Rosenheim/Mühldorf – 21 Fahrzeuge mit 104 Einsatzkräften aus 18 Feuerwehren aus dem Landkreis Rosenheim haben sich am vergangenen Samstag von Rosenheim aus auf den Weg gemacht. Ihr Ziel: Baar-Ebenhausen im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Aufgrund der steigenden Pegel an den Flüssen Inn und Paar hat der Landkreis dort den Katastrophenfall ausgerufen und einen Hilfskonvoi unter anderem aus Rosenheim angefordert. Denn die „Umstände dort sind katastrophal“, meldete Kreisbrandrat Richard Schrank gestern Nachmittag. In hunderte Häuser sei Wasser eingedrungen, „ganze Ortsteile sind abgesoffen“.
Zunächst war
alles entspannt
Gegen 1 Uhr nachts seien die Feuerwehrleute aus der Region im Krisengebiet angekommen, ergänzt Kreisbrandinspektor Stephan Hangl auf Anfrage. Zu Beginn sei die Lage noch relativ entspannt gewesen. Bis gegen 4 Uhr hätten die Einsatzkräfte erst den Damm in Ebenhausen-Werk mit Sandsäcken gestärkt und später den im Ortsteil Baar, berichtet der Wasserburger. Die Situation schien sich weiter zu entschärfen, sagt der Kreisbrandinspektor. Zur Lagebesprechung um 8 Uhr im Ebenhausener Feuerwehrhaus habe es deshalb sogar zunächst Entwarnung gegeben. „Wir dachten, wir können wieder nach Hause fahren und gingen davon aus, dass die Paar nicht weiter steigen würde“, sagt er. Doch dann kam es anders. Nur wenige Minuten später seien die Helfer aus dem Landkreis Rosenheim gebeten worden, doch zu bleiben, berichtet Hangl.
Jeweils 50 Helfer hätten rechts und links der Paar die Dämme weiter verstärkt. Der Fluss sei jedoch „springflutartig“ angestiegen, so Hangl. Und der Damm brach. „Wir haben keine Sandsäcke mehr bekommen. Das Material wurde nur mehr in die Ortsmitte geliefert“, sagt der Kreisbrandinspektor. Die Einsatzkräfte am Ort mussten die Stellung aufgeben, bedauert er.
Das berichtet auch Wolfgang Niedermaier, Kommandant der Schonstetter Feuerwehr. Auch er war in Baar-Ebenhausen. Die Motivation und Bereitschaft zu helfen seien groß. „Deswegen sind wir ja bei der Feuerwehr“, sagt er.
Für einen kleinen Dammbereich hätten die Helfer vier Kipper voller Sandsäcke verbaut, sagt Niedermaier. Jedoch sei etwa 50 Meter von ihnen entfernt der Damm gebrochen, berichtet er. Gegen 11 Uhr hätten die Einsatzkräfte angefangen, Gebiete zu evakuieren. „Wenn Leute von einem auf den anderen Moment aus ihren Häusern müssen und nicht genau wissen, wann sie wieder zurückkönnen, sind das dramatische Schicksale“, sagt Niedermaier.
Die Schonstetter hätten eine mobil eingeschränkte Person aus dem Haus gerettet, berichtet Niedermaier. „Beim Gedanken an die Betroffenen läuft es einem kalt den Rücken runter“, sagt er. Auch Hangl berichtet, die Einsatzkräfte hätten ein älteres Ehepaar aus seiner Wohnung geholt. Das hohe Wasser in den Straßen habe die Helfer zudem herausgefordert. So hätten die Feuerwehrleute eine kranke Person über eine Stunde betreut, bis jene von einem Spezialfahrzeug der Bundeswehr abgeholt worden sei, sagt Hangl.
Für die Feuerwehrleute aus dem Krisengebiet war die Hilfe dringend notwendig. Bei der Ankunft sind Hangl und seine Kollegen auf „körperlich und geistig komplett erledigte“ Kameraden getroffen, sagt er: „Sie waren am Rande ihrer Kapazitäten.“ Denn die einheimischen Helfer seien auch um ihre eigenen vier Wände besorgt gewesen. Auch der Tod eines 42-jährigen Kameraden sei für alle Kollegen psychisch stark belastend gewesen. Zudem wird ein weiterer Feuerwehrler vermisst, so Hangl.
