Traunstein – Als Novum in der rund 150-jährigen Geschichte des Landgerichts Traunstein wird es ab 16. April mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erstens mit Anja Kesting eine Landgerichtspräsidentin und zweitens eine weibliche Doppelspitze in Traunstein geben. Endgültig fest steht dies allerdings erst nach den Osterferien – wenn der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München, Hans-Joachim Heßler, nach seinem Urlaub die Diensturkunde unterzeichnet und persönlich Anja Kesting, aktuell noch Direktorin am Amtsgericht Rosenheim, überreicht.
Hundertprozentig sicher ist die neue Personalie noch nicht, war doch noch eine Mitbewerberin im Rennen, die gegen die Entscheidung vorgehen könnte. Zwar behält sich das Justizministerium jegliche Presseauskünfte vor. Doch steht nach Landgerichtspressesprecherin Cornelia Sattelberger „nicht zu erwarten, dass die Urkunde nicht ausgehändigt wird“.
Seit etwa Mitte 2023 war das Amt des Präsidenten des Landgerichts Traunstein mehr oder weniger verwaist. Professor Dr. Ludwig Kroiß schied Ende Januar 2024 mit Erreichen der Altersgrenze aus dem Justizdienst aus. Er war zudem ab Mitte Oktober 2023 wegen angeblicher sexueller Belästigung einer Mitarbeiterin vom Dienst suspendiert. Monatelang leitete Vizepräsidentin Andrea Titz allein den zweitgrößten Landgerichtsbezirk in Bayern mit den fünf Amtsgerichten Altötting, Laufen, Mühldorf, Rosenheim und Traunstein. Seit April 2023 fungierte die inzwischen 62-jährige Anja Kesting als Direktorin am Amtsgericht Rosenheim. Der OLG-Präsident würdigte sie bei ihrer Amtseinführung als „exzellente Juristin mit hohen Führungsqualitäten“. Seit vielen Jahren wohnt Frau Kesting im Landkreis Traunstein.
Nach dem Studium in Würzburg und der Referendarzeit in Schweinfurt kam sie 1993 zum Amtsgericht Schweinfurt, engagierte sich danach bei der Staatsanwaltschaft Würzburg und wurde nach der Wende einige Zeit in die neuen Bundesländer abgeordnet. Das Landgericht Traunstein folgte 1999 als nächste Station in ihrer Karriere. Sie wirkte als Staatsanwältin, als Richterin und als Pressesprecherin am Landgericht Traunstein. Die Aufgabe der Pressesprecherin erfüllte sie später auch am Bundesverfassungsgericht sowie am Bayerischen Justizministerium. 2012 folgte auf der Karriereleiter das Oberlandesgericht München, zuletzt die Leitung des Amtsgerichts Rosenheim.
Wie geht es bei der Leitung des Amtsgerichts Rosenheim, dem drittgrößten im Oberlandesgerichtsbezirk München, weiter? Das ist nach Auskunft von Frau Sattelberger noch offen – personell wie zeitlich. Mit einer Wiederbesetzung sei erfahrungsgemäß frühestens in drei bis vier Monaten zu rechnen. Die Stelle müsse erst ausgeschrieben werden. Binnen einer Bewerbungsfrist könnten sich potenzielle Nachfolger bewerben. Dann erst beginne das Auswahlverfahren.
Monika Kretzmer-Diepold