Agatharied – Zumindest indirekt haben es viele Patienten bei der Visite schon am Montag, 17. Juni, erfahren: Das Krankenhaus Agatharied hat gravierende IT-Probleme. Die Folge: eingeschränkte Erreichbarkeit und damit auch erschwerte Kommunikation, intern wie extern. Das Problem besteht weiterhin. Zu Redaktionsschluss am Donnerstag prangt noch der Warnhinweis auf der Homepage des Krankenhauses: „Achtung: Bitte beachten Sie, dass wir derzeit nur telefonisch erreichbar sind.“
IT-Spezialisten tagen
dreimal täglich
Am Rande der CSU-Kreisversammlung am Montagabend im Miesbacher Bräuwirt hat Landrat Olaf von Löwis – in Absprache mit Klinikchef Benjamin Bartholdt und dem Verwaltungsrat des Kreiskrankenhauses – die dramatischen Gründe für die Situation öffentlich gemacht: Das Krankenhaus wurde Opfer eines Hackerangriffs.
Am Dienstagnachmittag folgte die Pressemitteilung der Klinik. Der eingerichtete Koordinierungsstab tage dreimal täglich, um gemeinsam mit internen und externen IT-Spezialisten die vollständige Kommunikationsfähigkeit rasch wiederherzustellen. Zudem arbeite man eng mit den zuständigen Behörden zusammen, „die uns bei der Lösung dieser großen Herausforderung gut unterstützen“. Dank des großen Engagements der Mitarbeiter und des vorhandenen Ausfallkonzeptes habe man die wichtigsten Abläufe schnell anpassen können, sodass eine durchgängig sichere Patientenversorgung gewährleistet sei. „Alle relevanten Untersuchungen können weiterhin durchgeführt werden.“
Woher der Angriff kam, wie sich die Täter Zugriff auf die Systeme verschaffen konnten und welche Motive sie haben, blieb zunächst völlig unklar. „Aus ermittlungstaktischen Gründen können wir derzeit keine weiteren Angaben zur Sache machen“, teilt das Krankenhaus mit und bittet um Verständnis für die eingeschränkte Erreichbarkeit. Alle Patienten, die in den kommenden zwei Wochen einen Termin hätten, würden gebeten, sich diesen proaktiv telefonisch bestätigen zu lassen.
Auch Lieferanten und Bewerber sollten sich ausschließlich per Telefon melden, da das E-Mail-System gestört sei. Die Kontaktdaten seien auf der nach wie vor erreichbaren Internetseite www.khagatharied.de zu finden. Dort werde man weitere Informationen veröffentlichen.
Ein paar Einblicke in die Situation im Krankenhaus gewährte Vorstand Benjamin Bartholdt. Er sei just am Montag aus dem Urlaub zurückgekehrt, als die „Katastrophe“ eintrat. In erster Linie würden die ohnehin schon durch die medizinische und pflegerische Versorgung sowie die damit verbundene Bürokratie stark geforderten Mitarbeiter unter dem IT-Ausfall leiden. „Alle haben wahnsinnig viel zusätzliche Arbeit“, seufzt Bartholdt. Umso beeindruckter sei er, wie schnell sich alle damit arrangiert hätten. Im Nu habe man bislang digitale Abläufe auf Papier umgestellt. Dokumente in der internen Kommunikation würden ausgedruckt oder teils sogar handschriftlich verfasst und persönlich überbracht, nach außen halte man per Telefon und Fax Kontakt. Verblüfft hat Bartholdt ferner, wie schnell sich der Koordinierungsstab zusammengefunden habe und umgehend sowie routiniert ins Handeln gekommen sei. „Seit Corona haben wir mit dem Management von Krisen Erfahrung“, betont der Vorstand. Oberste Priorität habe dabei selbstverständlich die Sicherstellung der Patientenversorgung, welche zu keiner Zeit in Gefahr gewesen sei. Sache der Polizei sei die Aufklärung, wie es zu dem Hackerangriff kommen konnte sowie die Ermittlung der Täter, erklärt der Vorstand. „Das wird aber höchstwahrscheinlich viel Zeit in Anspruch nehmen.“
„Ein dickes Brett,
wirft uns gehörig um“
Auch Löwis zeigte sich betroffen von den Ausmaßen der Cyber-Attacke. „Das ist ein dickes Brett, wirft uns gehörig um“, gab der Landrat bei der CSU-Kreisversammlung unumwunden zu. „Wir werden alles tun, um die Folgen schnellstmöglich in den Griff zu bekommen“, versicherte Löwis. Und betonte auch mit Nachdruck, dass das Krankenhaus immer alles für die Datensicherheit getan habe, was möglich war.
„Es wurde alles, was notwendig war, umgesetzt“, sagte Löwis. Dass es dennoch einigen „Idioten“ gelungen sei, in die Systeme einzudringen, verdeutliche die große Gefahr, die in der heutigen Zeit von Cyberkriminellen ausgehe.