Was Sebastian T. in Haft erwartet

von Redaktion

Interview Der Leiter der JVA Laufen über den Alltag im Jugendstrafvollzug

Aschau/Traunstein/Laufen – Nach monatelangem Prozess wurde im Mordfall um die 23-jährige Hanna W. aus Aschau ein Urteil gefällt. Der 22-jährige Sebastian T. wurde nach Jugendstrafrecht verurteilt. Heißt: Er muss in ein Jugendgefängnis. In Bayern gibt es davon allerdings nur drei. Eines davon befindet sich in Laufen, im Berchtesgadener Land. Im exklusiven OVB-Interview erklärt Florian Zecha, Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Laufen-Lebenau, warum Sebastian T. nicht bis zum Revisionsurteil in Traunstein bleiben wird und wie die Haft in einer Jugend-JVA aussieht.

Der im Fall Hanna verurteilte Sebastian T. wurde zu neun Jahren nach Jugendstrafrecht verurteilt. Jetzt wurde Revision eingelegt. Bleibt er so lange in Traunstein in Untersuchungshaft?

Ich gehe nicht davon aus, dass er bis zum Revisionsurteil in Traunstein bleibt. Das sind spezielle Vorschriften nach dem Vollstreckungsplan. Das heißt, wenn die Revisionsbegründungsfrist abgelaufen ist, ändert sich bereits die Zuständigkeit. In dem Fall wird er in eine Jugendstrafanstalt eingewiesen. In Bayern gibt es nur drei. Laufen, Neuburg-Herrenwörth und Ebrach. Ich gehe davon aus, dass er nach Ebrach verlegt werden wird. Das ist eine Jugendstrafanstalt – allerdings für die älteren Gefangenen bis zum Alter von 24 Jahren. 

Was passiert dann, sobald er das Alter von 24 Jahren erreicht?

Mit Vollendung des 24. Lebensjahres werden die Jugendstrafgefangenen grundsätzlich vom Jugendstrafvollzug in den Erwachsenenstrafvollzug überwiesen.

Kann man auch früher vom Jugendstrafvollzug in den Erwachsenenstrafvollzug verlegt werden?

Ja. Wenn festgestellt wird, dass der Insasse nicht für den Jugendstrafvollzug geeignet ist, wird er in die dann zuständige Anstalt für den Erwachsenenvollzug verlegt werden oder in eine Anstalt für junge Erwachsene. Das wird jeweils vor Ort in der Anstalt entschieden. Dort wird überlegt, ob er vom Jugendstrafvollzug noch profitieren kann, ob er zu alt ist oder einen schädlichen Einfluss auf die jüngeren Gefangenen ausübt.

Haben die Insassen im Jugendstrafvollzug mehr „Freiheiten“?

Das kommt auch auf die jeweilige Anstalt an. Unser Jugendvollzug ist auch als Wohngruppenvollzug ausgestattet. Das heißt: kleinere Einheiten im Unterkunftsbereich, mehr Anleitungen – gerade durch den sozialpädagogischen Dienst, aber auch durch den psychologischen Dienst, durch die uniformierten Bediensteten und durch die Betreuungsbeamten, die im Jugendvollzug noch mal eine extra Ausbildung genießen. 

Dürfen die Insassen auch mehr Zeit außerhalb der Zelle verbringen?

Ja, die Aufschlusszeiten und die Freizeitangebote, die wir anbieten, sind ganz andere. Wenn die Jugendlichen geeignet sind, können sie im Rahmen von Vollzugslockerungen beispielsweise Bergtouren in Begleitung von Anstaltsbediensteten machen. Aber auch Mountainbike-Fahrten und Jogging-Projekte bieten wir an. Vergangenes Jahr haben wir auch ein Eishockeyspiel und ein Fußballspiel besucht. Im Jugendvollzug gibt es also mehr Möglichkeiten für eine Freizeitgestaltung.

Die Insassen dürfen also auch ganz raus?

Genau. Im Erwachsenenvollzug hat man oft auch gar nicht die Möglichkeit, so etwas anzubieten. Je nach personeller Ausstattung. Aber auch die baulichen Gegebenheiten spielen eine Rolle. Unser Entlassungsvollzug beispielsweise ist ein klassischer Wohngruppenvollzug, wo die Jugendlichen auf die Entlassung speziell vorbereitet werden. Auch mit verschiedenen Lockerungsgraden, also Vollzugslockerungen durch Ausführungen – Gruppenausführungen, aber auch Einzelausführungen. Das heißt, dass die Beamten oder das betreuende Personal mit den Jugendlichen in der Natur einen Einzelspaziergang machen und psychologisch moderierte Einzelgespräche führen. 

