Rosenheim – 30 Grad und mehr im Schatten – wenn diese Grenze erreicht ist, spricht der Deutsche Wetterdienst (DWD) von einem Hitzetag. Und wie jüngst eine Auswertung des Bayerischen Rundfunks ergab, hat sich die Anzahl dieser Hitzetage im Laufe der vergangenen 60 Jahre in unserer Region mehr als verdoppelt. Beispiel Landkreis Rosenheim: In der Periode von 1964 bis 1993 waren es dort durchschnittlich 3,6 Tage im Jahr mit mindestens 30 Grad. Von 1994 bis 2023 wurde diese Marke dann schon 8,4-mal jährlich gerissen.
Die wenigsten Hitzetage in den vergangenen 30 Jahren wurden im Berchtesgadener Land gemessen – im Schnitt sieben pro Jahr. Aber: In der 30-Jahre-Periode zuvor waren es gerade mal 2,1 Hitzetage jährlich. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass in den Landkreisen entlang der Alpen weniger Hitzetage gemessen werden, als weiter nördlich in den Kreisen Altötting oder Mühldorf.
Mehr als doppelt
so viele heiße Tage
Auch Städte heizen sich durch die stärkere Versiegelung schneller auf. Das belegen auch die Zahlen der Stadt Rosenheim, die nochmal über Altöttinger oder Mühldorfer Niveau liegen.
Das Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) will jetzt einen nationalen Hitzeschutzplan ausarbeiten – und empfiehlt das auch den Kommunen. Von den angefragten Städten der Region liegt ein vergleichbarer Plan aber nur in Rosenheim vor. Das dortige „Klimawandelanpassungskonzept“ ist 150 Seiten stark und wurde im Oktober 2023 verabschiedet. Traunstein, Traunreut, Bad Reichenhall, Freilassing, Altötting, Waldkraiburg und Mühldorf haben keine Hitzeschutzpläne.
Breit gefächert zeigen sich die Maßnahmen im Konzept der Stadt Rosenheim. Die Pflanzgruben sollen bei neuen Bäumen größer werden, damit sich diese besser entwickeln können. Eine „Schwammstadt“ wird angepeilt – also mehr Überflutungsflächen, um die Abflusszeiten des Regenwassers hinauszuzögern. Den Wald will die Stadt Schritt für Schritt umbauen: weg von der Fichten-Monokultur, hin zu Mischwäldern mit mehr Laubbäumen und Tannen. Ein großer Brocken, der noch nicht angegangen wurde, ist eine neue Bauleitplanung: Die Flächen sollen an den Klimawandel angepasst genutzt werden und Regen besser zurückhalten.
Breit gefächertes
Konzept in Rosenheim
Viele Maßnahmen sind konkret: mehr schattenspendende Bäume an Radlwegen oder Bushaltestellen; längere Öffnungszeiten im Schwimmbad. Eine „Hitze-Hotline“ könnte die Stadt einrichten oder einen Hitzemanager einstellen, wenn man das richtige Personal findet. Rund 20 Trinkwasserbrunnen hat man bereits errichtet. Aber Pressesprecher Christian Baab betont auch: „Die Eigenverantwortung zählt genauso. Also zum Beispiel an helle Kleidung oder eine Kopfbedeckung gelten. Oder bei starker Hitze möglichst zuhause zu bleiben.“
Vier Trinkwasserbrunnen gibt es seit dem Sommer 2023 auch in Traunstein: am Stadtplatz, am Bahnhof, im Stadt- und im Salinenpark. Rund 24000 Euro hat die Stadt dafür investiert. Pressesprecherin Agnes Giesbrecht verweist bei Anti-Hitze-Maßnahmen vor allem auf den derzeitigen Umbau des Maxplatzes: „Das neue Fontänenfeld wird für Abkühlung an heißen Tagen sorgen, kombiniert mit den vergrößerten Grünflächen und den neuen Bäumen. Auch an den Schulen, Kindergärten und Spielplätzen pflanzt die Stadt Bäume und errichten Pergolen, um für wohltuenden Schatten zu sorgen.“ Ein Klimaschutzkonzept wurde auch vom Traunsteiner Stadtrat eigentlich längst ausgearbeitet, doch in einem Bürgerentscheid dazu stimmten zu wenige ab.
