KI soll Hagelabwehr verbessern

von Redaktion

Zusammenarbeit mit der Hochschule Rosenheim wird intensiviert

Rosenheim – Es ist einer dieser Momente, den Georg Vogl nicht vergessen wird. Als der Chef-Pilot der Rosenheimer Hagelflieger vor einigen Jahren mit seinem Flugzeug knapp unter einer Gewitterfront flog, traf die Maschine ein tennisballgroßes Hagelkorn. „Die Delle sieht man heute noch, auch die Plexiglasabdeckung eines Scheinwerfers auf der Tragfläche hat es durchgeschossen“, sagt Vogl. Trotz solcher Zwischenfälle begibt sich der gebürtige Bad Aiblinger seit mehr als 40 Jahren immer wieder unter die Gewitterfronten, um die Region vor schwerem Hagel zu schützen.

Forschungsprojekt
mit der Hochschule

Unterstützung bekommt Vogl und sein Pilotenteam von der Hochschule Rosenheim (TH). Bereits seit 2007 gibt es dafür das Forschungsprojekt „Ro-Bert“ zwischen dem Landratsamt Rosenheim, für das die Hagelabwehr im Einsatz ist, und der Hochschule. In den ersten Jahren entwickelte man zunächst ein Gerät, das unter anderem meteorologische Daten während der Flüge sammelte und die genaue Position des Hagelflugzeugs aufzeichnete. Diese Informationen wurden im Anschluss mit Daten des Deutschen Wetterdienstes kombiniert. So ist es erstmals gelungen, Hagelzellen und Flugwege auf einer Karte visuell darzustellen und die Bilder in Echtzeit auf ein Display im Cockpit zu funken.

„Man kann sich das wie ein Wolken-Navi für den Piloten vorstellen, mit dem er sich bei schlechter Sicht in den Wolken orientieren kann“, sagt Dr. Peter Zentgraf, Professor für Ingenieurwissenschaften an der TH, der das Projekt seit 2010 betreut. Mit Radardaten und den Informationen des Deutschen Wetterdienstes über die Intensität des Niederschlags und die Verteilung der Wasser- und Eisteilchen in der Luft könne bestimmt werden, wie die „Struktur der Wolke“ aussieht. Damit habe der Pilot eine Art „Röntgenblick durch die Wolke ins Hagelzentrum“. Und fast noch wichtiger: „Anhand dieser Verteilung kann man sehen, wo ein Zentrum des Unwetters ist“, sagt Zentgraf.

Genau dorthin müssen die Hagelabwehrpiloten fliegen, wenn sie den Hagel bekämpfen. Denn dieser bildet sich an den Stellen, an welchen die stärksten Aufwinde innerhalb der Gewitterwolke herrschen. Nur dort treibt es die kleinen Wassertröpfchen in solche Höhen – bis zu 13 Kilometern – dass die Tropfen dort gefrieren. „Die Gewitterwolke arbeitet dort wie ein Staubsauger, selbst einen Ziegelstein würde es da hochziehen“, sagt Vogl. Wenn die Eiskristalle allerdings zu schwer werden, fallen sie herab, werden durch den starken Sog im unteren Bereich aber wieder nach oben geschleudert. Auf diese Weise wachsen die Hagelkörner immer weiter an, bis sie zu groß und schwer sind und zu Boden fallen.

Außer, die Hagelwolke wird vorher von den Piloten „geimpft“. Beim Impfen einer Gewitterzelle wird während des Fluges in einer Höhe von rund 2500 Metern über Rohre auf der Tragfläche Silberjodid in einer Aceton-Lösung verbrannt. Dabei entstehen Rauchpartikel, die durch den Aufwind in der Wolke nach oben getrieben werden. Die zusätzlichen künstlichen Partikel können ebenfalls Wasserteilchen aufnehmen und verhindern, dass die Eisgebilde wachsen können. Somit entstehen zwar mehr Hagelkörner, diese sind aber so klein, dass sie während des Fallens schmelzen können oder nur als Graupel auf der Erde ankommen, erklärt Vogl.

Umso wichtiger ist es, dass die Piloten genau wissen, an welcher Stelle „geimpft“ werden muss. Zudem erhöhe das Wolken-Navi die Sicherheit der Piloten. „Da wir meist mit zwei Flugzeugen unterwegs sind, sieht man auf dem Bildschirm das andere Flugzeug besser, wenn es dort oben grau und trüb ist“, sagt Vogl.

Da das Forschungsprojekt daran einen erheblichen Anteil hat, wurde das Projekt vor Kurzem unter dem Namen „Ro-Berta 4“ verlängert. In Zukunft soll das System noch besser bei der Positionsbestimmung und Genauigkeit der Radardaten werden. „Wir arbeiten auch daran, dass die Datenverbindung ins Cockpit stabiler wird“, sagt Peter Zentgraf. Das gehöre noch zu den größten Baustellen.

Schnellere
Prognose

Allerdings sei man auch an etwas dran, das die Region noch besser vor Hagelereignissen schützen könnte. „Wir wollen die Vorwarnzeiten vor Gewittern mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) verlängern“, sagt der Professor. Die KI soll dabei die tagesaktuellen Daten des Deutschen Wetterdienstes mit älteren Daten von Tagen mit schweren Unwettern vergleichen. Mit dieser Kurzzeit-Wetterprognose wollen Zentgraf und sein Team schneller prognostizieren können, ob es die Region womöglich wieder „heftig erwischen“ könnte. Als Folge könnten die Piloten der Hagelabwehr früher starten und die Wolken eher „impfen“. „Desto kleiner das Gewitter noch ist, desto größer ist die Chance, dass man noch etwas machen kann“, sagt Zentgraf.

Bei der Verbesserung der Hagelabwehr können dem TH-Professor zufolge aber alle Menschen in der Region mithelfen – durch den Download der App „Hagelabwehr Rosenheim“ für ihr Smartphone. Mit dieser können Nutzer die Wetterbedingungen und die Art des Niederschlags samt Foto vom eigenen Standort aus an die Hagelabwehr übermitteln – und zugleich den Einsatz der Hagelpiloten im Livestream verfolgen. „Über die Rückmeldungen kann man die Effektivität der Einsätze ein bisschen abschätzen und beurteilen“, sagt Georg Vogl.

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