Kriminalpolizist zweigt Bitcoins ab

von Redaktion

Verhandlung am Landgericht Traunstein – Anklage gegen Ex-Beamten und Schreibkraft

Traunstein/München – Juristisches Neuland bedeutet das Strafverfahren gegen einen früheren Kripo-Beamten (38) und eine Ex-Schreibkraft (29) der gleichen Dienststelle in Traunstein. Vor der Zweiten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler geht es um schwere dienstliche Untreue. Der Prozess wird am 25. März um 8.15 Uhr fortgesetzt.

Juristisches
Neuland

Ausgangspunkt des technisch wie juristisch komplizierten Falles war ein Ermittlungsverfahren gegen eine Firma in Holzkirchen, die einen verbotenen „Bitcoin-Automaten“ unterhielt. Die Obergrenze für Transaktionen mit Kryptowährungen lag bei diesem deutlich über der legaler Geräte. Zudem mussten sich Nutzer nicht ausweisen.

Als der 38-Jährige davon erfuhr, fuhr er mit der 29-Jährigen nach Holzkirchen. Eine Transaktion mit seinem privaten Geld funktionierte. Allerdings waren die Kosten extrem hoch.

Weil solche Automaten illegal waren, informierte der 38-Jährige andere Kollegen. In die folgenden Ermittlungen war er, damals an der Dienststelle in Traunstein im Bereich „Organisierte Kriminalität“ tätig, eingebunden. Straftaten rund um Kryptowährungen waren 2021 noch absolutes Neuland, wie eine Polizeizeugin gestern schilderte.

Der 38-Jährige machte Druck, eventuelle Werte schnellstmöglich zu sichern. An der Durchsuchungsaktion am 18. Mai 2021 war der Angeklagte maßgeblich beteiligt. Unter den beschlagnahmten Asservaten waren mehrere Datenträger. Zwei dieser „Ledger“ steckte der 38-Jährige unbemerkt von Kollegen ein. Zu Hause stellte er fest, dass einer der Sticks eine riesige Menge an Krypto-Währungen enthielt. Wie die Angeklagten einräumten, beschlossen sie umgehend, dies nicht zu melden und stattdessen hälftig zu teilen. Die Krypto-Währungen wurden umgewandelt und „wegtransferiert“. Den Schaden beziffert Staatsanwältin Stefanie Windhorst in der Anklage mit 371885 Euro. Die 29-Jährige muss sich davon 56789 Euro zurechnen lassen. Sie kaufte von dem Betrag ein Wohnmobil.

Der 38-Jährige korrigierte gestern über seinen Verteidiger Harald Baumgärtl ein Detail vom vorhergegangenen Verhandlungstag. Demnach gab es Wochen und Monate vor der Tat Gespräche mit der 29-Jährigen, dass man „sich etwas aneignen und halbe-halbe machen könnte.“ Der Angeklagte habe den Ledger-Stick auf seinem eigenen PC entleert und durch mehrmalige falsche PIN-Eingaben so manipuliert, dass er nicht mehr geöffnet werden konnte.

Der Verteidiger beantragte für den 38-Jährigen ein psychiatrisches Gutachten. Dieser habe „an einer Art Liebeswahn mit zeitweisem wahnhaftem Realitätsverlust“ gelitten. Sein Mandant, vorher ein korrekter Polizeibeamter, habe die Frau 2020 im Dienst kennengelernt.

Die Staatsanwältin lehnte eine derartige Expertise ab. Liebeswahn oder Realitätsverlust gebe es häufig im Leben. Beim Thema „Korrektheit“ erinnerte sie an offensichtliche dienstliche Verfehlungen. Mit einer Firma habe sich der 38-Jährige „zu Lasten des Freistaats Bayern“ bereichern wollen.

Ein Mitarbeiter des Bayerischen Landeskriminalamts ergänzte, der Angeklagte habe als „IT-Kriminalist“ Rückverfolgungen von Geldströmen in Strafverfahren bearbeitet. Daraus habe er 2020/21 nebenbei ein privates Geschäftsmodell gemacht – unter Nutzung dienstlicher Software. Die 29-Jährige sei im Büro mit von der Partie gewesen in der Firma, die möglicherweise „Betrugs- oder Strafvereitelungscharakter“ hatte. Die Kunden hätten wohl nicht überrissen, dass sie die kostenpflichtigen Dienste des Angeklagten von der Polizei umsonst bekommen hätten können.

Ein Vorgesetzter bezeichnete den 38-Jährigen als „absolut leistungsfähig“: „Er hat die Dienststelle vorangebracht, hatte bayernweit fachlich einen guten Ruf.“ Auch mit der 29-Jährigen sei er „sehr zufrieden“ gewesen. Zu dem vertrauten Verhältnis zwischen den Angeklagten, beide jeweils verheiratet, meinte ein LKA-Zeuge: „Ich habe den Eindruck, er wollte sie mit Geld beeindrucken.“

Verteidiger Dr. Markus Frank unterstrich, seine Mandantin habe hinsichtlich des Ledger-Sticks ob ihrer beschränkten IT-Kenntnisse keinen Zugriff auf die Kryptowerte gehabt. Allerdings wurde bei ihr laut der Aussage eines LKA-Beamten ein Code gefunden, um einen solchen Stick zu entsperren.

Verschiedene Tatbestände möglich

Ursprünglich waren gestern schon Plädoyers und Urteil geplant. Wegen „rechtlicher Hinweise“ des Vorsitzenden Richters baten die Verteidiger um mehr Vorbereitungszeit. Nach Volker Ziegler ist die rechtliche Einordnung der Taten im Fall einer Verurteilung „nicht eindeutig“. Bei der Frau komme neben „Anstiftung zu Untreue und Geldwäsche“ Beihilfe in Betracht. Bei dem 38-Jährigen sei bezüglich des Ledgers auch an einen Verstoß gegen das „Mitnahmeverbot“ zu denken sowie an eine „Veränderung von Daten“.

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