In Traunreut ist es ähnlich. Wo die Stadt momentan ohnehin am Umgraben und Aufreißen ist, nutzt man die Gelegenheit. Mehr Pflanzen und mehr Bäume werden es in der neuen Kantstraße, der Grünzug an der Eichendorffstraße erhält ein Kneippbecken und einen Trinkwasserbrunnen. Genauso sind entlang der Frühlinger-Spitz-Straße neue Bäume vorgesehen. Stadt-Sprecherin Martina Glaser hebt außerdem mobile Pflanztröge oder mobile „Popup-Bäume“ hervor.
Einen eigenen Hitzeschutzplan auszuarbeiten, das hat man in Bad Reichenhall aktuell nicht vor. Schließlich verfüge die Stadt schon „über zahlreiche Parks und Grünflächen sowie die Nonner und Marzoller Au“, so Pressesprecherin Katrin Dennerl. In den vergangenen Jahren wurden aber rund 300 Quadratmeter in der Bahnhofstraße entsiegelt und bepflanzt. „Die Reichenhaller Stadtgärtnerei ist sehr engagiert in der Entsiegelung, um dort, wo es möglich ist, die natürlichen Bodenfunktionen wiederherzustellen.“
Auf einen Trinkwasserbrunnen am Hallenbad „Badylon“ kann man in Freilassing verweisen, über weitere werde man Ende Juli entscheiden, so Stadt-Sprecher Daniel Beutel. Große Umbauten stehen der Stadt in den kommenden Jahren in der Fußgängerzone bevor. „Die Sanierung wird dem Prinzip der Schwammstadt folgen“, so Beutel: Der Schwerpunkt liegt also auf Versickerung durch die Stärkung „grüner Infrastrukturen“. Weniger Versiegelung und mehr Schattenspender plant man in der Hauptstraße. In kleinerem Stil wurden zuletzt auch am Salzburger Platz vorher versiegelte Flächen in Grünflächen umgewandelt.
In Mühldorf scheint man dagegen kaum an Anti-Hitze-Maßnahmen zu feilen. Schon im vorigen Jahr habe man Flächen des Stadtplatzes entsiegelt und dazu Bäume gepflanzt – also „Anstrengungen unternommen, um die Temperatur im Innenstadtbereich moderat zu halten“, wie es Pressesprecher Werner Kurzlechner ausdrückt. Die Innenstadt biete genügend Zufluchts- und Abkühlungsmöglichkeiten. Trinkwasserbrunnen plane man aktuell nicht.
300 Quadratmeter in
Reichenhall entsiegelt
Ein „Konzept zur Krisenprävention“ wird momentan in Waldkraiburg ausgearbeitet – ein Bestandteil davon: der Aspekt „Hitze“. Die Stadt habe „aufgrund seiner Geschichte zahlreiche Bäume und Orte, die von Bäumen beschattet werden“, meint Waldkraiburgs Pressesprecherin Stephanie Till.
Konkret entsiegelt wurde dagegen in Altötting: zuletzt die Konventstraße mit fünf neuen Bäumen und heuer die Herrenmühlstraße mit drei zusätzlichen Bäumen, so Richard Weisinger von der Stadtverwaltung. Das 125-Bäume-Programm von Bürgermeister Stephan Antwerpen (CSU) werde nach und nach umgesetzt. Außerdem seien in jedem Bebauungsplan Bäume vorgeschrieben und seit dem Jahr 2000 auch Seitenstreifen mit versickerbarem Material in jedem Baugebiet Altöttings. Aktuell würden für Kindergärten und die Grundschule-Nord neue Sonnensegel angeschafft.
Die Städte unserer Region ohne Hitzeschutzplan stehen damit aber nicht alleine da. Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums arbeitet gerade mal jede vierte Kommune an einem solchen Konzept. Vor allem chronisch Erkrankte mit Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Lungen- und Nierenerkrankungen leiden unter Hitze besonders. Im Sommer 2023 wurden deutschlandweit 3200 Hitzetote registriert. 85 Prozent von ihnen waren 75 Jahre oder älter.