Mit Messern auf Landsmann losgegangen

von Redaktion

Ein Streit zwischen zwei somalischen Männern in einer Asylunterkunft im Raum Rosenheim, bei dem einer erheblich verletzt wurde, hatte nun ein Nachspiel vor dem Amtsgericht. Ein 21-Jähriger muss für zwei Jahre in Haft – als „erzieherische Maßnahme“.

Rosenheim – Auf der Anklagebank des Jugendschöffengerichts Rosenheim fand sich kürzlich kein Unbekannter. Seit seiner Einreise nach Deutschland im Juli 2017 hatte es der 21-Jährige zu fünf Einträgen ins Strafregister gebracht. Laut Gericht war bei den Aggressionsdelikten immer zu viel Alkohol im Spiel.

Nun musste sich der Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft im Raum Rosenheim, der derzeit eine Jugendstrafe in der JVA Traunstein verbüßt, erneut vor Gericht verantworten. Laut Anklage hatte der Somalier am 2. Juli vergangenen Jahres mit einem 22-jährigen Landsmann in seinem Zimmer in der Asylbewerberunterkunft gefeiert und dabei eine nicht unerhebliche Menge Bier getrunken. Ein Alkoholtest ergab später für beide Männer rund zwei Promille.

Eklat am Morgen
nach einer Feier

Als der ältere Somalier am anderen Tag morgens nach Hause gehen wollte, kam es zum Eklat. Der Angeklagte habe aggressiv reagiert und den Landsmann zum Bleiben aufgefordert. Als der sich geweigert habe, habe der Angeklagte mit seiner rechten Hand ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa zehn Zentimetern und mit seiner linken Hand zwei weitere Messer ergriffen. Mit der linken Hand habe er herumgefuchtelt, mit der rechten Hand habe er mit dem Messer aus rund einem halben Meter Entfernung Stichbewegungen in die Richtung seines Landsmanns gemacht. Nur durch einen Griff in die Klinge, wenige Zentimeter vor seinem Bauch, habe er verhindern können, dass der Angeklagte zustechen konnte, sagte der Geschädigte, auf dessen Angaben die Anklage basierte, vor Gericht.

Abweichend von seinen Angaben bei der Polizei gab der Geschädigte an, dass es wegen politischer Diskussionen über Somalia zum Streit gekommen sei. Der Angeklagte habe erst versucht, ihn zu schlagen, und dann die Messer geholt, um mit ihm zu kämpfen. Er habe sich jedoch geweigert. Bei der Auseinandersetzung sei auch sein Handy mit einer zerbrochenen Bierflasche zertrümmert worden. „Ich war zu betrunken und zu schwach, um wegzugehen“, sagte der Geschädigte auf Nachfrage des Gerichts, warum er die Unterkunft nicht verlassen habe.

Viel Bier, Whiskey – und dann auch Kokain

Der Angeklagte wollte keine Angaben zur Sache machen. Beim forensischen Gutachter, der einschätzen sollte, ob psychische Auffälligkeiten, eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit oder eine Alkoholabhängigkeit vorliegen, war er im Vorfeld auskunftsfreudiger. In weiten Teilen hatte er den Vorfall ähnlich geschildert, nur der Tathergang variierte. Demnach habe man viel Bier und Whiskey getrunken und dann geschlafen. Der Geschädigte sei kurz weg gewesen und habe weiteren Alkohol und Kokain besorgt. Anschließend sei ein 20-Euro-Schein, mit dem man die Drogen geschnupft hatte, verschwunden. Der Angeklagte sei überzeugt gewesen, dass der Geschädigte den Schein entwendet habe. Deshalb sei es zum Streit gekommen. Der Geschädigte habe zwei Messer geholt und ihn zum Duell aufgefordert. Doch er habe lieber mit den Fäusten kämpfen wollen. Beim Griff nach dem Messer habe sich der Geschädigte selbst verletzt.

Aus Sicht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie gab es keine Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung oder eine Alkoholabhängigkeit. Eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit war zum Tatzeitpunkt aufgrund der Alkoholisierung nicht auszuschließen. Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe berichtete, dass der Angeklagte aufgrund seines aggressiven Verhaltens bereits in verschiedenen Unterkünften im Raum Wasserburg und Rosenheim untergebracht worden sei.

Sprachdefizite und Reifeverzögerungen

Seit August verbüße er eine ursprünglich auf Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von einem Jahr. Der Angeklagte habe bereits alle Jugendhilfemaßnahmen durchlaufen, habe aber aufgrund des Sprachdefizits keine günstige Sozialprognose. Wegen der bisher schwierigen Lebensumstände waren aus sozialpädagogischer Sicht Reifeverzögerungen nicht auszuschließen. Deshalb wurde eine Ahndung nach Jugendstrafrecht angeregt. Für Staatsanwältin Bichlmair war der Tatnachweis der gefährlichen Körperverletzung erbracht, auch wenn die Aussagen des Geschädigten kritisch zu hinterfragen seien. Es gebe viele Brüche im Leben des Angeklagten und er habe nie richtig Fuß in Deutschland gefasst, deshalb sei nach Jugendrecht zu ahnden, sagte die Anklagevertreterin und forderte unter Einbeziehung des Urteils vom März 2023 eine Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

Aggressives Verhalten unter Alkoholeinfluss

Verteidigerin Gabriele Sachse fand, dass es verschiedene Varianten zum Tathergang gebe und die Verletzungen das einzig Objektive seien. Deshalb sei ihr Mandant ihrer Meinung nach freizusprechen.

Das Jugendschöffengericht folgte in weiten Teilen den Ausführungen der Anklagevertretung. Es gebe nur eine Aussage des Geschädigten und die Angaben des Angeklagten beim Sachverständigen. Daraus ergäbe sich eine weitgehende Übereinstimmung des Tathergangs. Aus Sicht des Gerichts habe der Geschädigte den Messerangriff mit der Hand abgewehrt und sich dabei schwer verletzt. Eine Sehne sei durchtrennt worden. Der Angeklagte sei unter Alkoholeinfluss schon häufiger wegen seines aggressiven Verhaltens straffällig geworden. Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sei deshalb erzieherisch notwendig, hieß es in der Urteilsbegründung von Richter Marco Bühl.

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