Urteil gefallen – Sex auf dem Schechener Altar nur ein Anklagepunkt unter vielen

von Redaktion

Fünf Jahre Haft für Betrüger – 360000 Euro Schaden – Gericht sieht Tatbestand der „Störung der Religionsausübung“ als „mehr als respektlos“ an

Traunstein/Rosenheim – Ein 39-jähriger Rosenheimer muss hauptsächlich wegen großer Betrügereien am Campingplatz in Schechen für fünf Jahre und fünf Monate ins Gefängnis. Der Vorwurf „Sex in der Kirche“ war im Urteil der Siebten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune – rechtlich eine „Störung der Religionsausübung“ – mit einer Einzelstrafe von sechs Monaten darin enthalten. Der Angeklagte hatte am 31. Juli 2022 auf und neben dem Altar der Pfarrkirche in Schechen den Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau durchgeführt und alles auf Video dokumentiert. Die Ehefrau des 39-Jährigen hatte sich wegen des Geschehens in dem Gotteshaus ebenfalls strafrechtlich verantworten müssen. Einen öffentlichen Prozess vermied die Frau, indem sie den Strafbefehl des Amtsgerichts Rosenheim im Februar 2024 samt einer hohen Geldstrafe akzeptierte. Der Altar wurde im Dezember 2023 bei einem Wortgottesdienst mit Weihrauch und Weihwasser neu gesegnet. Ihr Ehemann hatte vor der Siebten Strafkammer den Sex auf dem Altar eingestanden, allerdings anfangs mit einer abenteuerlichen Begründung. Der örtliche Pfarrer sollte 2000 Euro geboten haben, um zusehen zu dürfen.

Später korrigierte der Angeklagte, das sei nicht dieser Geistliche gewesen, sondern ein anderer Pfarrer „aus einer anderen Diözese im nördlichen Landkreis Rosenheim“, dessen Namen er nicht nennen wolle. Lange hielt der Angeklagte diese Behauptung aufrecht. Der 61-jährige katholische Priester von Schechen betonte dann im Zeugenstand, er kenne weder den Angeklagten noch dessen Ehefrau. Von dem Sex in seiner Kirche habe er erst ein Jahr später erfahren. Überraschend ließ der 39-Jährige kurz vor Prozessende über seinen Verteidiger, Dr. Markus Frank aus Rosenheim, sowohl die Betrugsfälle als auch den Sex in der Kirche, ausdrücklich ohne Wissen des Pfarrers, einräumen.

Der übrige Sachverhalt der Anklage von Staatsanwältin Franziska Mitterer und Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling umfasste weitere Delikte wie massive Gewalt gegenüber der Ehefrau oder aggressives Verhalten im Romed-Klinikum Rosenheim. Der überwiegende Teil galt jedoch dem Komplex „Betrug auf dem Campingplatz Schechen“ mit etwa 360000 Euro Schaden. Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling beantragte gestern wegen 20 Fällen des gewerbsmäßigen Betrugs und wegen des Vorfalls in der Kirche eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten. Keines der Opfer auf dem Campingplatz sei durch die Taten in seiner Existenz bedroht worden. Der 39-Jährige habe sich in die Platzverwaltung gedrängt, mal als vorgeblicher „Enkel“ der betagten Eigentümerinnen, mal als „Bevollmächtigter“.

Bei dem schwunghaften Geschäft habe er mit den Ablösesummen „ein Nichts“ verkauft, ein „bemerkenswertes System mit hoher krimineller Energie“ aufgebaut. Bei den Taten sei der 39-Jährige unter dreifacher, offener und einschlägiger Bewährung gestanden. Den Wertersatz bezifferte Dr. Freudling mit 354450 Euro. Auch die vier „gefälschten Rolex-Uhren“ des Angeklagten seien einzuziehen.

Verteidiger Dr. Markus Frank hob heraus, durch den Sex am Altar sei kein gläubiger Besucher, kein Pfarrer gestört worden: „Niemand hat gesehen, was da vor sich ging.“ Das Video sei lediglich „ein Zufallsfund der Polizei“ gewesen und nicht verbreitet worden. Die Geschädigten vom Campingplatz hätten für ihre Zahlungen durchaus Gegenwerte erhalten, was man als „eine Art Täter-Opfer-Ausgleich“ betrachten könne. Der Anwalt stufte den Schaden deutlich geringer ein. Die im Safe seines Mandanten von der Polizei gefundenen 230000 Euro in bar überstiegen wahrscheinlich den Schaden. Das Geständnis des 39-Jährigen habe einen „sehr hohen Wert“. Drei Jahre Haft seien ausreichend.

„Geringster Vorwurf“ war nach Worten der Vorsitzenden Richterin der Geschlechtsverkehr in der Kirche. Frühzeitig habe der 39-Jährige diesen Teil eingeräumt, wenn auch mit der unglaubwürdigen Begründung, vom Pfarrer angestiftet oder bestochen worden zu sein. Rechtlich sei der Straftatbestand „Störung der Religionsausübung“ vollkommen unkritisch. Ausführlich beleuchtete Christina Braune die Betrügereien an dem Campingplatz. Verblüfft habe sie des Angeklagten Bemerkung im „letzten Wort“: „Ich habe den Leuten Lebensfreude gegeben.“

Bei der Strafzumessung lehnte sich Frau Braune an die Argumentationen der Vorredner an. Zum Punkt Sex meinte sie: „Es ist mehr als respektlos, gerade in einer katholischen Kirche, aber auch in anderen, am und auf dem Altar Oral- und vaginalen Geschlechtsverkehr auszuüben. Das macht man nicht spontan. Es gab natürlich einen Plan.“ kd

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