„Etwas bewegen ist ein großartiges Gefühl“

von Redaktion

Interview Daniel Artmann kehrt nach Darmkrebs-Diagnose zurück in den Landtag

Rosenheim – Am vergangenen Montag war es soweit: Nach seiner Darmkrebs-Diagnose im Februar ist Daniel Artmann zurück im Landtag. Wie wichtig dieser Schritt für ihn war, wie es ihn in den vergangenen Monaten ergangen ist und warum es politisch einiges zu tun gibt, verrät er im OVB-Interview.

Seit einer Woche sind Sie nach Ihrer Krebserkrankung zurück im Landtag. Wie geht es Ihnen?

Soweit gut. Meine Behandlungen sind vorerst vorbei. Genaueres weiß ich aber erst im Juli nach meiner PET/CT-Untersuchung.

Wie haben Sie es geschafft, trotz Ihrer Erkrankung am Ball zu bleiben?

Dank meines Teams im Abgeordnetenbüro ist das Tagesgeschäft durchgängig weitergegangen. Ich habe fast täglich Kontakt zu meinem Büro gehabt und konnte so die wichtigsten Angelegenheiten abstimmen. Ich war also nicht komplett weg, nur eben nicht sichtbar.

Gab es trotzdem die Sorge, dass Sie den Anschluss verpassen? Gerade, weil Sie erst frisch in den Landtag gestartet sind?

Ja, das war meine große Angst. Aber meine komplette Landtagsfraktion war mehr als verständnisvoll. Da ich der zuständige Haushälter der CSU-Fraktion für den Einzelplan 03 bin, welcher den Geschäftsbereich des Bayerischen Innenministeriums umfasst, sowie den Einzelplan 07 für das Bayerische Wirtschaftsministerium, habe ich auch während meines Krankenhausaufenthaltes an den Konferenzen teilgenommen – zum Teil per Videokonferenz aus dem Krankenhausbett.

Das stelle ich mir alles andere als einfach vor.

Für mich war es gut, weil ich so nie den Anschluss verloren habe. Die Situation hat mir Sicherheit gegeben. Es war mir wichtig, am Ball zu bleiben.

Einige Stimmen sagen, dass Sie zu früh ins Arbeitsleben zurückkehren.

Ich habe mich bewusst dazu entschlossen, jetzt schon zurückzukehren, da die Haushaltsberatungen im Landtag begonnen haben und ich der zuständige Berichterstatter für das Innen- und das Wirtschaftsministerium bin. Es stehen lange und intensive Beratungen über mehr als 1000 Änderungsanträge bevor. Die Arbeit im Ausschuss bedeutet insofern eine große Verantwortung. Wir entscheiden im Doppelhaushalt 2024/25 immerhin über ein Volumen von insgesamt 149 Milliarden Euro für den gesamten Freistaat.

Sie sitzen nicht nur im Landtag, sondern sind auch Zweiter Bürgermeister der Stadt Rosenheim. Da fallen ebenfalls etliche Termine an.

Das Amt des Zweiten Bürgermeisters ist mir eine Herzensangelegenheit, daher bedaure ich es, dass ich im Moment erst sehr wenige Veranstaltungen wahrnehmen kann. Ich sitze von früh bis abends im Landtag oder in Terminen und merke am Ende des Arbeitstages, dass ich noch nicht wieder komplett leistungsfähig bin. Meine Frau achtet darauf, dass ich es nicht übertreibe. Die Gesundheit geht vor. Das habe ich in den vergangenen Monaten gelernt. Dennoch freue ich mich, wenn ich in den kommenden Wochen nach und nach wieder mehr Termine wahrnehmen kann.

Gibt es andere Dinge, die Sie während Ihrer Krankheit neu zu schätzen gelernt haben?

Ich habe gelernt, dass man schon mit den einfachsten Sachen zufrieden sein kann. Zum Beispiel, als ich zum ersten Mal mit meiner Mama wieder spazieren war und die Sonne genießen konnte. Oder das erste Mal, als ich wieder einigermaßen normal essen konnte. Ich wurde insgesamt drei Wochen stationär behandelt und musste dabei teilweise künstlich ernährt werden. Da freut man sich natürlich umso mehr, wenn es wieder etwas Anständiges zu essen gibt. Wir regen uns oft über Themen auf, die eigentlich gar nicht so wichtig sind. Durch die Krankheit habe ich gelernt, worauf es wirklich ankommt.

Worauf?

Auf meine Familie. Nachdem ich das Krankenhaus verlassen habe und zu Hause war, ging es gesundheitlich steil bergauf. Zwar habe ich am Anfang sehr viel geschlafen, aber die Zeit, die ich wach war, habe ich mit meiner Frau und meinen Kindern verbracht. Das hat mir unglaublich geholfen und gezeigt, was mir wirklich Kraft gibt. Meine Familie, aber auch viele Freunde und politische Weggefährten wie Alt-Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer haben mir dabei geholfen, zu akzeptieren, dass es okay ist, wenn man über mehrere Wochen hinweg nicht präsent sein kann.

Sind Sie froh, dass Sie Ihre Krebserkrankung damals publik gemacht haben?

Ja, es ist wichtig, dass das Thema enttabuisiert wird. Vor einigen Jahren wäre eine solche Erkrankung Politikern noch als Schwäche ausgelegt worden. Wir müssen mit dem Thema offen umgehen, wie es beispielsweise auch die ebenfalls betroffenen Landtagsabgeordneten Kerstin Schreyer, Peter Wachler oder Alexander Hold gemacht haben. Alle haben wir dafür geworben, dass möglichst viele Leute zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. An dieser Stelle möchte ich auch das Romed-Klinikum lobend erwähnen. Die Ärzte und Pflegekräfte leisten tagtäglich so viel und versuchen, die Situation so erträglich wie möglich für die Patienten zu gestalten.

