Kindesentführer legt Geständnis ab

von Redaktion

Ein 58-Jähriger muss sich derzeit in Traunstein vor Gericht verantworten: 2014 hatte er ein Mädchen in einer Kiste im Wald ausgesetzt. Zudem gehen mehrere Missbrauchsfälle auf sein Konto. Seine Kooperation wird sich auf das Strafmaß auswirken.

Traunstein/Mühldorf/Regensburg – Das damals elfjährige Kind, das der inzwischen 58-jährige Diplompsychologe Bernd W. 2014 in Tschechien in eine Kiste gepfercht, eingesperrt, entführt und letztlich 30 Kilometer weiter in einem Wald gefesselt ausgesetzt hatte (wir berichteten), muss nicht vor der Zweiten Jugendkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler aussagen. Der Grund: Der Angeklagte hat gestern sämtliche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, darunter auch Kindsmissbrauch in Regensburg, eingeräumt.

Details wird der Angeklagte am nächsten Prozesstag, 26. März, um 9 Uhr schildern.

Entführtes Kind
überlebte unverletzt

Das entführte Kind hatte den Vorfall laut Anklage von Staatsanwältin Helena Neumeier unverletzt überlebt. Wie es dem Opfer aktuell, also zehn Jahre später geht, werden die Prozessbeteiligten möglicherweise nicht in Erfahrung bringen. Wie die Vorsitzende Richterin informierte, hat sich die Geschädigte auf eine gerichtliche Ladung bislang nicht geäußert. Sie hätte auch nicht gezwungen werden können, nach Traunstein anzureisen, so das Gericht. Dank des Geständnisses werden jetzt sämtliche Zeugen aus Tschechien nicht mehr benötigt.

Zwei Missbrauchsopfer aus Regensburg mit ihren Anwältinnen und zwei weitere Zeuginnen waren gestern sichtlich froh, nicht nochmals aussagen zu müssen. Der damals in Regensburg lebende Angeklagte hatte die Kinder am 2. September 2003 nachmittags angesprochen. Er sei Fotograf und wolle Bilder von ihnen machen. Die Kinder hatten nichts dagegen. Dann gab der Täter der Vierjährigen fünf Euro, der anderen etwas weniger. Er forderte die Mädchen auf, Hose und Unterhose herunter zu ziehen. Lediglich das jüngere Kind tat wie geheißen. Dann manipulierte der heute 58-Jährige laut Staatsanwältin an der Scheide der Kleinen und machte davon Bilder.

Darüber hinaus wird dem Angeklagten der Besitz von Unmengen kinderpornografischer Schriften und Videos vorgeworfen. Kommissar Zufall führte auf die Spur des Psychologen, der früher in Regensburg studiert und gearbeitet hatte. Die Universitätsleitung hatte 2013 offenbar nicht mehr genutzte Spinde turnusmäßig öffnen lassen. In einem fanden Mitarbeiter CDs und DVDs mit mehr als 20000 kinderpornografischen Bildern sowie Kleidungsstücke – alles aus dem Besitz des Angeklagten, wie später über Genspuren und Fingerabdrücke nachgewiesen werden konnte. Unter dem Bildmaterial waren unter anderem Fotos von den Kindern in Regensburg von 2003. Über die Bildmotive konnten Opfer und Tatort ermittelt werden.

Von Mühldorf nach
Indien abgesetzt

Der Diplompsychologe setzte sich im Oktober 2015 von Mühldorf nach Indien ab. Wegen eines Passvergehens wurde er dort Mitte Juni 2020 festgenommen und erst im März 2022 wegen des Delikts verurteilt. Die Zweite Jugendkammer muss noch klären, in welchem Verhältnis die dortige Haft und Auslieferungshaft angerechnet wird. Der 58-Jährige wird dazu beim nächsten Termin Einzelheiten liefern.

Das gestrige Geständnis war Ergebnis längerer Rechtsgespräche. Dabei erklärte die Staatsanwältin, welche Strafe sie sich vorstellt – ohne Geständnis acht bis achteinhalb Jahre Gefängnis, mit Geständnis sechseinhalb bis sieben Jahre.

Psychiatrischer
Gutachter wird gehört

Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler betonte, bei einem vollen Geständnis mit Beantworten von Fragen der Prozessbeteiligten könne das Gericht möglicherweise zu einer noch niedrigeren Strafe als die Staatsanwältin gelangen. Ein Geständnis wäre „sehr werthaltig“.

Die Kammer legte sich anschließend fest auf eine Strafspanne zwischen fünf und sechseinhalb Jahren. Unter den positiven Aspekten nannte Richterin Aßbichler, die Taten lägen lange zurück. Seither sei „nichts mehr passiert“.

Nachdem wohl keine Zeugen mehr nach Traunstein kommen müssen, wird der psychiatrische Sachverständige, Oberarzt Rainer Gerth vom Bezirksklinikum in Gabersee, am 26. März sein Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten erstatten. Ob die weiteren Termine am 28. März, am 16., 23. und 30. April erforderlich sind, ist noch offen.

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