Noch einmal zur Führerscheinprüfung

von Redaktion

Der TÜV-Verband schlägt Alarm: Die Durchfallquote bei Führerscheinprüfungen steigt. Begründete Ängste – oder was steckt dahinter? Unser Reporter Manuel Hinmüller wagt den Selbstversuch und macht erneut die Prüfungen für den Autoführerschein.

Prien/ Rosenheim – 1,97 Millionen Menschen in Deutschland haben 2023 ihre theoretische Führerscheinprüfung gemacht. 42 Prozent davon sind durchgefallen, wie der TÜV-Verband mitteilt. So viele wie noch nie. Praktische Prüfungen gab es rund 1,77 Millionen, dabei scheiterten 30 Prozent der Fahrschüler.

Bei mir ist es knapp zehn Jahre her, dass ich den Autoführerschein gemacht habe. Ich wollte unbedingt mit 17 hinters Steuer, wenn auch nur in Begleitung meiner Eltern. Autofahren war für mich der erste Schritt ins Erwachsensein, ein Wunsch nach einer Art Freiheit. Also habe ich mich damals sehr angestrengt, um die Prüfungen zu bestehen. Mit Erfolg.

„Erfahren ab
100000 Kilometern“

Klappt das jetzt auch noch? Für dieses Selbstexperiment habe ich mir Josef Heindlmeier zur Seite geholt, Inhaber der Fahrschule Heindlmeier. Mein Versuch beginnt mit dem Unterricht bei ihm in Prien. 14 Doppelstunden von je 90 Minuten sind normal Pflicht. Ich reduziere sie auf einen Abend. Das Thema: „Lebenslanges Lernen“.

In einer Gruppenarbeit gehen wir auf die Ursachen von Unfällen bei Fahranfängern, Fahrern mittleren Alters und Senioren ein. Vor der Präsentation stellt Heindlmeier eine sehr spannende Frage: „Ab wann gilt man als erfahrener Autofahrer?“ Ich fahre seit knapp neun Jahren allein. „Bin ich deshalb erfahren?“, überlege ich. Heindlmeiers Auflösung: „Als Erfahren gilt man, wenn man aus der Probezeit draußen ist und alleine etwa 100000 Kilometer gefahren ist.“ Super, denk ich mir. Beides trifft auf mich zu. 

Ängste und zu
viel Interpretation

Es folgt die theoretische Prüfung in der Fahrschule in Rimsting. An den beiden Tagen zuvor hatte ich über eine App einige Probe-Prüfungen absolviert, die ich alle mit nur sehr wenigen Fehlerpunkten bestanden hatte. Ich gehe daher mit einem guten Gefühl rein und klicke mich durch die ersten Fragen. Insgesamt 30 sind es, dabei gibt es pro Frage drei Antwortmöglichkeiten, von denen auch alle richtig sein können. Bis zu zehn Fehlerpunkte sind erlaubt, jedoch bilden Fragen mit fünf Punkten eine Ausnahme. Hier darf nur eine falsch beantwortet werden. 

Es kommen Bild- und Video-Aufgaben dazu. Dabei wird eine Verkehrssituation gezeigt, aus der Sicht des Fahrers. Vor mir auf dem Bildschirm erscheint die Windschutzscheibe, durch die ich auf die Straße blicke, darunter die Geschwindigkeitsanzeige, an den Bildschirmrändern sind meine drei Rückspiegel. Es ist nicht einfach, jede Kleinigkeit zu sehen. Fünfmal darf ich so ein Video anschauen, dann geht es automatisch zur Frage weiter. 

Nicht jede kann ich sofort lösen, sondern muss sie erstmal überspringen. Nachdem ich meine Antworten noch einmal durchgegangen bin, drücke ich auf „Abgabe“. Das Ergebnis: alles andere als erfreulich. „Durchgefallen.“ Ich habe zwar bei den Fragen mit mehr Antwortmöglichkeiten immer eine richtig, aber mir fehlten eben die weiteren Richtigen.

