Landkreis im Katastrophenmodus

von Redaktion

Erst auswärts, dann zu Hause: Starkregen und Hochwasser hielten die Einsatzkräfte in der Region Rosenheim gestern in Atem. Am Montagnachmittag verschärfte sich plötzlich die Lage in mehreren Gemeinden. Am Abend wurde im Landkreis der Katastrophenfall ausgerufen.

Feuerwehrler in Raubling versuchen, ein Wohnhaus mit Sandsäcken zu sichern. Foto Ruprecht

Rosenheim/Bad Feilnbach – Tagelang verschont, schließlich doch in Schwierigkeiten: Die bis dahin verhältnismäßig harmlose Lage in der Region Rosenheim verschärfte sich am gestrigen Nachmittag urplötzlich. Die Pegelstände der Bäche und Flüsse im Landkreis Rosenheim stiegen aufgrund der lang anhaltenden Regenfälle stark an. Noch am Abend rief der Landkreis Rosenheim den Katastrophenfall aus.

Einsatzkräfte von Feuerwehr und THW waren mit einem Großaufgebot im Einsatz. Besonders betroffen waren zunächst die Gemeinden Raubling und Bad Feilnbach. Im Laufe des Nachmittags und Abends verschärfte sich dann auch die Lage in Thansau, Riedering, Neubeuern und Rohrdorf.

Anwohner in
Rohrdorf evakuiert

In Rohrdorf wurde am Abend die sofortige Evakuierung der Anwohner in der Wolfsgrubenstraße eingeleitet, weil das dortige Wohngebiet überschwemmt wurde. Etwa 60 Personen waren davon betroffen. Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Wasserrettung waren auf dem Weg in das Gebiet.

Für Probleme sorgten vor allem kleinere Flüsse und Bäche. Vollgelaufene Keller und Unterführungen wurden insbesondere aus Bad Feilnbach und Raubling gemeldet. Die RO24 zwischen Gottschalling und Bad Feilnbach musste gesperrt werden, auch kleinere Straßen rund um Bad Feilnbach waren überflutet. Augenzeugen sprachen von Sturzfluten. Die Schwarzenbergstraße in Bad Feilnbach habe sich während der starken Regenfälle in einen reißenden Bach verwandelt, meldet OVB-Mitarbeiter Peter Strim. „Die Wassermengen kamen von der Zufahrt in Richtung Thalhäusl und Tregleralm.“

Zugespitzte Lage bei
Altenheim in Thansau

In Thansau konzentrierten sich die Einsatzkräfte am Abend auf ein Altenheim, in das Wasser einzudringen drohte. „Das müssen wir besonders im Auge behalten“, sagte Landratsamtssprecherin Sibylle Gaßner-Nickl. In Neubeuern waren dem Landratsamt zufolge am Abend 100 Häuser vom Wasser bedroht. An der Mangfall in Feldolling wurde im Laufe des Abends Meldestufe vier erwartet. Grund für den plötzlichen Anstieg der Mangfall war, dass der Seehammer See zur Entlastung abgelassen wurde.

Das Landratsamt bat die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten dringend darum, sich über die aktuelle Wetter- und Hochwasserentwicklung zu informieren und auf amtliche Mitteilungen zu achten. Niemand solle dort mehr in Keller oder Tiefgaragen gehen. Gewarnt wurde auch davor, sich in der Nähe von Flüssen aufzuhalten.

Wie sich die Lage über Nacht weiterentwickelt, war zu Redaktionsschluss noch ungewiss. „Aktuell läuft noch eine Lagebesprechung. Wir stellen uns aber darauf ein, dass da noch etwas kommt“, sagte Sibylle Gaßner-Nickl gegenüber dem OVB.

Auch die Autobahn war gegen den Regen nicht gefeit: Richtung München war auf Höhe Achenmühle eine Spur der A8 wegen Überschwemmung gesperrt.

