Traunstein/München – Freiheitsstrafen von dreieinhalb Jahren beziehungsweise zwei Jahren mit Bewährung verhängte die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler gestern gegen zwei Ex-Polizeibedienstete einer Kriminalpolizeiinspektion des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd in Traunstein. Der Haupttäter, ein 38-jähriger Cybercrime-Beamter, wurde wegen Untreue, Verwahrungsbruchs und Geldwäsche, jeweils in besonders schwerem Fall, verurteilt, eine 29-jährige Schreibkraft wegen Beihilfe zu Untreue und Geldwäsche, ebenfalls in besonders schwerem Fall.
Bei dem Verfahren ging es ursprünglich um eine Firma in Holzkirchen, die offenbar nicht legale Transaktionen mit Kryptowährungen an Automaten offeriert hatte. Als der 38-Jährige davon hörte, führte er dort 2020 in Gegenwart der 29-Jährigen ein solches Wechselgeschäft durch. In die späteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II gegen die Firma war er voll eingebunden, leistete doch seine Dienststelle Amtshilfe.
29-Jährige leistet sich von der Beute Wohn-
mobil und Nasen-OP
Bei einer Durchsuchungsaktion am 18. Mai 2021 in Holzkirchen wurden zahlreiche Asservate, darunter Goldbarren und mehrere Datenträger, beschlagnahmt. Zwei sogenannte „Ledger“, eine Art USB-Stick, ließ der 38-Jährige unbemerkt von Kollegen mitgehen. In Traunstein stellte er auf einem eine riesige Menge an Krytowährungen fest.
Beide Angeklagten beschlossen gemäß früherem Plan, den Fund geheim zu halten und hälftig zu teilen. Die Kryptowerte wurden von dem 38-Jährigen umgewandelt und im Mai und Juni 2021 „wegtransferiert“. Der Schaden betrug auf den Cent genau 371885,42 Euro. Die 29-Jährige erwarb davon ein Wohnmobil mit einem Wiederverkaufswert von fast 74000 Euro, leistete sich von ihrem Anteil auch eine Nasen-Operation und diverse Sportgeräte. Der 38-Jährige wollte von der Beute ein Haus für die Familie bauen.
Staatsanwältin Stefanie Windhorst forderte am Montag für den 38-Jährigen vier Jahre Gefängnis sowie den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen. Für die 29-Jährige plädierte sie auf zwei Jahre drei Monate Freiheitsstrafe. Im Fall einer Strafe von bis zu zwei Jahren solle die Bewährung ob der Verteidigung der Rechtsordnung abgelehnt werden. Frau Windhorst sprach von einem „außergewöhnlichen Prozess.“ Normalerweise erwarte man Kriminelle auf der Anklagebank. Hier jedoch säßen zwei scheinbar „ordentliche Bürger“ – „in der Öffentlichkeit angesehen, von Vorgesetzten und von der Bevölkerung geschätzt.“ Die Angeklagten hätten das Vertrauen aller missbraucht – um sich selbst zu bereichern.
Verteidigung sieht ihren Mandanten
im „Liebeswahn“
Die Verteidiger aus Rosenheim, Harald Baumgärtl für den Mann und Dr. Markus Frank für die Frau, plädierten jeweils auf zwei Jahre Freiheitsstrafe mit Bewährung. Baumgärtl erwähnte den „Liebeswahn“ seines Mandanten: „Er wollte ihr mit Geld beweisen: Für dich tue ich alles.“ Ohne den „Antrieb“ der 29-Jährigen wäre es wohl nicht zu der Straftat gekommen. Beiden Anwälten war wichtig, dass die Angeklagten von sich aus den Polizeidienst quittierten. Harald Baumgärtl wörtlich: „Im Gegensatz zu anderen suspendierten Mitarbeitern lag der 38-Jährige dem Staat nicht noch Jahre auf der Tasche.“ In der Urteilsbegründung hob Vorsitzender Richter Volker Ziegler heraus, beide Angeklagte hätten von der Tat partizipiert, beide hätten sich an fremden Vermögen bereichert. Der 38-Jährige hätte als Polizeibeamter Straftaten verfolgen und Vermögenswerte sichern müssen, sei zu gewissenhafter, peinlich genauer Arbeit verpflichtet gewesen. Als einer von wenigen in Bayern habe er sich im Bereich Kryptowährungen ausgekannt, habe seine Masterarbeit über das legale Agieren mit Kryptowährungen verfasst. Auch habe er gewusst, dass bei der Durchsuchung in Holzkirchen große Mengen davon zu erwarten seien. Der Vorsitzende Richter verwies auf ein früheres „Konstrukt“ des 38-Jährigen – dessen eigene Firma, in der er widerrechtlich eine teure, dienstlich beschaffte Polizei-Software verwendet habe. „Das lässt tief blicken“, betonte Ziegler. Nach der Rückkunft aus Holzkirchen habe der Angeklagte den Ledger ausgewertet und anschließend unbrauchbar gemacht. Das sei ein strafbarer „Verwahrungsbruch“. Bei der Verwertung des Geldes sei der 38-Jährige „die zentrale Figur“ gewesen. Der Transfer sei Untreue in besonders schwerem Fall. Der Vorsitzende Richter kritisierte am Rande, Leute agierten „mit Kryptowährungen frei weg von der Leber“: „Jeder macht, was er mag. Das ist juristisches Neuland, das die obergerichtliche Rechtsprechung klären muss.“ Zusätzlich habe der Angeklagte eine „Geldwäsche“ begangen – weil er Verschleierungshandlungen vornahm.
Richter sieht keinen Fall für ein einfaches „Schwamm drüber“
Bei den geständigen, reuigen Angeklagten wertete die Kammer auch Kooperationsbereitschaft und schon hohe Schadenswiedergutmachung positiv. Andererseits seien sie im Polizeidienst gestanden. Insgesamt sei das „kein Fall für ein einfaches ,Schwamm drüber‘“. Bei dem 38-Jährigen könne die Strafe „nicht annähernd im bewährungsfähigen Bereich liegen.“ Zum Punkt „Liebeswahn“ erklärte Volker Ziegler: „Ein Mann verliebt sich in eine Frau, jung und attraktiv. Das ist seit Jahrtausenden Motiv für Straftaten, aber kein Strafmilderungsgrund. Der Angeklagte war Herr seiner Sinne, hatte immer die Fäden in der Hand.“
Die 29-Jährige werde sich künftig gesetzestreu verhalten, zeigte sich der Vorsitzende Richter überzeugt. Die Strafe könne auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden mit der Auflage einer Geldbuße von 5000 Euro an die Bergwacht Chiemgau in Bad Reichenhall. Die Angeklagte habe als Privatperson gehandelt. Den gesamtschuldnerischen Wertersatz fixierte die Kammer in voller Schadenshöhe.