Großkarolinenfeld/München – Am 14. Juni wird die Fußball-Europameisterschaft in der Münchner Allianz-Arena eröffnet. Beim Landtagsabgeordneten Sepp Lausch weckt sie Erinnerungen an den Start der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2006 in diesem Stadion. Damals durfte er rund einer Milliarde Menschen auf der ganzen Welt seine Plattelkünste präsentieren.
Rund vier
Jahre Vorbereitung
Rund vier Jahre nahm die Vorbereitung auf jenen besonderen Moment im aktiven Trachtlerleben des gelernten Energiewirts in Anspruch, der seit Oktober vergangenen Jahres die Freien Wähler im Bayerischen Landtag vertritt und in Petzenbichl in der Gemeinde Großkarolinenfeld lebt. Von 1997 bis 2008 war er Landesvorplattler des Trachtenverbandes Bayern.
Lausch erinnerte sich an den gelungenen und viel Sympathie einbringenden Auftritt der Trachtler bei der Eröffnung der Olympiade im Jahr 1972 in München, als 2002 Deutschland offiziell als Austragungsort der WM feststand. Er sah in dem Spektakel frühzeitig eine einzigartige Chance, erneut weltweit und kostenlos beste Werbung für bayerisches Brauchtum machen zu können. In Otto Dufter, der 2019 verstorben ist und damals an der Spitze des bayerischen Trachtenverbandes stand, hatte er einen engagierten Mitstreiter.
Rund 165000 Mitglieder aus insgesamt 22 Gauverbänden und dazu etwa 100000 Vertreter der Trachtenjugend vertritt der Verband heute. Trotz seiner beachtlichen Größe sah es anfangs gar nicht so gut für einen Auftritt von Blaskapellen, Schuhplattlern, Tänzerinnen im schmucken Dirndl und Goaßlschnalzern zum Start des Fußballfestes aus. Als größtes Hemmnis erwies sich André Heller, Aktionskünstler und Kultmanager aus Wien. Ihn hatte der Deutsche Fußballbund (DFB) mit der Organisation der Eröffnungsfeier beauftragt.
Als Dufter und Lausch das erste Mal in Tracht bei ihm in der österreichischen Landeshauptstadt vorsprachen und ihr Konzept erläuterten, hielt sich Hellers Begeisterung in sehr engen Grenzen. „Die Vorstellungsmappe, die wir dabei hatten, hat den eigentlich gar nicht interessiert. Trachtler waren für ihn viel zu reaktionär“, berichtet Lausch rückblickend.
Die positive Wende wurde eingeleitet, als sich der DFB von Heller trennte, weil ihm dessen Programmvorstellungen als zu kostspielig erschienen. An seiner Stelle wurde der in Oberammergau geborene Theaterintendant und Regisseur Christian Stückl mit der Aufgabe betraut. Als gebürtiger Bayer, der 1987 erstmals Spielleiter der Passionsspiele in seiner Heimatgemeinde wurde und seit 1990 als deren Regisseur fungiert, hatte er im Gegensatz zu Heller einen Zugang zur Trachtenbewegung.
Erstes Treffen
in Oberammergau
Ein erstes Treffen in Oberammergau im Jahr 2003 verlief positiv, bei einer Tagung in Niederbayern im Jahr 2005 verständigten sich Stückl und die Trachtler endgültig auf ein Grundkonzept für deren Auftritt. Fast wäre das Projekt dennoch gescheitert. Entgegen der Vereinbarung, strikte Geheimhaltung zu wahren, hatte ein Teilnehmer der Runde Details an die Presse durchgesteckt. Stückl war deswegen maßlos verärgert.
„Ich musste den Hörer weit von meinem Ohr weghalten“, erinnert sich Lausch noch heute, wie sehr der Oberammergauer ins Telefon gebrüllt hat, als die beiden über den Vorfall sprachen.
