Flintsbach – Für Sorgen gab es in den vergangenen Tagen im Inntal Anlass genug. Doch für Stefan Lederwascher gab es einen besonders bewegenden Augenblick. „Da steht ein Bauwerk seit 700 Jahren, übersteht Kriege und Krisen“, sagt Flintsbachs Bürgermeister. „Und dann kommt ein Unwetter.“ Erschütterung schwingt in Lederwaschers Stimme mit, als er den Zustand von Flintsbachs Wahrzeichen beschreibt: Die Burg Falkenstein wurde in der Nacht auf Dienstag verwüstet, eine Mauer der Vorburg eingerissen von der Flut, die vom Berg herabschoss. Seitdem wohnen zwei Seelen in Lederwaschers Brust. Er ist erleichtert, natürlich, dass von den Naturgewalten in der Region niemand verletzt oder gar getötet wurde. Auf der anderen Seite tut es ihm „in der Seele weh“, wenn er daran denkt, was der berühmtesten Ruine der Region widerfuhr. „Bestürzt“ äußerte sich auch Karl Seidl, als Schriftführer Vorstandskollege Lederwaschers im Förderverein der Burg.
Und so ist der Stand bei der Burgruine Falkenstein gut 36 Stunden nach dem Einbruch der Wassermassen: Ein Architekt nahm die Schäden in Augenschein, ein Geologe untersuchte am gestrigen Mittwoch den Untergrund. „Nach unseren Informationen werden die abbruchgefährdeten Stellen heute im Laufe des Tages provisorisch mit Netzen gesichert“, meldete Sibylle Gaßner-Nickl, Sprecherin am Landratsamt Rosenheim, auf OVB-Anfrage. Im Nachgang soll eine Spezialfirma weitere Maßnahmen zur Sicherung einleiten.
Von 2016 bis 2019 war die Burg aufwendig saniert worden. Unter anderem hatte man damals die historischen Mauerreste aus dem 14. und 15. Jahrhundert wiederhergestellt und mit unterschiedlichen Maßnahmen stabilisiert, die nun von der Gewalt des Wassers ins Tal gedrückt wurden.
Am späten Abend des Montags staute sich ein sonst harmloser und durch die heftigen Regengüsse angeschwollener Gebirgsbach, so lange, bis sich das Wasser eine neue Bahn suchte. Die Fluten sprengten förmlich die Hangkante, in der das Fundament der Mauer geruht hatte. Sie spülten Mauersteine zusammen mit Erdreich ins Tal, eine Furche in den Hang ziehend. Sicherheitshalber wurden in der Nacht des großen Regens 50 Bewohner vom Fuß des Burgbergs evakuiert.
Eine Burg ist gegen Gewalt von innen nicht zu halten
„So eine Burg ist gegen eine Belagerung von außen gerüstet, nicht gegen eine Belagerung von innen“, meint Franz Weinhart, Vorsitzender des Falkensteiner Ritterbundes. Mit seinen mittelalterlich gewandeten Mitstreitern belebt er die Mauern der Burg unter anderem mit Schauturnieren. Nun ist er einerseits bedrückt, andererseits froh, dass außer dem Gemäuer niemand zu Schaden kam. Die Gesamtkosten für die Sanierung hatten sich auf rund eine Million Euro belaufen. Ob die Mauer wieder aufgebaut werden wird? Technisch sei das sicherlich möglich, meinte Franz Weinhart. Allerdings steht die Denkmalpflege Rekon-struktionen zerstörter Bausubstanz immer wieder skeptisch gegenüber. „Es wäre gut, wenn man die Burg wieder herrichtet“, meint hingegen Weinhart. „Sonst bleibt irgendwann nix mehr übrig, was sich zu erhalten lohnt.“
Noch sei es zu früh, etwas über den Zustand der gesamten Anlage zu sagen, sagt Karl Seidl. „Dazu sind noch weitere Begehungen nötig.“ Der Zustand der Mauern sei das eine, man müsse aber auch darauf achten, wie das Wasser den Untergrund verändert hat.
Tröstlich für Mittelalterfreunde und die Bewohner der Region: Der Burgfried ragt noch wie ein stummer Wächter über dem Eingang des Inntals auf, ein Turm in der Brandung der Sturzflut. Und es dürfte auch so bleiben. Es sehe gut aus, meint Stefan Lederwascher: „Der Turm steht auf gewachsenem Fels.“