„Ein Schlag ins Gesicht“

von Redaktion

Das Thema „Migration“ sorgt für Streit – auch in der Region Rosenheim. Dort treffen hohe Flüchtlingszahlen auf hohe Immobilienpreise, was wiederum Kommunen stresst. Zwischen Bund und Ländern rührt sich nichts. Politiker aus dem Landkreis reagieren nun mit knallharten Forderungen.

Rosenheim/Rott – „Es besteht dringender Handlungsbedarf.“ So sagt es Daniel Wendrock, Bürgermeister von Rott am Inn. Eine 4000-Seelen-Gemeinde, die als Beispiel dafür steht, vor welche Herausforderungen die Zuwanderung Kommunen stellt. Viele Menschen sagen aber auch: ein Beispiel dafür, was bei der Migration falsch läuft.

Ängste und
Verunsicherung

Denn in Rott soll eine verhältnismäßig große Erstaufnahmeeinrichtung entstehen. Von 500 Geflüchteten war ursprünglich die Rede. Zu viele für die Infrastruktur der Gemeinde, zu viel wohl auch für die Nerven mancher Bürger – in Rott formierte sich Widerstand. Eine Einrichtung wird vermutlich kommen, aber derzeit verhandle man noch, sagt Bürgermeister Wendrock dem OVB, über Standort und Zahl.

Das Klima scheint sich noch lange nicht beruhigt zu haben. „Die Entscheidung, eine so beträchtliche Zahl von Menschen in Rott unterzubringen, hat mindestens für große Verunsicherung und Ängste gesorgt“, stellt Wendrock fest.

CSU-Abgeordneter
reagiert verärgert

Ängste, die der Ausgang der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht lindern dürfte. Kaum Greifbares gab es in dieser Bund-Länder-Beratungsrunde. Ein Resultat, das den Rosenheimer Stimmkreisabgeordneten Daniel Artmann (CSU) regelrecht erbittert: „Die MPK vom vergangenen Donnerstag war seit 2022 der achte vergebliche Versuch der Ministerpräsidenten, die Ampel endlich zu einer Zeitenwende in der Migrationspolitik zu bewegen. Herausgekommen ist ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Kommunen.“ Was Artmann nervt: Es sind zu viele Menschen, die in der Region Rosenheim unterkommen sollen. Und: Es gibt zu wenig Geld vom Bund für diese Bürde.

Die Stadt Rosenheim liege seit Längerem über der Zuweisungsquote der Regierung von Oberbayern, sagt Artmann, Haushälter der Regierungskoalition für das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration. „Die Luitpoldhalle steht seit über einem Jahr für den Schulsport nicht mehr zur Verfügung. Der Landkreis sucht händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten.“ Und auch er beobachtet wachsende Spannungen.

Trägt der Bund
zu wenig Lasten?

Der Bund müsse sich stärker an den Lasten steigender Migration in den Kommunen beteiligen. Die Bundesregierung habe für das Jahr 2023 nur insgesamt 3,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Das gleiche nicht einmal ansatzweise die Kosten für Unterbringung und Versorgung aus.

Hohe Kosten. Und das für Menschen, über deren gute Absichten man sich wohl nicht immer sicher sein kann. Es sei niemandem zumutbar, dass Straftäter, die nicht ausreisten, Leistungen in „unveränderter Höhe“ erhielten. Das Gleiche gelte für abgelehnte Asylbewerber. Artmanns Forderung: „Für diesen Personenkreis müssten die Leistungen auf das physische Existenzminimum zurückgeführt werden.“ Seine Ansage: „Ausländische Straftäter und Gefährder sind von der Straftat an unmittelbar in Sofort-Arrest zu nehmen, bis sie freiwillig zur Rückkehr in ihre Heimatländer bereit sind.“

„Die Politik muss eine Antwort auf die bisher ungelöste Frage finden, wie mit ausreisepflichtigen schweren Straftätern und Gefährdern umzugehen ist, die nicht zurückgeführt werden können“, sagte Artmann auf OVB-Anfrage. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien dürften kein Tabu sein. „Soweit erforderlich, sind hierfür auch Verhandlungen mit den Taliban und dem Assad-Regime zu führen.“

Mit Angriffen auf die Staatsregierung und Rosenheims Landrat Otto Lederer (CSU) verbindet die AfD ihre Kritik an der Bund-Länder-Beratung. Die Landratsämter planten „zügellos“ im Auftrag der „Söder-Regierung“ weitere Unterkünfte, schreibt der Landtagsabgeordnete Andreas Winhart aus Bad Aibling. Dabei werde keine Rücksicht auf Bevölkerungszahl oder Infrastruktur genommen, das Vorgehen sei „rücksichtslos“. Der Immobilienmarkt sei ohnehin angespannt, „diese Lage wird durch den künstlich erzeugten Zuzug der Asylbewerber noch verstärkt“.

Bürgermeister
denken an Lösungen

Bernd Fessler, Bürgermeister von Großkarolinenfeld und Sprecher der Bürgermeister im Landkreis Rosenheim, sieht die Situation nicht durchweg düster. „Da muss man differenzieren“, sagt er. Es gebe große Unterschiede bei den Gemeinden, was Spielräume, verfügbare Bauplätze und Immobilien oder Finanzen betrifft.

Große Krisen und
Ohnmachtsgefühle

Daniel Wendrock erkennt hingegen viele Stellschrauben, an denen gedreht werden müsste – beim Bund, aber auf verschiedensten anderen Ebenen. Und: Nicht überall könne man mitreden.

So seien Fluchtursachen wie Kriege und Klimawandel nicht einmal mehr durch die EU lösbar. Auch der Mangel an Solidarität innerhalb einer Gemeinschaft, in der sich einige Länder engagierten, andere wiederum nicht, sei ein Problem.

Auch sei nicht nachvollziehbar, warum nicht der Bund seine Liegenschaften für Unterkünfte zur Verfügung stelle. Anderes hingegen könnten Freistaat oder gar Landkreis regeln.

„Da herrscht
Zufallsprinzip“

„Wie innerhalb eines Landkreises Geflüchtete verteilt werden, dafür gibt es bislang keine befriedigende Lösung“, sagt Daniel Wendrock. „Das wird weitgehend den Zufällen des Immobilienmarktes überlassen. Da herrscht Zufallsprinzip.“

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