Wie waren die ersten Tage zurück im Landtag?

Es hat richtig gut getan, zurück zu sein. Und gerade bei den Haushaltsberatungen merke ich, dass man wirklich etwas bewegen kann. Das ist ein großartiges Gefühl. Ein Beispiel: Auf meinen Antrag hin hat der Freistaat unseren Lokschuppen Rosenheim und die Sanierung der Abtei Frauenwörth mit jeweils 250000 Euro aus dem Staatshaushalt gefördert. Alles in allem würde ich sagen, dass sowohl meine Familie und Freunde als auch die Rückkehr ins Arbeitsleben dazu geführt haben, dass es mir besser geht. Aber natürlich muss ich darauf achten, dass ich es nicht übertreibe.

Politisch stehen Sie vor herausfordernden Zeiten.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der es so wichtig ist, wie noch nie, Politik zu machen. Es braucht eine gesunde Opposition und eine mutige CSU, die Themen, die nicht richtig laufen, klar benennt und Lösungen aufzeigt. Die politischen Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden und es braucht eine klare Haltung. Gerade diejenigen, die den staatlichen Karren ziehen und das Steueraufkommen erwirtschaften, spüren, dass es nicht mehr gerecht zugeht in unserem Land. Dabei sind viele Protestwähler mehrheitlich alles andere als rechtsextremistisch. Diese Menschen müssen wir zurückgewinnen. Das geht nicht über pauschale Ausgrenzungen und Beschimpfungen, sondern nur über die inhaltliche Auseinandersetzung.

Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass die AfD immer stärker wird.

Die AfD ist eine ernsthafte Bedrohung für unseren Mittelstand, für unseren Industriestandort und unseren Wohlstand. Sie verfolgt eine rein destruktive Politik, die unserem Land und unserer Gesellschaft schadet. Man muss die Auseinandersetzung mit der AfD auf einer solchen inhaltlichen Ebene führen.

Ein Thema, das polarisiert, ist alles rund um den Bereich Migration und Flüchtlinge.

Die aktuelle Kriminalstatistik macht deutlich: Durch die Migrationspolitik der Ampel wird Deutschland immer unsicherer. 40 Prozent der Tatverdächtigen haben keinen deutschen Pass. Ich bin auch Vorsitzender des Anstaltsbeirates der JVA Bernau. Bayernweit sind 47 Prozent und in Teilen mehr Insassen in unseren Gefängnissen Ausländer. Dies sind die Fakten. Wir brauchen Zuwanderung von Fachkräften, aber müssen irreguläre Migration schnellstmöglich beenden. Bayern handelt mit der Bezahlkarte statt Bargeld für Asylbewerber. So werden Zuzuganreize gesenkt. Für mehr Integration und Akzeptanz müssen wir beim Thema gemeinnützige Arbeit für Asylbewerber die rechtlichen Möglichkeiten endlich nutzen.

Gemeinsam mit Maximilian Böltl und der Jungen Gruppe der CSU-Landtagsfraktion versuchen Sie, noch weitere Themen anzustoßen.

Wir haben bereits mit unserem Positionspapier zu einer echten Verwaltungsreform und unserem Vorschlag zu mehr Flexibilität beim Ladenschlussgesetz insbesondere für eine 24/7-Öffnungszeit für digitale Kleinstsupermärkte und vier verkaufsoffene Sonntage ohne Anlassbezug, eine rege Diskussion angestoßen. Wir brauchen diese Diskussion, da wir in Deutschland mitten in einer strukturellen Rezession stecken. Die Wirtschaft schwächelt wie nirgends sonst in Europa. Unser Wohlstand ist gefährdet. Relativ steigen wir bereits ab. Dieses Problem bekommt man nicht mit dem Ruf nach immer mehr staatlichen Fördermaßnahmen und auch nicht mit durchsichtigen Eingriffen in die Schuldenbremse in den Griff. Unser Staat kann Unternehmen und Menschen allein schon durch weniger Bürokratie und mehr Verwaltungsdigitalisierung unterstützen. Und ganz schön wäre es, wenn die Ampel-Regierung mehr Vertrauen und vor allem mehr Respekt gegenüber den Leistungsträgern in unserem Land hätte. Das würde nämlich bedeuten, genau diese Leistungsträger, die immerhin unseren Sozialstaat finanzieren, endlich einmal steuerlich zu entlasten, statt sie nur als Melkkühe für planwirtschaftliche Umverteilungsprojekte zu betrachten.

Was schlagen Sie vor?

Wir brauchen eine Sozialstaatsreform, die Fordern und Fördern wieder ins Zentrum stellt! Leistungslosen Wohlstand kann es nicht geben. In einer demografisch schrumpfenden Gesellschaft wird sich der Wohlstand auch mit einer 35-Stunden-Woche nicht aufrechterhalten lassen. Schon jetzt verkürzen immer mehr Gastronomen, Handwerker und Dienstleister ihre Öffnungszeiten oder sperren ganz zu, weil sie keine Mitarbeiter mehr finden. Bürgergeld, Vier-Tage-Woche, bedingungsloses Grundeinkommen: All das steht nur für staatliche Umverteilung. Stattdessen müssen wir über das Erwirtschaften reden. Wir müssen wieder die Leistung und Anstrengung in den Mittelpunkt rücken. Wer mehr leistet, muss sich mehr leisten können.

Interview: Anna Heise

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