Rosenheim – Kreisumlage – das ist das Geld, das sich der Landkreis Rosenheim alljährlich von den 46 Städten, Märkten und Dörfern im Landkreis holt, um seinen Haushalt auf halbwegs sichere Füße stellen zu können. Denn: Die bayerischen Landkreise haben – im Gegensatz zu den Gemeinden – keine eigene Steuereinnahmen. Sie decken einen großen Teil ihres Finanzbedarfs an der Basis.
Es sind Millionen, die die Gemeinden an den Landkreis überweisen. Grundlage der Berechnung, welche Kommune wie viel zahlt, sind die Steuerkraft der Gemeinden sowie deren Schlüsselzuweisungen. Ursprünglich dazu gedacht, nur die offenen Spitzen der Finanzierung aufzufangen, ist die Kreisumlage mittlerweile fester Bestandteil der Finanzplanung. Nicht nur in Rosenheim, sondern in ganz Deutschland.
Vogtareuth reichen
Einnahmen nicht
Das macht die Sache für die Kommunen nicht einfacher. Denn sie müssen einen Großteil ihrer Steuereinnahmen direkt weitergeben. In manchen Fällen auch mehr, als sie einnehmen. So in Vogtareuth. Zwischen 700000 und 800000 Euro kommen dort in der Regel an Gewerbesteuer herein. Dazu noch die Grundsteuern A und B. Diese sogenannten Realsteuern, die die Gemeinden selbst erheben, werden ergänzt durch die 15 Prozent der Einkommenssteuer, die der Bund nach unten durchreicht.
Doch die eigenen Steuereinnahmen werden Vogtareuths Kämmerer Philipp Brück dieses Jahr nicht reichen, die Kreisumlage zu bezahlen. 1,9 Millionen muss die 3200 Einwohner kleine Gemeinde an den Landkreis abtreten. „Da muss ich auf andere Einnahmen zurückgreifen“, sagt Brück wenig begeistert.
Ein paar Kilometer weiter: Stephanskirchen. Eine der reichsten Gemeinden im Landkreis. Und doch tut auch dort die Kreisumlage weh. Kämmerin Susanne Wittmann muss 7,8 Millionen Euro an den Landkreis abführen. Das sind 345000 Euro mehr als im vergangenen Jahr. Und mehr als die sieben Millionen Euro Gewerbesteuer, die Wittmann im Haushalt 2024 angesetzt hat. Zwei Drittel der Einnahmen aus Grundsteuer A und B, zusammen 1,2 Millionen Euro, gehen ebenfalls an den Landkreis.
Kein Wunder, dass die Kreisumlage auch Thema bei der Klausur der Landkreisbürgermeister Anfang März war. Bernd Fessler, Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetages und damit Sprecher der Landkreisbürgermeister, berichtet, dass deutliche Kritik am Landkreis laut wurde. Fessler, Bürgermeister von Großkarolinenfeld, fasst die Kritik zusammen: Der Landkreis soll seine Investitionen genauer prüfen und gegebenenfalls strecken. „Baumaßnahmen müssen nicht auf zehn Jahre gerechnet werden, 20 Jahre gingen auch“, so Fessler.
Allerdings sagt Fessler auch, dass die meisten seiner Kollegen von mehr als den letztlich beschlossenen 48,5 Prozent Kreisumlage ausgegangen seien. Landrat Otto Lederer hatte die Gemeinden schon Mitte Januar eingebunden, so Fessler. Deswegen sei es schon im Vorfeld der Verabschiedung des Kreishaushaltes zu Gesprächen zwischen allen Beteiligten gekommen. Kreiskämmerer Markus Edtbauer hat da bereits angekündigt, dass die 48,5 Prozent Kreisumlage in den nächsten Jahren nicht reichen werden.
