Teisendorf/Chiemgau – Über Jahre und Jahrzehnte war der Bau eines Gokstad-Wikingerschiffs Stefan Sondermanns Lebensmittelpunkt – jetzt liegt er damit in den Endzügen. Zusammen mit ein paar wenigen Helfern setzt er die schweren Holzteile momentan auf einem Parkplatz in Achthal bei Teisendorf zusammen. Auch das dauert wieder Monate. Aber schließlich soll das Schiff hochseetauglich werden. Denn der Aussteiger Sondermann sagt: „Meine Sehnsucht ist es, hier wegzukommen.“
Ungefähr drei Monate wird Sondermann noch brauchen, bis das Ungetüm zusammengebaut ist. Dann geht es mit einem Lkw-Sondertransport an die Donau nach Passau. Das Schiff ist 20 Meter lang und wird mit dem Segelmast über elf Meter hoch.
Das Gewicht kann Stefan Sondermann derzeit nur schätzen. Zehn Tonnen werden es sicher sein, eher 14. Von Passau geht es dann die Donau hinunter ins Schwarze Meer bis nach Istanbul. Fürs Erste zumindest…
Freiheit und
Kreativität, statt Luxus oder Handy
„Ich werde mich ausklinken“, blickt Sondermann in die Zukunft. Rund zwölf Leute sucht Sondermann für die Jungfernfahrt nach Istanbul über seine Homepage. Die müssen sich nicht unbedingt auch „ausklinken“ wollen, aber zumindest die Ansprüche herunterschrauben. „Fünf Wochen Zeit haben, keinen Luxus erwarten und das Handy hübsch zuhause lassen“, fasst es der Teisendorfer zusammen. Eine Kabine gibt es an Bord nämlich nicht, aber das Deck kann mit einer sogenannten Persenning trockengehalten werden. Geschlafen werde auf dem Schiff, am Strand und vielleicht auch mal in einem richtigen Bett. In irgendeine Bucht fahren, zwischen den Felsen ein Lagerfeuer machen und den Fisch essen, den man am Tag gefangen hat – so in etwa könnte die Zeit im Schwarzen Meer dann ausschauen.
„Vielleicht finde ich auch niemanden, der das mitmacht. Ich bin mir nicht sicher, ob die Menschen heute noch dafür offen sind“, überlegt der 58-Jährige.
Aber er ist fest entschlossen, seine Pläne durchzuziehen. Ab Istanbul will Sondermann dann sowieso in kleinerer Besatzung weiter ins Mittelmeer aufbrechen. „Das hat mit Freiheit und mit Kreativität zu tun. Dinge wie Sicherheit sind für mich bedeutungslos.“
Seit Stefan Sondermann als Bub das erste Mal ein Wikingerschiff in einem Buch gesehen hat, war er begeistert. Und er beschloss, später selbst mal eines zu bauen. In Aachen studierte er Architektur, arbeitete dann immer handwerklich, unter anderem als Zimmerer. Schon in den späten 1990er-Jahren sammelte er das passende Eichenholz für das Schiff. 2013 war der Kiel fertig. Damals baute er noch in einem Stadel im Zentrum von Teisendorf.
Als Vorbild dienen alte Wikingerschiffe, die bei Ausgrabungen im späten 19. Jahrhundert in Skandinavien auftauchten. Die Pläne für sein Gokstad-Schiff hat Stefan Sondermann selbst gezeichnet.
„Auf Reisen findet
man immer Menschen auf Glückssuche“
Was das Ganze gekostet hat? Wer Sondermann kennt, kann sich die Antwort denken. „Das interessiert mich eigentlich nicht.“ Auch der Wert des Schiffes ließe sich kaum beziffern. „Aber wenn es wer haben will, könnte er schon im Millionenbereich landen“, grinst Sondermann. Aktuell wird das Schiff beplankt, dann geht es ans Deck. Im Laufe des Sommers will der Teisendorfer fertig sein. Dass er bei seiner Tour über die Weltmeere dauerhaft alleine bleibt, glaubt Stefan Sondermann nicht: „Auf Reisen findet man immer Menschen, die zu einem passen. Menschen ohne Ansprüche und nur auf der Suche nach dem Glück.“