Raubling – Beinahe surreal erscheint am Dienstagvormittag die Vorstellung, was sich am Vorabend in Raubling abgespielt hat. Bei strahlendem Sonnenschein deutet im Ortskern lediglich ein übersprudelnder Kanal bei der Bahnunterführung darauf hin, dass hier vor weniger als zwölf Stunden noch alles unter Wasser stand. Von den Wassermassen auf den Feldern sind größere Pfützen geblieben, ein Großteil der Straßen ist wieder frei befahrbar.
Erschöpft aber
unermüdlich
Doch für die Feuerwehr ist noch lange nicht Feierabend. Erschöpft aber unermüdlich sind alle fünf Raublinger Feuerwehren unterwegs und pumpen Keller aus. Die Jugendfeuerwehr kümmert sich in der Zwischenzeit um das Feuerwehrhaus selbst. Denn dort sind die Schächte vollgelaufen und müssen abgepumpt werden. Johannes und Marinus waren am Montagabend bis 22 Uhr vor Ort. „Da stand hier kniehoch das Wasser“, sagt Marinus. Am Morgen waren die Fluten weitgehend zurückgegangen.
In unmittelbarer Nachbarschaft zur Feuerwehr wohnt Rudolf Grobauer. „Es ist unglaublich, wie schnell das ging“, sagt er. Plötzlich sei der Obere Tännelbach über die Ufer getreten, die gesamte Straße war in kürzester Zeit überschwemmt. Er hat Glück gehabt. Das Wasser lief über seine Einfahrt durch die Garagen und den Garten. Bis auf etwa einen Zentimeter Wasser im Keller sei das Haus trocken geblieben. Weniger Glück hatten die Mäuse im Angrenzen Feld. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagt er. Die Tiere seien vor der Flut aus ihren Höhlen geflüchtet, viele schafften es nicht: Einen halben Eimer toter Mäuse hat Grobauer vor seinem Grundstück eingesammelt.
Ebenfalls zur Unterstützung der Feuerwehrler unterwegs ist Raublings Bürgermeister Olaf Kalsperger. Am frühen Montagnachmittag war er noch optimistisch, dass der Schaden sich in Grenzen halten könnte. „Dann hat sich die Lage drastisch verändert“, sagt er. Der starke Regen ließ sämtliche Gewässer in der Gemeinde über die Ufer treten.
Asylunterkunft
evakuiert
„Bislang hatten wir bei Hochwasser immer Schwerpunktgebiete. Diesmal ist das Hochwasser überall verteilt aufgetreten.“ Bereits 2020 hatte es Kleinholzhausen und Kirchdorf besonders erwischt. So auch dieses Mal. „Dort sind die Schäden am schlimmsten“, sagt Kalsperger.
Evakuiert werden mussten die Flüchtlinge der Container-Siedlung am Bahnhof. Als Sicherheitsmaßnahme wurden laut Kalsperger 96 Menschen über Nacht in der Gemeindehalle untergebracht. Da keine größeren Schäden entstanden sind, konnten die Menschen im Laufe des Dienstags wieder dorthin zurückkehren. Auch andere Bürger, so sei ihm zu Ohren gekommen, hätten ihre Häuser verlassen müssen. Sie seien jedoch privat untergekommen.
Auch ortansässige Firmen, die an die Neue Kreisstraße angrenzen, waren vor den Wassermassen nicht sicher. So zum Beispiel auch die Firma Aicher Parkett. Auf OVB-Nachfrage teilt Inhaber Josef Filser-Aicher mit, dass auch sie mit einem Pegel von 1,20 Metern zu kämpfen hatten. „Wir können seit Dienstagnachmittag wieder arbeiten“, so Filser-Aicher. Auch die Nachbarunternehmen wie Holz Balk und die Firma Amoena Medizin-Orthopädie soll es schwer erwischt haben. Bis Redaktionsschluss waren sie nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Laut Josef Filser-Aicher ist es nicht das erste Hochwasser in diesem Bereich: „Vor fünf Jahren hatten wir das Gleiche schon mal.“
Vor allem der Litzldorfer Bach sowie sein Nebenarm der Ammerbach machen Probleme. Die Stimmung bei den Bürgern sei gemischt gewesen, berichtet der Bürgermeister von seinen Touren durch die Gemeinde. „Viele sind verärgert, dass es überhaupt so weit gekommen ist“, sagt er etwas resigniert. Seit mehr als drei Jahren wird nach einer Lösung gesucht, um die Engstellen, die den Litzldorfer Bach übertreten lassen, zu beseitigen. Besonderer Schwerpunkt: die Neubeurer Straße in Kirchdorf. Dafür müsse die Situation aber bis Bad Feilnbach betrachtet werden, wo der Bach seinen Ursprung hat.
Unermüdlicher
Einsatz der Helfer
260 aktive Mitglieder zählen die Raublinger Feuerwehren. Mindestens noch mal so viele Helfer, so schätzt Kalsperger, waren während der kritischen Stunden unterwegs. „Der Einsatz der Helfer kann nicht genug gelobt werden. Während sie unterwegs anderen halfen, sind ihnen selbst auch die Keller vollgelaufen“, so der Bürgermeister.
Hilfe kam auch aus Landkreisgemeinden, die glimpflich davonkamen: aus Stephanskirchen, Kiefersfelden, Prutting und Brannenburg. Auch das THW, die Bergwacht und die Mitarbeiter des Bauhofs waren in Raubling unterwegs. „Auch an diese Helfer ein herzliches Vergelt‘s Gott“, sagt Kalsperger. Tina Blum