Schockanrufe: Ganzer Schmuck einer 82-Jährigen weg

von Redaktion

Betrugsfall in Rosenheim – Rund 300000 Euro Schaden – Hohe Freiheitsstrafen für Abholer und Fahrer

Traunstein/Rosenheim – Mit der bekannten Betrugsmasche von Schockanrufen bei Senioren erbeuteten zwei 22 und 23 Jahre alte Polen Geld und Gold im Wert eines sechsstelligen Betrags. Die Siebte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune verhängte Freiheitsstrafen von sechs Jahren und acht Monaten beziehungsweise von fünf Jahren und zwei Monaten.

Bei dem Fall aus Rosenheim hatte am Nachmittag des 26. April 2023 eine weinende Frau, vorgeblich die Enkelin des 82-jährigen Opfers, laut am Telefon um Hilfe gefleht. Sie habe einen „tödlichen Verkehrsunfall“ verursacht. Ein angeblicher „Richter“ schaltete sich ein und wollte Geld für eine Kaution. Nur so könne eine Haft abgewendet werden. Als sich die alte Dame skeptisch zeigte, wurde der psychische Druck deutlich erhöht. Inzwischen sei auch noch das Kind des Unfallopfers verstorben. Die Enkelin habe im Fall ihrer Inhaftierung Suizid angedroht.

Die 82-Jährige händigte dem Abholer letztlich 800 Euro in bar und Schmuck im Wert von 39000 Euro aus. Sie schämt sich, wie sie vor Gericht betonte, bis heute, dass sie auf den Betrug hereingefallen ist. Bis heute verfolgten sie Gedanken, dass „meine geliebte Enkelin zwei Menschen totgefahren haben sollte“. Und bis heute hat die Geschädigte, die ihren gesamten Schmuck verlor, ihrer Familie nichts von dem Betrug erzählt.

Ähnlich erging es anderen Opfern in anderen Städten Bayerns, Baden-Württemberg, Niedersachsens und Sachsens.

Staatsanwalt Alexander Foff hielt ein engagiertes Plädoyer zur Strafbarkeit dieser Verbrechen, der Skrupellosigkeit der Banden und zur notwendigen Generalprävention. Die Geständnisse der Angeklagten seien bestätigt worden in der Beweisaufnahme durch die polizeiliche Sachbearbeiterin und die Aussage der 82-jährigen Dame aus Rosenheim, die stellvertretend für ursprünglich ein Dutzend Opfer angehört worden sei. Für den 22-Jährigen beantragte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten. Der Fahrer solle für sechs Jahre und drei Monate hinter Gitter.

Verteidiger Miguel Moritz aus Traunstein plädierte namens des 23-Jährigen auf nicht mehr als vier Jahre Haft. Die Angeklagten seien zwar Täter, aber auch selbst Opfer aufgrund ihrer persönlichen Umstände. Verteidiger Roman Raczek aus Hamburg hob heraus: „Der Fisch stinkt vom Kopf her.“ Die wirklich Verantwortlichen würden nicht gefasst.

Strafmildernd sei die „unerfahrene jugendliche Vorgehensweise“ des 22-Jährigen, die man „nicht mit dem Bösen verbinden“ dürfe. Dieser sei lediglich ein beliebig austauschbarer Helfer in der Organisation gewesen. Eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren sei angemessen. Im „letzten Wort“ wiederholten die beiden Polen ihre Entschuldigungen.

Im Urteil unterstrich die Vorsitzende Richterin, eine „Bande“ sei am Werk gewesen. Es sei nicht erforderlich, die einzelnen anderen Bandenmitglieder zu kennen: „Es reicht, zu wissen, dass andere, austauschbare Personen mitwirken.“ Den Verteidigern hätten die Angeklagten die kurze Beweisaufnahme als Pluspunkt zu verdanken – ob deren frühzeitiger Signale in Richtung Geständnisse, betonte Christina Braune. Die Kammer sehe auch das jugendliche Alter der Täter. Andererseits könne „nicht von purer Not“ die Rede sein. Man habe lediglich „mehr Geld“ gewollt. Die „Omas“, wie die Angeklagten die Opfer in Gesprächen herablassend bezeichnet hatten, hätten lange unter den Folgen zu leiden. Alle Geschädigten hätten bei der Polizei von enormen psychischen Belastungen gesprochen.

Wenn sich ein „Staatsanwalt“ oder ein „Polizeibeamter“ telefonisch melde, glaube man das. Das Vertrauen in Amtspersonen schwinde. „Ohne Geständnisse wären die Strafen weitaus höher ausgefallen“, sagte die Richterin. Monika Kretzmer-Diepold

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