Letzte Woche ist im Kloster St. Ottilien der frühere Abtprimus der Benediktiner, Notker Wolf, beerdigt worden. Ein hochspiritueller Mensch, vielen bekannt durch seine Bücher, manchen auch durch seine Musik in einer Rockband mit Querflöte und E-Gitarre. Nun ist er gestorben, wie er gelebt hat, nämlich meistens unterwegs. Über Jahrzehnte besuchte Notker Wolf rund um den Globus alle Klosterniederlassungen der Benediktiner. Von einem Schlüsselerlebnis auf einer dieser Reisen hat er mir einmal erzählt: Auf dem Flug nach Tansania war er in der aufgehenden Morgensonne überwältigt von der Schönheit der Landschaft. Im gleichen Moment habe er in seinem Brevier einen Psalm gelesen, in dem es heißt: „Sie leben und sind doch jenen gleich, die längst begraben sind.“ Da wäre ihm schlagartig klar geworden, was erlöstes, österliches Menschsein bedeutet. Wenn wir im Alltag in der Betriebsamkeit gefangen sind und unsere Gedanken nur noch um uns selbst kreisen, läuft das wahre Leben an uns vorbei. Dann „gleichen wir jenen, die längst begraben sind.“ In der Osterbotschaft der Bibel wird den Jüngerinnen Jesu am Grab eine genau entgegengesetzte Frage gestellt: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Notker Wolf hat mir damals den Rat gegeben, dass das Leben immer seine eigene Dynamik hat: „Es hat eine von Gott geschenkte, lebendige Kraft von innen her und birgt eine Sehnsucht, die uns auch durch alle Niederlagen hindurch weiterführt.“ Notker Wolf ist kurz nach Ostern erlöst zum Leben heimgegangen. Sein österliches Vermächtnis ist mir geblieben.