„Kritisch, aber nicht
lebensbedrohlich“

„Jetzt kann man mit bloßem Auge sehen, wie die Bäche steigen“, berichtet Bürgermeister Olaf Kalsperger aus Raubling. Der Bürgermeister war unterwegs, um sich ein Bild zu machen. Alle Feuerwehren seien im Einsatz und hätten schon die ersten Keller ausgepumpt, sagte er am frühen Nachmittag. Aus allen Ortsteilen kämen Anrufe. In Kirchdorf sei eine Unterführung geflutet. Weitere Unterführungen seien gesperrt.

„Man kann nur
hilflos zuschauen“

„Man kann nur hilflos zuschauen“, sagt Kalsperger. Allerdings gebe man sich keinem Gefühl der Ohnmacht hin. Das Hochwassergremium der Gemeinde ist in Austausch und hält sich an den Maßnahmenplan. So stehen laut dem Bürgermeister ausreichend Sandsäcke zur Verfügung. „Die Lage ist kritisch, aber im Moment nicht lebensbedrohlich“, betonte Kalsperger.

Viele Flüsse in der Region verwandelten sich am Nachmittag in reißende Fluten. Kurz nach 16 Uhr wurde die Warnstufe 4 von 4 in Rosenheim, Mangfalltal und Chiemgau ausgerufen. Mit den Höchstständen wurde in der Nacht zum Dienstag gerechnet.

Im Vergleich zu anderen Regionen Bayerns könnte die Region insgesamt dennoch noch glimpflich davonkommen. Über 120 Helfer allein aus dem Landkreis Rosenheim hatten sich an den drei Hauptbrennpunkten gegen die Fluten gestemmt: in Petershausen (Landkreis Dachau), in Baar-Ebenhausen (Landkreis Pfaffenhofen) und in Fischach (Landkreis Augsburg). Auch aus dem Landkreis Traunstein machten sich 80 Feuerwehrfrauen und -männer sowie über zehn Mitarbeiter des Malteser-Hilfsdienstes auf den Weg nach Baar-Ebenhausen.

Schutz der Heimat
nicht beeinträchtigt

Sandsäcke füllen, Wasser pumpen, Öl-Schäden bekämpfen: Die Einsatzziele der Retter aus der Region Rosenheim sind so vielfältig wie ihre Einsatzorte. Generalstabsmäßig sind die Einsätze geplant, wie Kreisbrandrat Richard Schrank erklärt. Und die Helfer richten sich auf längere Arbeiten ein. In den Fluten schwammen vielerorts Heizöltanks auf, ihr giftiger Inhalt legte sich als schmierige und stinkende Schicht auf das Wasser. Auch nach Ansicht von Schrank wird die Reinigung des Wassers und des Bodens Tage, wenn nicht Wochen in Anspruch nehmen.

Durch die Abwesenheit von rund 120 Helfern, Fahrzeugen und Geräten, die an diversen Hochwasser-Schauplätzen Bayerns im Einsatz stehen, sei die Versorgung in der Region Rosenheim selbst nicht beeinträchtigt. „Wir achten auf den Gebietsschutz“, versicherte Schrank, es werde nicht mehr an Kräften abgestellt, als man im Moment entbehren könne.

Dank der Betroffenen
als Belohnung

Dennoch: Der Einsatz auch tief in der Nacht zehrt an den Kräften der Retter. Was die sich aber oft nicht anmerken lassen. „Die helfen einfach gern“, sagt Schrank, „da nehmen die schon mal eine schlaflose Nacht in Kauf.“

Ein Beispiel für dieses Engagement: THW-Mann Benedikt Nagler, der ebenfalls im Katastrophengebiet im Einsatz war, kehrte am Sonntagabend in die Heimat zurück, tankte sein Fahrzeug, räumte auf, erledigte den Papierkram, um endlich nach Hause zu kommen. Am nächsten Tag erschien er nichtsdestotrotz zur Arbeit am Bauhof in Kolbermoor. „Es ist ja schließlich auch eine Belohnung, wenn man mit den Anwohnern spricht und die sich bedanken.“

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