Kann man sich den Wohngruppenvollzug wie eine WG vorstellen?

Ja. Allerdings ist eine Besonderheit bei uns in Laufen, dass wir nur Einzelunterbringungen haben. Heißt: Jeder hat einen Einzelhaftraum. In vielen anderen, besonders älteren Anstalten ist Gemeinschaftsunterbringung eher der Fall – gerade im Erwachsenenvollzug. Bei uns ist dafür der Unterkunftsbereich etwas wohnlicher gestaltet. Die Jugendlichen haben mehr Aufschluss, können sich mehr im Gang bewegen. Es gibt eine eigene Gangküche, Freizeiträume mit Billard und Tischfußball.

Aber das ist nur für diejenigen Inhaftierten, die kurz vor der Entlassung stehen?

Genau. Wir haben zwei Wohngruppen mit jeweils zehn bis 15 Inhaftierten. Einmal den eben angesprochenen Entlassungsvollzug und dann noch eine Gruppe für Inhaftierte, die noch längere Strafen vor der Brust haben. Auch denen bietet man die Möglichkeit an, dass sie im Wohngruppenvollzug untergebracht werden. 

Wie unterscheidet sich der Erwachsenenstrafvollzug vom Jugendstrafvollzug sonst noch?

Der größte Unterschied ist natürlich das Alter. Hier in Laufen sind die jüngsten Insassen 14 Jahre alt und dann geht es aufwärts bis 24. Außerdem sind die Behandlungsbedarfe bei der Jugend umfassender, weil die schulische beziehungsweise die berufliche Bildung nicht gegeben ist. Das ist bei den Erwachsenen eher weniger der Fall, weil man davon ausgeht, dass sie eine schulische und berufliche Ausbildung haben.

Wie unterscheidet sich der Tagesablauf?

Wir müssen gewisse Dinge beachten, die den Jugendschutz betreffen, beispielsweise den Nichtraucherschutz. Die Minderjährigen dürfen sich keine Tabakwaren kaufen. Ein ganz entscheidender Unterschied ist auch noch, dass im Bereich des Erwachsenenvollzugs keine Arbeitspflicht besteht. Im Bereich des Jugendstrafrechts und bei jungen Untersuchungsgefangenen besteht eine Ausbildungs- und Arbeitspflicht. Die jungen Inhaftierten müssen also auch einer schulischen oder beruflichen Ausbildung in der Untersuchungshaft nachkommen. Von jungen Untersuchungsgefangenen spricht man grundsätzlich bei allen Minderjährigen und Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 21 Jahren. Aber im Großen und Ganzen ist der eigentliche Vollzug schon sehr identisch.

Gibt es im Rahmen der schulischen Ausbildung ganz normalen Unterricht?

Wir haben bei den Anstaltspädagogen insgesamt fünf Lehrer, die Unterricht erteilen. Es gibt Klassen für den Mittelschulabschluss und den Berufsschulabschluss. Zusätzlich kümmert sich eine Lehrerin um die Pflichtschüler. Wir haben ja auch sehr viele schulpflichtige Inhaftierte, die dann regelkonform der Schulpflicht unterzogen werden müssen. 

Wie groß ist dann eine solche Klasse?

Große Klassen mit 20 Schülern sind bei uns natürlich nicht möglich. Gerade weil wir ja auch die problematischen Jugendlichen haben, die nicht nur straffällig geworden sind, sondern auch ihre Schullaufbahn abgebrochen haben. Bei uns sind es kleinere Schulklassen, die sich zwischen acht und zehn Schülern bewegen.

Gibt es auch im Jugendvollzug eine Art Hierarchie unter den Insassen?

Wir kriegen schon mit, dass je nach Delikt von den Jungs Unterschiede gemacht werden. Sexualstraftäter stehen auf der untersten Schiene. Das ist überraschenderweise im Jugendvollzug genauso wie im Erwachsenenvollzug. Es gibt schon gewisse Hierarchien. Es gibt auch gewisse Delikte, die in der Achtung höher stehen. Das können wir natürlich nicht gutheißen. Da achten wir schon drauf, das schnell zu unterbinden. Da soll keiner denken, weil er einen Menschen umgebracht hat, steht er in der Gefangenen-Hierarchie weiter oben. Interview: Patricia Huber

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