Traunstein/Grabenstätt – Ein weiteres Mal muss sich ein 43-Jähriger aus Bergen vor einem Traunsteiner Gericht wegen einer Sextat an einem alkoholisierten jungen Mann verantworten. Er soll als „Taxifahrer ohne Taxischein“ im August 2023 seine Dienste offeriert und einen damals 17-Jährigen nach dem Weinfest in Grabenstätt bei sich in der Wohnung vergewaltigt haben. Wegen vergleichbarer Taten, bei denen er im April 2022 drei jungen Männern vor dem Lokal „Villa“ in Traunstein aufgelauert hatte, stand er zur Tatzeit in Grabenstätt unter offener Bewährung.
Anders als im
Jahr 2022 gibt es
kein Geständnis
Vor dem Amtsgericht Traunstein gab sich der Angeklagte bei der Verhandlung im November 2022 bezüglich der drei Fälle in Traunstein voll geständig. Das bedeutete: Die Opfer mussten wegen der sexuellen Übergriffe nicht noch einmal aussagen. „Unter Rückstellung von Bedenken“ setzte das Gericht damals die zweijährige Freiheitsstrafe auf vier Jahre zur Bewährung aus. Unter den Auflagen war neben einer Geldbuße von 2000 Euro auch eine Therapie in einer Fachambulanz in München.
Vor der Siebten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune hingegen war gestern von Geständnis und Reue keine Rede. Der inzwischen 43-Jährige ließ seinen Verteidiger, Michael Vogel aus Traunstein, die äußeren Umstände wie die private „Taxifahrt“ mit dem eigenen Pkw und die Übernachtung des Jugendlichen bei ihm zuhause im Doppelbett einräumen. Zu irgendwelchen sexuellen Handlungen sei es jedoch nicht gekommen, betonte Vogel in der Verteidigererklärung.
Staatsanwältin Helena Neumeier wirft dem Angeklagten, der wegen früherer Vermögensdelikte bereits mehrere Jahre im Gefängnis saß, eine „Vergewaltigung“ des 17-Jährigen vor. Der 43-Jährige wird verdächtigt, seinen Penis in den Mund des Opfers gesteckt zu haben – was juristisch als „Vergewaltigung“ gilt. Im Vorfeld der angeblichen Tat hatte der junge Mann am 11. August 2023 mit Freunden kräftig im Weinzelt gefeiert und eine Menge Alkohol getrunken. Seine Freunde fuhren gegen 1 Uhr nachts heim. Der 17-Jährige wollte noch ein bisschen bleiben und dann bei seiner Ex-Freundin, die mit mehreren Frauen beim Weinfest war, in Übersee übernachten. Als er vom WC zurückkam, waren die Mädels plötzlich alle weg. Telefonieren brachte keinen Erfolg. Während der ziemlich alkoholisierte 17-Jährige suchend umherschaute, wie er heimkommen könnte, sprach ihn ein unbekannter Festbesucher an. Der Angeklagte soll dem Jugendlichen unaufgefordert offeriert haben, ihn nach Übersee zu chauffieren. Gesagt, getan. An der Adresse der Frau öffnete niemand die Haustüre. Da bot der 43-Jährige dem jungen Mann an, er könne bei ihm zu Hause übernachten. Der Angeklagte wohnte in einem abgelegenen Haus, in dem er ein Zimmer gemietet hatte. Der 17-Jährige schlief in der Folge tief. Zu keiner Zeit sei das Opfer mit irgendwelchen sexuellen Handlungen einverstanden gewesen, hieß es in der Anklage. Als der Jugendliche gegen 8.30 Uhr, noch immer erheblich unter Alkoholeinfluss stehend, aufwachte, hörte er den Gastgeber sagen: „Ja, schau mal da.“ Der 43-Jährige soll den Geschädigten am Oberkörper zu sich heruntergedrückt haben. Dabei soll er den nicht erigierten Penis in den Mund des Jugendlichen gesteckt haben. Der 43-Jährige brachte den 17-Jährigen hinterher heim. Der Junge offenbarte sich dem Vater. Gemeinsam wurde Strafanzeige bei der Polizei erstattet. Bei einer Untersuchung gegen 12.45 Uhr hatte der Sohn immer noch 0,9 Promille Alkohol im Blut.
Der 17-Jährige musste gestern nicht in aller Öffentlichkeit in den Zeugenstand treten. Zunächst ließ die Kammer zwei Videovernehmungen vorführen. Sowohl beim Ermittlungsrichter als auch bei der Kripo Traunstein hatte das Opfer übereinstimmende Angaben geliefert. Ergänzend hörte das Gericht den Geschädigten noch persönlich an, allerdings unter Ausschluss aller Zuhörer und der Medien. Im Wesentlichen hatte der 17-Jährige den Sachverhalt beim Ermittlungsrichter und der Polizei gleich geschildert. Von der Fahrt von Grabenstätt nach Übersee wusste er gar nichts mehr.
Verhängnisvoller
Filmriss ist „heute
noch unangenehm“
Nur mit seinen engsten Freunden hatte er über das Geschehen in jener Nacht gesprochen. Wörtlich meinte er in der ersten Vernehmung: „Es ist mir heute noch unangenehm.“ Zu seinem Alkoholkonsum beteuerte der 17-Jährige bei der Kripo: „Ich hatte noch nie so einen Rausch, dass ich nichts mehr weiß.“ Was da eigentlich geschehen war, habe er erst hinterher registriert. Verletzt worden sei er nicht, meinte der Geschädigte auf Fragen.
In dem Verfahren gibt es außer den Beteiligten keine Augenzeugen. Neben Kriminalbeamten sollen Randzeugen zu Wort kommen. Das Gericht hat mit Professor Dr. Norbert Nedopil, dem psychiatrischen Gutachter, und dem Rechtsmediziner Professor Oliver Peschel zwei bekannte Sachverständige aus München zugezogen. Die Hauptverhandlung geht am 17. und am 22. Mai, jeweils um 9.15 Uhr, weiter.