Traunstein – Mit Freiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten für einen 29-Jährigen, von vier Jahren und drei Monaten für einen gleichaltrigen Angeklagten sowie von drei Jahren und sieben Monaten Jugendstrafe für einen 20-Jährigen endete das „Grabräuber“-Verfahren am Dienstagabend vor der Hilfsjugendkammer mit Vorsitzendem Richter Dr. Ralf Burkhard vorzeitig am vierten von sieben geplanten Verhandlungstagen. Dazu beigetragen hatten in erster Linie die weitgehenden Geständnisse der Angeklagten, alles Syrer und in Traunstein lebend.
Die Verteidiger des Hauptangeklagten, Hans-Jörg Schwarzer aus Berchtesgaden und Dr. Markus Frank aus Rosenheim, Korbinian Ortner aus Traunstein und Maria-Theresia Herzog aus Freilassing für den zweiten 29-Jährigen sowie Gabriele Sachse und Harald Baumgärtl aus Rosenheim für den 20-Jährigen hatten am dritten Prozesstag erklärt, ihre Mandanten räumten den Sachverhalt der Anklage ein. Fragen würden nicht beantwortet.
Zu einer formellen Vereinbarung zu den Strafhöhen kam es letztlich nicht. Die Vertreter der Anklage, Staatsanwältin Pia Dirnberger und ihr Kollege Vitus Auer, plädierten deshalb auf deutlich höhere Freiheitsstrafen als die Verteidiger. Das Gericht hielt sich im Urteil jedoch an die im gescheiterten Rechtsgespräch in Aussicht gestellten Strafspannen.
In Abweichung von der Anklage mit 32 Einzeltaten auf den Friedhöfen in Traunstein-Haslach, Kammer, Siegsdorf und Vachendorf gelangte die Hilfsjugendkammer zu vier Tatkomplexen ob des jeweiligen engen zeitlichen Zusammenhangs der Raubzüge.
Die Diebesgruppe hatte von 32 Gräbern sakrale Dinge aus Messing und Bronze wie Kreuze, Laternen, Weihwasserbehälter oder große Dekorationsfiguren mit brachialer Gewalt entfernt, um das Metall zu verkaufen. Das klappte nur teilweise. Dann überwies die Recyclingfirma die Verkaufserlöse nicht mehr. In der Kirche St. Oswald in Traunstein rissen die Täter einen über 500 Jahre alten Opferstock aus der Verankerung. Ein Kirchenmusiker fand ihn später in einem Gebüsch.
Auch in Teisendorf brachen die Angeklagten in der Pfarrkirche St. Georg den Opferstock auf, ließen außerdem noch sechs Bronzeleuchter mitgehen. Zudem hinterließen sie enorm hohe Sachschäden von insgesamt fast 100000 Euro.
Allen Männern galten jeweils weitere Vorwürfe. Der 29-Jährige hatte zahlreiche kinderpornografische Dateien auf dem Handy. Der 20-Jährige war ohne Fahrerlaubnis mit einem Pkw unterwegs, führte auf einer Straße eine Schreckschusswaffe mit, hatte eine vorsätzliche Körperverletzung an einer Lehrerin und einen Wohnungseinbruch mit hoher Beute auf dem Kerbholz. Der dritte Mann musste sich auch wegen mehrerer Beleidigungen und Körperverletzungen strafrechtlich verantworten.
Hinsichtlich der sakralen Dinge gelangte die Hilfsjugendkammer bei allen Männern zu vierfachem schwerem Bandendiebstahl, „Störung der Totenruhe“ und „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“. Zahlreiche weitere Delikte wie versuchter und vollendeter Betrug, Diebstahl, vorsätzliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und/oder Wohnungseinbruchsdiebstahl kamen jeweils gemäß Sachverhalt der Anklageschrift hinzu.
Zwei der Angeklagten, der 29-jährige Haupttäter und der 20-Jährige, akzeptierten über ihre Verteidiger noch im Gerichtssaal ihre Urteile – nicht zuletzt, um im Fall einer Revision der Staatsanwaltschaft höhere Strafen zu vermeiden. Ob der dritte Mann Rechtsmittel einlegt, war nicht zu erfahren.
Monika Kretzmer-Diepold