Gestern ging es
wieder nach Hause
Gegen 18 Uhr fuhren alle Feuerwehren wieder nach Hause. Nur die Ameranger Helfer seien weiterhin mit einem Schlauchwagen vor Ort, der in besonders tiefes Wasser und im Gelände fahren könne, sagt Hangl. In etwa 70 Prozent des Ortes Baar-Ebenhausen sei der Wasserstand derart hoch gewesen, dass die Helfer keine Maßnahmen mehr durchführen hätten können, erklärt er. „Ich habe Wasser gesehen, das bis 1,5 Meter hoch stand. Das ist fürchterlich“, sagt Hangl.
Neben Einsatzkräften aus Amerang und Schonstett waren auch die Feuerwehren aus Kolbermoor, Hochstätt, Vogtareuth, Rimsting, Großholzhausen, Bernau, Pullach, Roßholzen, Feldolling, Wildenwart, Mietraching, Tuntenhausen, Harthausen, Ramerberg, Wasserburg und Einsatzkräfte der Kreisbrandinspektion vor Ort.
Doch mit dem Rückgang der Paar ist die Arbeit in Baar-Ebenhausen noch lange nicht getan. „Die Aufräumarbeiten dauern noch mehrere Wochen bis Monate“, sagt er. Auch dafür würden die Einsatzkräfte aus der Region bereitstehen und mithelfen. Als Folge des Hochwassers werde viel Schlamm und Dreck in den Straßen und Häusern zurückbleiben, erklärt Hangl. Vollgelaufene Keller müssten ausgepumpt werden. Wenn Wasser in das Untergeschoss flute, fließe meist auch Wasser in den Öltank. Dadurch werde Heizöl an die Oberfläche gespült, erklärt Hangl.
Der zweite Konvoi aus dem Landkreis Rosenheim steuerte Petershausen im Landkreis Dachau an. Durch das Hochwasser in der Glonn wurden etwa 200 Häuser geflutet, erklärt Rosenheims Kreisbrandrat Richard Schrank. Einsatzkräfte aus der Region würden hier Keller auspumpen und das Öl vom Wasser trennen, sagt er. Der Schaden sei größer als erwartet, weswegen die Rosenheimer Kräfte ihren Einsatz bis auf den heutigen Dienstag verlängern würden, sagt Schrank. Auch in Baar-Ebenhausen sind sie vermutlich noch länger vor Ort: Schrank stimmt die Helfer aus der Region Rosenheim darauf ein, dass es noch ein bis zwei Wochen dauern könne, bis der Einsatz vorbei sei.
Auch aus dem Landkreis Mühldorf waren Hilfskräfte gefordert. Das Technische Hilfswerk (THW) in Mühldorf hatte am Sonntag den Fachzug „Führung und Kommunikation“ in Augsburg im Einsatz. 18 Kräfte aus dem Landkreis haben vor Ort logistische Aufgaben übernommen, einen sogenannten Bereitstellungsraum geführt, berichtet das THW. „Darin werden ankommende überörtliche Kontingente beziehungsweise Helfer erfasst, sie können dort essen, trinken, schlafen“, erklärt Florian Seemann, Ortsbeauftragter des THW Mühldorf. Montagmittag ging es für das THW wieder zurück nach Mühldorf.
Frauen in den Wehen
liegende gerettet
Auch die sieben Helfer vom DLRG Mühldorf waren im Einsatz. Zusammen mit anderen evakuierten sie 300 Menschen aus der überfluteten Innenstadt in Schrobenhausen, darunter viele, die in Fahrzeugen eingeschlossenen waren, in den Wehen liegende Hochschwangere und viele Kinder.
Eine besondere Herausforderung war nach Angaben des Mühldorfer BRK-Sprechers Alexander Fendt die Suche nach dem vermissten Feuerwehrmann in Pfaffenhofen. „In diesem Moment funktionierst du einfach“, schildert Fendt die Situation. „Gedanken an die eigene Sicherheit kommen da nicht.“ Dabei sei der Einschutz bei Hochwasser besonders wichtig.“ Es bestehe immer die Gefahr, von Wasser einschlossen zu werden und plötzlich auf einer Insel zu stehen.
„Es war wie 2013 in Rosenheim“, sagte THW-Mann Benedikt Nagler nach seinem Einsatz im Landkreis Augsburg. „Alles eine einzige Seenplatte“.