Traunstein/Schechen – Ein 39-jähriger Angeklagter aus Rosenheim muss sich derzeit wegen mutmaßlicher umfangreicher Betrügereien am Campingplatz in Schechen vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Für Schlagzeilen bundesweit indes sorgte der Vorwurf „Sex in der Kirche“. Der Mann hatte mit seiner Ehefrau am 31. Juli 2022 auf dem Altar des Gotteshauses von Marienberg den Geschlechtsverkehr ausgeübt und alles per Video festgehalten.
Eine abenteuerliche Erklärung
Vor der Siebten Strafkammer mit Vorsitzender Richterin Christina Braune schilderte der 61-jährige Pfarrer gestern, er habe von dem Vorfall erstmals ein Jahr später von der Polizei erfahren.
Die Ehefrau des 39-Jährigen hatte es nach Bekanntwerden des Vorfalls in der Pfarrkirche ebenfalls wegen „Störung der Religionsausübung“ mit der Justiz zu tun bekommen. Sie akzeptierte im Februar einen Strafbefehl des Amtsgerichts Rosenheim mit einer hohen Geldstrafe. Der wesentliche Punkt war, „beschimpfenden Unfug an einem Ort, der dem Gottesdienst einer Religionsgesellschaft gewidmet war, ausgeübt zu haben“. Der betreffende Altar wurde im Dezember 2023 laut Erzdiözese mit Weihrauch und Weihwasser im Rahmen eines Wortgottesdienstes neu gesegnet.
Der Ehemann hat vor der Siebten Strafkammer den Sex auf dem Altar eingeräumt. Zunächst lieferte er eine abenteuerliche Erklärung, wie es dazu überhaupt gekommen war. Der zuständige Pfarrer sollte 2000 Euro geboten haben, um zusehen zu dürfen. Das Gericht wollte daraufhin den tatsächlichen Priester als Zeugen laden. Da ruderte der 39-Jährige zurück. Nicht der örtliche Pfarrer habe Interesse am Sex gezeigt, sondern ein „anderer Pfarrer aus einer anderen Diözese im nördlichen Landkreis Rosenheim“. Dessen Namen wolle er aber nicht nennen.
Der Geistliche berichtete am Mittwoch im Zeugenstand, er wisse zu der Sache gar nichts, kenne das Paar auch nicht. Auf Frage der Vorsitzenden Richterin, wer einen Schlüssel habe, erläuterte er, der damalige Mesner habe das Gotteshaus unterschiedlich geöffnet beziehungsweise auf Bitten hin den Schlüssel ausgehändigt. Besucher wie Kirchenpfleger, Kirchenverwaltung oder Putzpersonal hätten den Schlüssel im Pfarrbüro bei der Sekretärin holen können. Dieser Personenkreis würde den Schlüssel aber nie an ihnen Unbekannte weiterreichen. Genauso würde auch er selbst handeln.
Die Vorsitzende Richterin fasste an die Adresse des Angeklagten zusammen: „Die Kirche kann offen gewesen sein – schlicht ohne klerikalen Bestechungsversuch. Wir haben rechtlich einen Sex in der Kirche. Oder haben Sie einen anderen Erklärungsversuch? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
Der übrige Sachverhalt der Anklage von Staatsanwältin Franziska Mitterer und Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling ist umfangreich, enthält zum Beispiel massive Gewalt gegenüber der – vor Gericht schweigenden – Ehefrau. Der vielfach vorbestrafte 39-Jährige soll auch Kindesunterhalt nicht gezahlt und sich im Krankenhaus äußerst schlecht benommen haben.
Betrug auf dem Campingplatz
Der größte Teil der Vorwürfe gilt jedoch dem Komplex Betrug auf dem Campingplatz Schechen mit einem Schaden von rund 360000 Euro. Der Angeklagte mit den Verteidigern Maximilian Pauls aus München und Dr. Markus Frank aus Rosenheim wies jegliches strafbares Tun zurück. Zwischen April 2020 und Anfang 2022 soll der 39-Jährige als Platzwart des Campingplatzes, der alten Damen gehörte, beispielsweise von neuen Stellplatzmietern hohe Provisionen verlangt haben. Er soll Geschädigten in zehn Fällen vorgespiegelt haben, er sei berechtigt, Verträge abzuschließen und Geld in Empfang zu nehmen. Während sich der Angeklagte ziemlich unschuldig gab, bestätigten bislang alle Zeugen den Inhalt der Anklageschrift.
In dem Prozess wirkte der Rosenheimer oft unaufmerksam. An einem Verhandlungstag handelte er sich eine offizielle Rüge der Kammer ein, dazu „die letzte Ermahnung“, sich nicht so respektlos zu verhalten. Richterin Braune wörtlich: „Sonst muss ich Sie ausschließen aus der Hauptverhandlung. Ohne Sie wäre es mühsam, geht aber.“
Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling offerierte dem 39-Jährigen im Fall eines Geständnisses bezüglich der Betrügereien eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfeinhalb Jahren. Vorsitzende Richterin Christina Braune drängte auf eine baldige Entscheidung des Angeklagten und kündigte an: „Wir machen Ihre Sprüche nicht mit. Wir werden hier kein Verfahren über das ganze Jahr 2024 führen.“
Zur Schadenshöhe ergänzte die Staatsanwaltschaft, man habe im Safe des Angeklagten 230000 Euro in bar sichergestellt. Somit seien noch rund 130000 Euro offen.
Die Vorsitzende Richterin ging auf das Jammern des Angeklagten ein, er habe kein Geld für Schadensersatz. Andererseits habe er eine Verteidigerin aus einer Anwaltskanzlei in München kontaktiert, die für sehr hohe Tageshonorare bekannt sei und wohl Tausende von Euro Vorschuss verlangen werde. Dazu sagte der 39-Jährige nichts. Monika Kretzmer-Diepold