Schlaganfall mit 31

von Redaktion

Ein Schlaganfall teilt das Leben in ein Davor und ein Danach. Das weiß wahrscheinlich kaum jemand besser als Claudia Huber aus Kiefersfelden. Zum Tag des Schlaganfalls am heutigen Freitag, 10. Mai, erzählt sie ihre Geschichte – und von dem Moment, der alles veränderte.

Die Romed-Neuro-Experten: Chefarzt PD Dr. Joji Kuramatsu (Neurologische Klinik), Chefärztin Dr. Charlotte Rüther (Neuroradiologische Klinik) und Chefarzt Dr. Georgios Ntoulias (Neurochirurgische Klinik).Foto RoMed Kliniken

Kiefersfelden/Rosenheim – Fünf Tage nach ihrem 31. Geburtstag hat sich das Leben von Claudia Huber für immer verändert. „Ich hatte schon den ganzen Vormittag brutale Kopfschmerzen“, erinnert sich die heute 59-Jährige. Auch Jahre später kann sie sich an jedes Detail erinnern. Es war ein Samstag, sie sei gerade am Telefon mit einem Arbeitskollegen gewesen. Irgendwann legt Huber auf, Sekunden später merkt sie, wie etwas in ihrem Kopf platzt.

Rettungskräfte sind
binnen Minuten da

„Ich weiß noch, dass ich nach dem Blut auf dem Boden gesucht habe“, sagt sie. Sie sei in die Küche gegangen, zurück zu ihrem Besuch. Sie spricht ihn an, versteht zuerst nicht, warum er so irritiert ist. „Es ist alles herausgekommen, nur kein anständiges Wort“, weiß sie heute. Ihr Bekannter ruft Notarzt und Sanka, drei Minuten später stürmen die ersten Rettungskräfte in ihre Wohnung.

Zu diesem Zeitpunkt hat Claudia Huber bereits einen epileptischen Anfall erlitten. Sie liegt auf der Küchenbank. Sprechen kann sie nicht. „Ich habe nur gestammelt und immer wieder auf meinen Hinterkopf gezeigt“, sagt sie. Der Notarzt vermutet eine Gehirnhautentzündung. Als die Sprachstörungen besser werden, lässt er sie selbst entscheiden, ob sie zur weiteren Kontrolle ins Krankenhaus möchte.

Ihre Stimme
ist weg

Huber entscheidet sich dafür und lässt in der Notaufnahme in Rosenheim zahlreiche Tests über sich ergehen. An einen Schlaganfall denkt da noch niemand. „Ich konnte den Ärzten nicht sagen, was los ist. Sprache, Stimme, alles war weg“, sagt sie. Sie habe eine Magensonde bekommen, wurde anschließend auf die Intensivstation verlegt. Kommunizieren kann sie nur durch Blinzeln. Einmal heißt Ja, zweimal Nein.

Schließlich wird Claudia Huber mit dem Helikopter nach Großhadern gebracht. „Eine Fahrt mit dem Sanka hätte ich nicht überlebt“, sagt sie. Innerhalb weniger Stunden erhält sie die Diagnose: Sie hat einen Ponsinfarkt – also einen Infarkt des Hirnstamms. „Dreimal hab ich gehört, dass ich die Nacht nicht überleben werde“, sagt sie. Doch Claudia Huber ist eine Kämpferin. Auf 17 Tage Intensivstation folgen zwei Wochen auf der Normalstation. Anschließend verbringt sie sechseinhalb Monate auf Reha. „Von meinem Arzt wurde mir gesagt, dass ich mit aller Wahrscheinlichkeit als Schwerstpflegefall in einem Pflegeheim lande“, sagt Claudia Huber.

Was vielen Menschen den Boden unter den Füßen weggezogen hätte, motiviert die 59-Jährige. Weil ihre rechte Körperseite komplett gelähmt ist, muss sie alltägliche Dinge wie Schreiben, Zähneputzen und Essen komplett neu lernen. Nach und nach kommt auch ihre Sprache zurück. „Für mich war es das Schlimmste, nicht kommunizieren zu können“, sagt sie.

Zwei Monate, nachdem sie im Rollstuhl von der Reha nach Hause kommt, geht sie wieder die ersten Schritte auf eigenen Beinen. Den Rollstuhl tauscht sie gegen den Rollator. Stück für Stück kämpft sie sich zurück ins Leben. „Aber auch ich bin an meine Grenzen gekommen“, sagt sie. Sie erzählt von den „tiefen Tiefs“ und den „depressiven Phasen“. Tagen, an denen sie stundenlang geweint hat und sich immer wieder gefragt hat, warum es ausgerechnet sie treffen musste. „Eine Antwort darauf kann mir niemand geben“, sagt sie. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen, stürzt sich in die Behinderten- und Ehrenamtsarbeit. „Ich wusste, dass ich anderen Menschen helfen muss, um mir selbst helfen zu können“, sagt sie. Sie unterstützt den Bayerischen Verband Schlaganfallbetroffener, ist dort seit 2013 als Zweite Vorsitzende tätig. Im April 1997 gründet sie eine Selbsthilfegruppe in Kiefersfelden für andere Betroffene. Sie engagiert sich bei der Caritas, ist seit Januar 2000 als Behindertenbeauftragte der Gemeinde im Einsatz.

Größter Wunsch
bleibt unerfüllt

Die Arbeit tut ihr gut. Lenkt sie ab. Meistens klappt es. „Und dann hinterfrage ich wieder, warum mir so viele Dinge genommen worden“, sagt sie. Wandern könne sie nicht mehr gehen, von ihren geliebten Laufrunden am Hechtsee musste sie sich ebenfalls verabschieden. Das Rad verstaubt schon seit Jahren in der Garage und ihren großen Traum vom Fallschirmspringen wird sie sich nie erfüllen können. Stattdessen fährt ihr Mann sie mit dem Auto auf den Berg, dorthin, wo die Wege ebenerdig und für ihren Rollator geeignet sind. Sie reisen, sind hin und wieder mit dem Schiff unterwegs.

Claudia Huber hilft in der Schön-Klinik in Bad Aibling aus und steht anderen Schlaganfall-Patienten und deren Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite. „Es ist ein gutes Leben“, sagt sie. Und fügt leise hinzu: „Nur eben ein anderes.“

Hilfe für Betroffene

Romed-Experten behandeln jährlich rund 1000 Schlaganfallpatienten

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