Rosenheim/Landkreis – Richard Schrank gehört zu den erfahrensten Katastrophenschützern im Süden Bayerns. Doch Umfang und Dynamik von Regen und Flut in der Region überraschten auch ihn. Die Unwetter hätten sich örtlich begrenzt, aber massiv entladen, sagte der Kreisbrandrat. „In einem solchen Ausmaß und einer solchen Geschwindigkeit habe ich das noch nicht erlebt.“ Die Region Rosenheim wurde hart erwischt von Regen und Hochwasser und hatte doch Glück im Unglück. Hunderte Häuser liefen voll, zahlreiche Straßen wurden überschwemmt. Von 400 „Einsatzstellen“ sprach die Feuerwehr, allein in Raubling dürften rund 300 Häuser geflutet worden sein. Aber: Die Flut selbst kostete keine Menschenleben.
Zum Glück keine
Verletzten
„Für die Betroffenen ist das Hochwasser eine Katastrophe, für Privatleute, Firmen wie Gemeinden“, sagt Kreisbrandrat Richard Schrank. „Aber im Vergleich zu Pfaffenhofen an der Ilm sind wir gut weggekommen.“ Es habe, so sagte der Katastrophenschützer, keine Verletzten gegeben, weder unter den insgesamt 1600 Einsatzkräften noch unter der Bevölkerung. Schrank weist auf das Konzept für Brand- und Katastrophenbekämpfung hin, das im Kreis seit 2021 vorangetrieben werde. „Es bringt spürbare Verbesserungen“, sagt er.
Zahlreiche Gemeinden meldeten Land unter, der Schwerpunkt der Hochwasser lag im südlichen Landkreis Rosenheim mit den Gemeinden Bad Feilnbach, Raubling, Rohrdorf/Thansau, Nußdorf und Neubeuern. So mussten an der Wolfsgrubenstraße in Rohrdorf 60 Menschen aus ihren Wohnungen und Häusern evakuiert und in der Gemeindehalle in Sicherheit gebracht werden, weil das Wohngebiet überschwemmt wurde. In Raubling war das Wasser aus der Nicklheimer Filze in den Ort geflossen. Mit Mühe konnten die Einsatzkräfte das Feuerwehrhaus halten. Aus der benachbarten Asylbewerberunterkunft wurden 96 Menschen evakuiert. Die Bewohner verbrachten die Nacht in der Gemeindehalle. Um den Ortsteil Kirchdorf vor den Wassermassen zu retten, wurde die Kreisstraße RO7 aufgebaggert. Durch den so geschaffenen Kanal konnte das Wasser in die benachbarte Fläche abfließen.
Aus allen betroffenen Gemeinden berichteten Augenzeugen von vollgelaufenen Kellern und Unterführungen. Auch Tiefgaragen wurden geflutet, etwa in Neubeuern, wo das Wasser bis über die Dächer geparkter Autos stieg. Auf den Straßen sorgten die Fluten ebenfalls für Chaos, so war die Autobahn A8 zwischen Frasdorf und Rohrdorf in Richtung München gesperrt. Der Verkehr wurde in Frasdorf abgeleitet. Die Kreisstraße RO14 musste zwischen Bernau und Aschau komplett gesperrt werden.
Im Gebirge lösten die starken Regenfälle Erd- und Felsrutsche aus. Muren gingen zwischen Oberaudorf und Fischbach bei Kirnstein, in der Gemeinde Samerberg sowie an der Hohen Asten ab. In Brannenburg verschüttete eine Mure ein Auto an der Sudelfeldstraße. Im Mühltal zwischen Nußdorf und Samerberg wurde die parallel zum Steinbach verlaufende Straße teilweise weggespült. Besonders hart traf es auch Flintsbach: Dort rutschten Teile der Burg Falkenstein angesichts des Dauerregens ab. Unterhalb der Burg wurden 50 Anwohner in Sicherheit gebracht. Wie groß der Schaden an der Burg, die um 1300 erbaut wurde, ist, war zunächst nicht bezifferbar.
„Von heftigen Zuständen unter anderem in Altenbeuern“ sprach Stefan Huber, Sprecher des Technischen Hilfswerks (THW) Rosenheim. Man habe gegen Mitternacht die Bemühungen im Kampf gegen die Wassermassen einstellen müssen, da mittlerweile die Kanalisation übergelaufen sei. Auch anderswo drückten die Wassermassen Schmutzwasser durch die Gullys nach oben. In Samerberg zogen die Wassermassen den Bauhof in Mitleidenschaft.
Die Unwetter erreichten die Region wie erwartet. Ab dem frühen Nachmittag des Montags verschärfte sich die Lage. Mehrere lokale Unwetter verbanden sich zu einem Großschadensfall. Um 17.41 Uhr wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Spezialisten der Feuerwehren im Landkreis, die zuvor schon in Petershausen bei Dachau und im Landkreis Pfaffenhofen die Verschmutzung durch Heizöl bekämpft hatten, begaben sich noch am Montagabend an ihre nächsten Einsatzorte – diesmal vor der eigenen Haustür. Helfer des THW wiederum füllten in Feldkirchen binnen weniger Stunden 4000 Sandsäcke, die in der Umgebung verteilt wurden. Anderswo pumpten Helfer oder bauten Sandsackbarrieren auf. Die Bemühungen der Retter wurden am Landratsamt koordiniert. In der Koordinierungsgruppe Katastrophenfall wurde auch entschieden, den Unterricht bei allen Schulen in den Gemeinden Brannenburg, Raubling, Rohrdorf, Oberaudorf, Kiefersfelden, Nußdorf, Neubeuern, Bad Feilnbach und Flintsbach abzusagen.
Katastrophenfall
aufgehoben
Am Dienstag sah sich das Landratsamt schließlich gegen 12.10 Uhr endlich berechtigt, den Katastrophenfall aufzuheben. Rettungsdienste, THW, Feuerwehren: Sie alle stemmten sich gegen die Flut. Unterstützt wurden sie von der Polizei.