Aschau/Traunstein – 35 Tage, Dutzende von Zeugen und Gutachter, am Ende, dem 19. März, ein Urteil: Neun Jahre soll Sebastian T. für den Mord an Hanna W. hinter Gitter. Die Reaktionen darauf fallen höchst unterschiedlich aus.
Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern:
„Die Eltern sind erleichtert, auch, weil das der Abschluss eines sehr aufwendigen Ermittlungsverfahrens war. Ansonsten ist zur Erleichterung natürlich auch tatsächlich wieder Trauer hinzugetreten. Also, ein Kapitel ist sicherlich abgeschlossen. Ein erster Haken hinter einer sehr schwierigen Zeit seit eineinhalb Jahren.“ Die angekündigte Revision sieht Walter Holderle gelassen. „Aus meiner Sicht ist das Urteil gut und auch richtig. Und wenn ich der BGH wäre, hätte der Antrag keine Aussicht auf Erfolg. Was der BGH entscheidet, müssen wir abwarten.“ Auch für den Anwalt war es ein besonderer Prozess: „Ich verteidige jetzt seit über 35 Jahren. Ich habe solche Verfahren auch noch nicht erlebt.“
Hans-Peter Butz, Leiter der Soko „Club“:
„Es waren ja nicht nur die fünf Monate, sondern im Grunde sind es insgesamt eineinhalb Jahre. Ich erinnere mich an den ersten Tag, als wir die Ermittlungen aufgenommen haben. Bis heute war es schon eine lange Wegstrecke, die wir zurückgelegt haben. Und es war schon eine sehr, sehr anstrengende Zeit. In 39 Dienstjahren war das die schwierigste Ermittlung, die ich geführt habe. Von daher brauche ich jetzt noch mal ein bisschen, um das Ganze einzusortieren. Und wahrscheinlich brauche ich auch noch ein paar Tage, bis die Anspannung abfällt.“
Harald Baumgärtl, Pflichtverteidiger von Sebastian T.:
„Wir haben ja aufgrund des E-Mail-Verkehrs (zwischen Richterin Aßbichler und Staatsanwalt Fiedler, Anmerkung der Redaktion) ja schon die Richtung gewusst. Man hat gemerkt, in welche Richtung das Gericht gehen wird, sodass also das heutige Urteil nicht überraschend ist.“ Die Verteidigung werde in Revision gehen, kündigt Baumgärtl an: „Es ist ja nichts Ungewöhnliches, dass in Schwurgerichtsverfahren das Urteil überprüft werden wird, und das ist natürlich gerade in diesem Verfahren notwendig, dass der Bundesgerichtshof sich die Sache ansieht und überprüft, ob das Urteil rechtsstaatlich zustande gekommen ist.“
Dr. Markus Frank, zweiter Pflichtverteidiger neben Harald Baumgärtl:
„Es gab durchaus erhebliche Kritik des Gerichts an der Verteidigung. Das muss man schon sagen“, sagt Frank zum harten Tadel seitens der Richterin. „Nichtsdestotrotz ist es die Aufgabe der Verteidigung zu verteidigen.“
Oberstaatsanwalt Gunther Scharbert, Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim:
Auch für den Oberstaatsanwalt war der Hanna-Prozess ein „sehr aufwendiges und äußerst umfangreiches“ Verfahren. Er äußert sich zufrieden, dass das Gericht nahezu der gleichen Auffassung wie die Staatsanwaltschaft sei, auch wenn es die Tat als spontan und nicht geplant ansieht. „Das Gericht hat, glaube ich, sehr gut begründet, wieso es zu dieser Auffassung kommt.“ Die von Jacqueline Aßbichler geäußerte Kritik an der Verteidigung sieht er gelassen. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass es unter den Verteidigern unterscheide. „Dass Prozesse manchmal auch sehr konträr ablaufen und der Ton manchmal auch sehr scharf ist, kommt vor. Es geht ja auch um einiges.“
Regina Rick, Wahlverteidigerin von Sebastian T.:
Rick lehnt das Urteil ab. „Es war nicht unerwartet, aber es ist falsch, ganz klar falsch, und in der Urteilsbegründung haben wir auch gesehen, dass alles weggelassen wurde, was problematisch gewesen wäre.“ Man werde auf jeden Fall Rechtsmittel einlegen. „Natürlich gehen wir in Revision, dieses Urteil ist falsch. Ich bin überzeugt davon, dass mein Mandant mit dem Tod von Hanna überhaupt nichts zu tun hat.“
Peter Dürr, Vorsitzender des Anwaltsvereins Rosenheim und Vorstandsmitglied der Anwaltskammer München:
Dass der Angeklagte schuldig gesprochen würde, davon war auch Peter Dürr ausgegangen. „Wenn man den Strafrahmen kennt, die Maximalstrafe sind ja zehn Jahre Jugendstrafe, dann ist das Gericht hier durchaus nach oben gegangen, allerdings doch etwas unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.“ Für ihn als Beobachter bot der letzte Prozesstag einige Überraschungen. „Von einer Gefahr für den Rechtsstaat zu reden – also die mündliche Urteilsbegründung war bemerkenswert. Die Vorsitzende hat ja mit einem Zitat von Ferdinand von Schirach begonnen, das erlebt man nicht in jeder Urteilsbegründung. Wir haben dann viel Verteidiger-Schelte erlebt, wir haben einen Appell an die Medien mitbekommen – und dass die Vorsitzende Richterin während der Urteilsbegründung auch noch einen Meterstab auspackt, ist auch ein Novum.“