Rimstinger Landwirt erklärt sich für schuldig

von Redaktion

Rinder, die knietief im Kot stehen, etliche Kadaver im Stall: Die furchtbaren Zustände auf einem Rimstinger Bauernhof sorgten im vergangenen Jahr für Entsetzen in der ganzen Region. Jetzt steht der Bauer vor Gericht – und bringt sein tiefes Bedauern zum Ausdruck.

Rimsting – Es stand bei dem Bauern offensichtlich finanziell nicht zum Besten. Die Kfz-Versicherung war nicht bezahlt worden, deshalb kam Mitte Mai 2023 eine Polizeistreife zu dem Landwirt, dessen Anwesen etwas außerhalb von Rimsting liegt. Sie hatten den Auftrag, bei drei Traktoren und anderen Fahrzeugen die Zulassungsschilder zu entstempeln. Als der Beamte dazu auf eines der Fahrzeuge stieg, sah er durch das Fenster im Stall eine offensichtlich tote Kuh liegen. Das Anwesen hatte bereits nicht den besten Ruf, deshalb verständigten die Beamten das Veterinäramt beim Landratsamt Rosenheim.

Das Amt entsandte tags darauf drei Kontrolleure. Zunächst wollte sich der Landwirt weigern, diese in seinen Stall zu lassen. Als er darauf hingewiesen wurde, dass man sich dann eben mit Polizeigewalt Zutritt verschaffen würde, gab er nach. Die Veterinäre versahen sich mit der notwendigen Schutzkleidung – doch was sie dann sahen und rochen, verschlug ihnen trotz FFP2-Maske den Atem.

Kot und Gülle bis zu 40 Zentimeter hoch

Nicht nur, dass Rinderkot und Gülle bis zu 40 Zentimeter hoch in der Stallung standen. Zwischen 97 Kühen verschiedenen Alters, denen frisches Grünfutter vorgelegt worden war, lagen auch 33 tote Rinder, die zum Teil bis auf das Knochengerippe verwest waren.

Die Gülle erklärte der Landwirt damit, dass es Tage zuvor ein Gewitter mit Sturzregen gegeben habe und er des hereinströmenden Wassers nicht Herr werden konnte. Die toten Rinder seien durch einen Blitzschlag beim selben Gewitter ums Leben gekommen.

Obwohl dies alleine wegen des Verwesungszustandes mehrerer Kadaver nicht zutreffen konnte, verzichteten die Veterinäre darauf, dies auszudiskutieren, denn zunächst stand die Rettung der lebenden Tiere im Vordergrund. Noch in der Nacht organisierte das Veterinäramt einen – zu solchen Zwecken vorgehaltenen – Not-Stall und den notwendigen Transport der 97 verbliebenen Tiere. Einheiten von Feuerwehr, THW und Katastrophenschutz waren dabei behilflich.

Physische und psychische Probleme

Vor dem Schöffengericht Rosenheim unter dem Vorsitz von Richter Matthias Knoblauch erklärten die Verteidiger des Landwirts, Rechtsanwalt Dr. Markus Frank und Harald Baumgärtl, dass sich ihr Mandant umfassend für schuldig erkläre. Er schäme sich zutiefst. Erklärbar sei das einzig durch dessen tiefe Depression zusammen mit einer Post-Covid-Erkrankung. Diese auszuheilen sei niemals gelungen und wegen der hohen Anforderungen der Viehzucht sei er der Situation physisch und psychisch nicht mehr gewachsen gewesen.

Die Verteidiger legten das Attest eines Rimstinger Arztes vor, der dies bestätigte, aber eine Untersuchung auch durch einen unabhängigen forensischen Psychiater anregte. Dies wurde auch von den Verteidigern beantragt. Das Gericht entsprach diesem Antrag und forderte den angeklagten Landwirt auf, sich einer solchen Untersuchung zu stellen. Er sagte dies zu.

Schwer auszuhalten waren die Bilder und Videos, welche von den Veterinären vor Gericht gezeigt wurden. Diese wurden von einigen leidenden Rindern brüllend um Hilfe angesucht, während andere dazu längst zu schwach waren. Durch das Liegen im Kot waren große Flächen des Felles abgefault und die Haut entzündet. Abgemagert und hungrig fraßen die Tiere das Futtergras zwischen Kadavern stehend.

Milch durfte der Bauer an seinen Abnehmer längst nicht mehr verkaufen, nachdem mehrmals zu viele Keime in seiner Milch nachgewiesen worden waren.

Die Verteidigung sieht die Ursache der entsetzlichen Zustände in der gesundheitlichen und mentalen Überlastung des ledigen Landwirtes, der zusammen mit seiner Schwester, die aber als hauptberufliche Hausgehilfin nur stundenweise zur Verfügung stand, das Anwesen betrieb.

Dazu hatte der Landwirt auch noch seine 84-jährige Mutter zu betreuen. Er war überfordert. Eine Pflegekraft von außen sei am Widerstand der alten Frau gescheitert.

Ein weiteres Problem entstand für das Veterinäramt bei der Durchsicht der Tier-Papiere. Auch hier war keine echte Ordnung erkennbar. So wird, speziell bei Rindern, deren Werdegang gewissermaßen von der Geburt bis zum Schlachthof dokumentiert. Dazu gibt es einen sogenannten „Rinderpass“, in welchem jegliche Veränderung vermerkt wird. Die vorgeschriebenen Ohrmarken müssen mit dem Pass übereinstimmen. Schwierig wird derlei Ausweisverfahren, wenn – wie hier geschehen – bei den Kadavern die Ohren bereits abgefault sind. Oder, wie festzustellen war, die Ohren niemals mit Markierungen versehen worden waren.

„Ein Saustall
ohne Sau im Stall“

Daher mussten Haarproben nach DNA untersucht werden, um Verwandtschaftsverhältnisse im Stall zu verifizieren. So stellte sich schließlich heraus, dass die Herkunft oder der Verbleib von 35 Tieren nicht mehr feststellbar waren. Ein Nachbar-Landwirt sagte: „Ein Saustall, ohne dass je eine Sau in diesem Stall gewesen wäre.“ Das Verfahren wird am 2. April mit weiteren Zeugen und Gutachten in Rosenheim fortgesetzt.

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