51,5 Prozent soll die Kreisumlage voraussichtlich in den Jahren 2025 bis 2027 betragen. „Das hat für Unruhe unter den Bürgermeistern gesorgt“, sagt Fessler. Kann man so sagen. Simon Frank, Bürgermeister in Aschau, ist wenig begeistert von der Aussicht. In diesem Jahr bekäme die Gemeinde gerade noch einen ausgeglichenen Haushalt hin. Wegen des Baus der neuen Sporthalle und der Wasserversorgung müsse die Gemeinde aber große Kredite aufnehmen. „Dann wird es für uns sehr schwer, wenn die Kreisumlage noch mal steigt“, sagt Frank. Freiwillige Leistungen, die die Gemeinde zurückfahren könnte, gibt es laut Frank ohnehin kaum: „Die nächsten Jahre haben wir nicht viel Spielraum.“
Eng wird es dieses Jahr auch in Neubeuern. Weil die Gemeinde 2022 – dem Jahr, auf dessen Grundlage die Kreisumlage 2024 berechnet wird – einen Ausreißer nach oben bei den Gewerbesteuereinnahmen hatte und deshalb dieses Jahr 750000 Euro Kreisumlage mehr bezahlen muss als sonst. Es reicht gerade noch für die Zuführung zum Vermögenshaushalt. Neubeuern hat viele Schulden zu tilgen und auch noch zu machen: Friedhofserweiterung, neues Rathaus, Kläranlage, Kita – da kommen Millionenbeträge zusammen.
„Neubeuern macht dieses Jahr mehr neue Schulden als der Landkreis“, sagt Bürgermeister Christoph Schneider. Dafür seien 2025 und 2026 „Tilgungsjahre“, wo die Gemeinde jeden überzähligen Cent in die Abzahlung der Kredite stecken werde. „Für Gemeinden wird es zunehmend wichtig werden, dass sie flexible Darlehen bekommen“, ist Schneider sicher. „Es ist alles nicht mehr ganz so lustig“, stapelt Schneider tief. „Wir werden uns in den Gemeinden an Schulden gewöhnen müssen.“
Er habe eher Sorge vor den kommenden Jahren, sagt Schneider, viel Unerwartetes dürfe da nicht geschehen. Denn die Pflichtaufgaben müssen erfüllt werden. Und wenn dann der Haushalt nicht ausgeglichen, die Zuführung zum Vermögenshaushalt zur Tilgung der Schulden nicht aufgebracht werden kann, „dann wird es spannend, wie die Rechtsaufsicht im Landratsamt reagiert“. Eine Frage, die auch Fessler bewegt, denn ihm hätten schon mehrere Kommunen signalisiert, dass sie in den nächsten Jahren vermutlich keine entsprechenden Haushalte hinbringen.
Etliche Gemeinden haben dieses Jahr die Verabschiedung ihres Haushaltes nach hinten geschoben. Rein rechtlich sollte der zum Jahreswechsel stehen. Tut er aber in keiner Gemeinde im Landkreis.
Früh dran sind traditionell Feldkirchen-Westerham und Wasserburg. Der dortige Stadtkämmerer Konrad Doser legt den Haushalt 2024 Ende Januar zur Abstimmung vor. Da stand die Kreisumlage noch nicht fest. Doser setzte knapp unter zehn Millionen an Kreisumlage an. „Der Landkreis hatte signalisiert, dass sie irgendwo zwischen 48 und 49 Prozent liegen werde, wir haben mit 48,75 Prozent gerechnet“, so Doser. Fast eine Punktlandung. Neu gerechnet hat er nicht, „wir haben’s stehen lassen und damit ein bisschen Luft“.
Höhere Grund- und
Gewerbesteuer
Die werden sich etliche Gemeinden im Laufe des Jahres für das nächste Haushaltsjahr verschaffen wollen. Die Hebesätze, Grundlage für die Grundsteuern A und B sowie die Gewerbesteuer, werden voraussichtlich in fast allen Gemeinden diskutiert werden – und wohl auch steigen. „Das ist für die meisten Unternehmen, vor allem Eigenunternehmen, kein Problem, sie können sich das für die Gewerbesteuer ausgegebene Geld bei der Einkommenssteuer wiederholen“, versucht Fessler, Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bekommen halt Land und Bund weniger Geld von den Gewerbetreibenden. Aber München und Berlin haben in den vergangenen Jahren ohnehin immer mehr Aufgaben nach unten abgegeben.