Rosenheim/Amerang – Marie Theres Schurrer macht sich Sorgen. Die Vorsitzende der Wildtierhilfe Amerang sorgt sich um das Überleben der Feldhasen. Und das, obwohl der Deutsche Jagdverband vor wenigen Tagen mitteilte, dass sich die Anzahl der Feldhasen seit dem vergangenen Jahr deutlich erhöht hat. Im Frühjahr 2023 sollen im Durchschnitt 19 Hasen pro Quadratkilometer über die Felder gehoppelt sein. Das sei der höchste Wert seit Beginn der genauen Zählung im Jahr 2001.
Diese Zahlen kann Schurrer nicht nachvollziehen. „Es gibt keinen Trend, dass es mehr Hasen gibt.“ Allerdings lassen sich die genauen Zahlen des Hasenbestandes nur schwer ermitteln, sagt die Wildbiologin Dr. Christine Miller, Vorsitzende des Wildtierschutzvereins in Miesbach. Ihr zufolge könne nur vermutet werden, wie viele Hasen es in der Region Rosenheim gibt. Denn: „Eine Zählpflicht gibt es nicht.“
Dennoch ist sich Schurrer sicher, dass es in Bayern und der Region nicht so viele sein können, wie der Jagdverband berichtet. Sie glaubt sogar, dass es weniger Feldhasen geworden sind. Denn die Tiere haben es schwer, ihre Jungen durchzubringen, da sie verschiedenen Gefahren ausgesetzt sind. Dazu gehörten unter anderem ein kaltes und nasses Frühjahr oder auch die Krallen anderer Tiere. „Ein kleiner Hase ist so groß wie ein Hamster, er kann noch nicht schnell laufen und die Instinkte sind noch nicht ausgeprägt“, sagt Schurrer. Daher sind die kleinen Feldhasen eine leichte Beute für Raubtiere – unter anderem auch für Katzen. „Die meisten verletzten Häschen, die zu uns kommen, sind Katzenopfer“, sagt Schurrer. Oftmals sterben die Hasen nach einem Katzenangriff an einer Blutvergiftung, da die Katze an Krallen und Zähnen hochinfektiöse Bakterien haben. „Somit verlieren wir viele junge Tiere in Siedlungen und an Bauernhöfen, wo es viele Hauskatzen gibt“, sagt Schurrer. In solchen Fällen werden sie und ihr Team dann gerufen. „Wir machen eine Erstversorgung der Hasen“, sagt die Tierschützerin. „Leider sind die Überlebenschancen bei einer Katzenverletzung für ein Hasenbaby gering.“
Eine andere Gefahr startet mit der Mähsaison im März. Denn die Feldhasen verstecken zu dieser Zeit ihre Jungen in den Feldern und können dann zum Opfer von Mähmaschinen werden. Um das Sterben vieler Jungtiere zu verhindern, müssen Landwirte eng mit der Wildtierhilfe zusammenarbeiten, erklärt Schurrer. Mithilfe einer Drohne machen sie die Tiere auf dem Feld ausfindig und sichern sie durch einen übergestülpten Korb auf der Wiese vor der Maschine. Dieser wird nach der Mahd wieder entfernt, damit die Mutter ihre Jungen findet.
In der Rosenheimer Region nehmen inzwischen 90 Prozent der Landwirte die Unterstützung der Wildtierhilfe in Anspruch. Die Mitarbeit der Landwirte ist für das Überleben der Tiere besonders wichtig, da der Feldhase Wiesen, Felder und Hecken als Lebensraum bevorzugt. Dennoch haben nicht nur die Landwirte die Rettung der Feldhasen in der Hand, sagt Schurrer. „Es ist das Landwirtschaftsamt. Die Bauern sind nur die ausführenden Organe.“ Sie wünscht sich für die Zukunft mehr Maßnahmen zur Unterstützung der Wildtiere. Ein erster Schritt wäre es, die Felder nicht bis zum Rand abzumähen, sondern einen wild wachsenden Randstreifen stehenzulassen, der sowohl Schutz als auch Nahrung bietet. „Das Landwirtschaftsamt muss den Landwirten einen Anreiz geben, diese Biodiversität zu fördern, anstatt sie auszumerzen“, sagt Schurrer. Amelie Marschall