Die Wogen glätteten sich jedoch bald, und Anfang 2006 ging es in die heiße Phase. Zunächst stand ein Casting an, das in einer leer stehenden Halle der ehemaligen US-Kaserne in Mietraching bei Bad Aibling stattfand. Aus knapp 1000 Bewerbern wurden im Beisein des Regisseurs 200 Schuhplattler und 50 junge Frauen für den großen Auftritt bei der Eröffnungsfeier ausgewählt.
Ein Kuriosum am Rande ist Sepp Lausch auch heute noch geläufig. Als von den Teilnehmern die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangt wurde, war für zwei von ihnen der Traum vom Auftritt in der Allianz-Arena schnell ausgeträumt. Sie waren rasch ersetzt, schließlich war die Liste potenzieller Nachrücker lang.
Die ersten Proben der Aktiven fanden ebenfalls in der Halle in Mietraching statt, nach Ostern begannen dann die sogenannten Stellproben im Fußballstadion der Spielvereinigung Unterhaching. „Der DFB hat hierfür eigens einen Kran gemietet, von dem aus Christian Stückl das Szenario beobachtete und seine Anweisungen gab“, weiß Lausch.
„Sehr kreative
Phase“ eingelegt
Er und fünf Vorplattler aus verschiedenen Gauverbänden hatten zuvor nach seiner Aussage eine „sehr kreative Phase“ eingelegt und sich einen speziellen Plattler zur Melodie ausgedacht, die Stückl ihnen vorgab. Geprobt wurde gemeinsam mit den Riederinger Musikanten.
Nach dem Olympia-Sternplattler von 1972 war dies die Geburtsstunde des Stücks mit dem offiziellen Namen „WM-Plattler“, der heute noch gelegentlich dargeboten wird und knapp drei Minuten dauert. „Der ursprünglich angedachte Plattler war irgendwie zu schwierig für die Feier. Dieser war einfacher und auf jeden Fall massentauglich“, berichtet Lausch. In der heißen Phase der Probearbeit standen dann auch Termine in der Allianz-Arena auf dem Plan.
Um den Rasen für das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Costa Rica zu schonen, wurde für den Auftritt der Trachtler zum WM-Auftakt eigens ein Kunstrasen ausgerollt, der wie ein Fußballfeld aussah. Sepp Lausch war an diesem Tag nicht nur als Plattler aktiv, er trug auch die Fahne des Teilnehmerlandes Paraguay.
Mit von der Partie war auch Hans Baumgartner, Vorplattler des Trachtenvereins Ostermünchen und noch heute dessen Jugendleiter. Er ist von Jugend an ein enger Freund von Lausch und schwärmt noch immer von diesem Auftritt. „Das war der absolute Höhepunkt meiner trachtlerischen Laufbahn. Wenn ich den Jugendlichen in meinem Verein davon erzähle, dann stößt das nach wie vor auf großes Interesse“, freut er sich.
Rückgriff
auf ORF-Video
Nach dem gelungenen Auftritt war nicht nur bei Sepp Lausch die Erleichterung groß. Noch heute schaut er sich gelegentlich die davon existierenden Videoaufzeichnungen an. Und da schwingt dann auch ein wenig Ärger über die Live-Übertragung des deutschen Fernsehens mit. „Gerade als die schönste Szene kam und sich die Dirndl drehten, hat der Regisseur Bundeskanzlerin Angela Merkel groß eingeblendet. Diesen Moment haben die Zuschauer deshalb leider nicht mitbekommen.“
Deshalb greift Lausch immer auf das Video des österreichischen Fernsehens zurück, wenn er sich das Ereignis in Erinnerung ruft. „Da sind die Plattler und die Tänzerinnen wunderschön zu sehen“, ist er noch heute davon angetan.
Dass eine große deutsche Boulevardzeitung die Eröffnungsfeier als „zu bayerisch“ bezeichnet hatte, versteht der Landtagsabgeordnete zwar bis heute nicht, ärgern muss er sich darüber aber nicht. Im Gegenteil: „Da habe ich gewusst, wir haben alles richtig gemacht.“