Ich interpretiere zu viel in die Situationen rein, sagt mir Heindlmeier. „Du bist schon Autofahrer und auch mit schwierigen Situationen vertraut. Daher denkst du einen Schritt weiter, was passieren könnte, obwohl das aber gar nicht erwähnt wird.“ So das Beispiel: „Sie kommen unerwartet auf einem Fußgängerüberweg zum Stehen. Wie verhalten Sie sich?“. Die richtige Antwort: Ich soll – wenn möglich – etwas vor oder zurückfahren. Ich habe angekreuzt, ich darf nicht zurückfahren, auch wenn hinter mir frei ist. Meine Begründung: „Was, wenn jemand genau dann um‘s Eck gebogen kommt, wenn ich rückwärts fahre, oder wenn doch ein Fußgänger über die Straße will.“ Doch davon war in der Frage nirgendwo die Rede.

„Das ist aber auch bei Fahranfängern gerne mal ein Problem, dass sie in die Fragen etwas reininterpretieren“, sagt Heindlmeier. Weitere Ursachen, warum Schüler durchfallen, seien, dass ihnen das Selbstvertrauen fehle. Sie haben Angst vor dem Scheitern, zum einen, weil das zu weiteren Kosten führe, wo der Führerschein eh schon viel Geld kostet. „Und einige haben auch Angst, jemand könnte sie runtermachen, wenn sie durchfallen“, erklärt Heindlmeier.

Diese Ängste seien auch bei der praktischen Prüfung oft spürbar, wie er erklärt. „Und wenn der Prüfer sagt, der Schüler soll etwas selbstständig machen. Zum Beispiel, wenn er auf einem Parkplatz in Eigeninitiative eine geeignete Parklücke suchen soll. Dann sind auch viele überfordert.”

Um Fahrschülern etwas die Angst zu nehmen, hat Heindlmeier einen Simulator in der Fahrschule in Rimsting. Hier lernen Schüler den Umgang mit den drei Fußpedalen und der Gangschaltung. Zusätzlich überwacht eine Kamera Spiegel- und Schulterblick. Auch ich versuche mich an dem Gerät, jedoch ist es eine sehr ungewohnte Situation, über drei Bildschirme auf die Simulation einer Straße zu blicken. 

„Spiegel, Blinker, Schulterblick”

Trotz missglückter Theorie-Prüfung darf ich zur praktischen Abnahme antreten. Heindlmeier und ich treffen uns dafür auf dem TÜV-Gelände in Rosenheim, wo auch bei echten Prüfungen begonnen wird.

Die 55-minütige Route führt durch Rosenheim, Stephanskirchen, aber auch auf die Autobahn. Beim Abbiegen sage ich mir laut vor: „Spiegel, Blinker, Schulterblick”, um letzteren nicht zu vergessen. „Das ist kommentierendes Fahren und sehr sinnvoll“, betont Heindlmeier.

Auf der Prüfungsordnung stehen weiter: Gefahrenbremsung, verschiedene Parkvorgänge, die Fahrt durch 30er-Zonen mit „rechts vor links“ und einen verkehrsberuhigten Bereich. Für mich keine neuen Szenarien, weshalb ich nicht lange überlegen muss. Doch auch wenn ich ein sehr gutes Gefühl habe, wieder zurück beim TÜV, die Hiobsbotschaft: Leider nicht bestanden. 

„Wären die Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht gewesen, hättest du es geschafft“, sagt mir Heindlmeier. Stellenweise sei ich einige km/h zu schnell dran gewesen und einmal hatte ich bereits vor dem Ende einer Ortschaft auf über 50 beschleunigt. Hier kam wieder der Leichtsinn aus der Fahrerfahrung zum Vorschein.

Auffrischen
schadet nicht

Ich merke, dass man als Autofahrer in manchen Situationen unvorsichtiger wird. Sei es jetzt, dass nicht mehr beide Hände am Lenkrad sind, oder eben das frühzeitige Beschleunigen – und genau das hätte mich in einer echten Prüfung den Erfolg gekostet. Natürlich spielte bei mir auch die Erwartung an mich selbst eine große Rolle. Der Gedanke: „Ich hab das doch schon mal geschafft, ich darf jetzt ja nicht versagen“, sorgte vor allem in der Theorie für eine andere Anspannung. Auch wenn ich den Selbstversuch nicht bestanden habe, so bin ich mir sicher, hätte ich mich mehr vorbereitet und öfter die Fahrschule besucht, mehr Probefahrten gemacht, um den Leichtsinn zu vertreiben, dann wäre das Ergebnis erfreulicher gewesen.

Das eigene Wissen und die Kenntnisse aufzufrischen, schadet also gar nicht. Und ich bin mehr als froh, dass es nur ein Selbstversuch war, und ich meinen Schein behalten darf.

Artikel 1 von 11