erst in Richtung Mord gelenkt, sagte Rick. Dass sie auch im Fall Hanna habe ermitteln dürfen, sei „unfassbar“.
Polizeipräsident erwog
rechtliche Schritte
Hauser hatte daraufhin wohl intern informiert, dass er rechtliche Schritte gegen Rick erwäge. Das hat Stefan Sonntag als Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd bestätigt. „Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, dass ein Polizeipräsident während eines laufenden Verfahrens einem Organ der Rechtspflege rechtliche Schritte androht“, sagte Rick gegenüber dem OVB.
Das Gericht macht Tempo, so viel wurde an Tag 32, dem ersten nach dem Befangenheitsantrag der Verteidigung, klar. Da wäre die Begründung, warum die Erste Jugendkammer des Landgerichts Traunstein den Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen Richterin Jacqueline Aßbichler und zwei ihrer Kollegen ablehnte; über ein Dutzend Seiten, deren Verlesung das Gericht dem Auditorium ersparte. Stattdessen wurden sie den Prozessbeteiligten im sogenannten Selbstleseverfahren zugänglich gemacht.
Danach wurden drei Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt, kühl und akribisch, wie es aussah – jedenfalls nachvollziehbar. Beispiel Antrag Nr. 12: Der hatte darin bestanden, nochmals bei Google nachzufragen, ob die Youtube-App auf dem Handy des Angeklagten Sebastian T. am mutmaßlichen Tatmorgen nicht um die Zeit von Hannas Tod herum bedient worden sei. Zu beweisen ist nach Ansicht des Gerichts damit aber nichts: Auch Google könne nicht wissen, wer das Handy bedient habe. Auf Sebastian T.s Gerät hatten auch Mitglieder der Familie Benutzerkonten eingerichtet.
Über sieben Beweisanträge der Verteidigung dürfte heute die Entscheidung verkündet werden. Offenbar glaubt die Verteidigung nicht, dass dabei noch etwas für sie herauskommt. Auch der Beweisantrag auf Versuche mit Mobiltelefonen, die in Wasser geworfen werden, um festzustellen, wie schnell die Temperatur des Handys absinkt, war abgelehnt worden. „Wenn die den Thermodynamiker nicht anhören wollen, dann hören die doch gar keinen Gutachter mehr“, schimpfte Regina Rick über das Gericht.
Kritik an „juristischen
Scharmützeln“
Neue Beweisanträge hat die Verteidigung offenbar nicht mehr auf Lager. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehen wir nicht davon aus, dass noch weitere Anträge kommen“, sagte Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl.
Klingt fast so, als setzte die Verteidigung ohnehin gleich auf die nächste Instanz – die Revision vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dass das Gericht das Befangenheitsgesuch abgelehnt habe, sei zu akzeptieren, sagte Rick. „Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der BGH diese Traunsteiner Rechtsauffassung nicht teilen wird.“
Die Verteidigung peilt eine Fortsetzung in Karlsruhe an. Das vermutet auch Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern. Für diese seien diese „juristischen Scharmützel“ extrem belastend. „Auf der anderen Seite mussten jetzt tatsächlich Grenzen aufgezeigt werden“, begründet Holderle seine Strafanzeige. „Wenn man sich anschaut, mit welcher Akribie und Präzision das Gericht arbeitet, wenn man dem gegenüberstellt, welche Qualität die Beweisanträge haben – das ist diametral unterschiedlich.“
Abgesehen davon gilt eine Mehrheit der Beweisanträge seiner Meinung nach ohnehin nicht der Aufklärung; sie würden gestellt in der Erwartung, dass sie abgelehnt werden – „um daraus prozesstaktisch irgendwelche Vorteile ziehen zu können“. Michael Weiser