HPV – die unterschätzte Gefahr

von Redaktion

Interview Chefarzt Dr. Torsten Uhlig kämpft gegen Impf-Skepsis an

Rosenheim – Infektionen mit Humanen Papillomviren, abgekürzt HPV, sind für Feigwarzen an den Genitalien verantwortlich, können aber auch Gebärmutterhalskrebs und weiteren Krebsarten im Intimbereich auslösen. Sie werden beim Intimkontakt übertragen. Warum die Impfung gegen HPV trotzdem schon im Kindesalter kommen sollte, ob es eine Impfpflicht geben sollte, und wie es um die Impfquote in Rosenheim steht: Darüber sprach das OVB mit dem Romed-Kinder-Chefarzt Dr. Torsten Uhlig.

Was kann HPV anrichten?

Man weiß heutzutage, dass das ein Virus ist, das bei Frauen Gebärmutterhalskrebs hervorrufen kann. Darin besteht die besondere Gefahr. Dieses Virus ist seit vielen Jahren bekannt. Es kam in die Schlagzeilen, nachdem ein Impfstoff dagegen entwickelt worden war, der im Grunde die erste und einzige Impfung war, die wirklich ursächlich gegen Krebs wirkt. Das ist einer der Meilensteine in der Vorbeugung von Krankheiten. Dieses Virus wird hauptsächlich beim Geschlechtsverkehr übertragen. Wir wissen durch Studien, dass ein Großteil der Bevölkerung, egal ob männlich oder weiblich, im Laufe des Lebens mal Kontakt mit diesem Virus hatte.

Und bei Männern? Was richtet es da an?

Gebärmutterhalskrebs ist die häufigste Erkrankung, die mit diesem Virus assoziiert ist. Aber auch beim Mann kann es bestimmte Krebsarten auslösen. Es gibt auch Hautveränderungen, sogenannte Kondylomata oder Feigwarzen, in denen man Virusmaterial findet. Diese Hauterscheinungen werden ausgelöst durch das HPV-Virus.

Sie sagten, man kann sich relativ gut dagegen schützen. Seit wann gibt es diese Impfung?

Seit 2006 ist die HPV-Impfung in Europa zugelassen, es gibt verschiedene Impfstoffe, im deutschen Markt sind zwei Impfstoffe verfügbar, die in das Impfschema der Stiko, der Ständigen Impfkommission beim Bundesgesundheitsamt, aufgenommen wurden. Das heißt, dass sie als Standardempfehlung für das jugendliche Alter tatsächlich zum Tragen kamen.

Im jugendlichen Alter? Bringt es bei Erwachsenen nichts mehr, ist es da zu spät?

Naja, zu spät ist es nicht, aber man kann es umgekehrt formulieren: Je früher die Impfung stattfindet, desto besser ist sie wirksam und desto besser und effizienter kann sie dann auch gegen Spätfolgen wie zum Beispiel Gebärmutterhalskrebs schützen.

Ab wann sollte man denn impfen?

Die Ständige Impfkommission empfiehlt tatsächlich die Impfung ab dem Alter von neun Jahren. Jetzt fragen mich in meiner Sprechstunde manchmal auch die Eltern: Ja, um Gottes Willen, unsere Kinder sind so früh ja noch nicht sexuell aktiv. Aber das ist auch nicht das entscheidende Kriterium. Es gibt gute Untersuchungen, die besagen: Je früher man impft, desto wirkungsvoller ist auch die Impfung. Je früher die Entwicklung von Antikörpern verläuft, desto wirkungsvoller ist die Impfung selber. Und deswegen wurde ein vergleichsweise frühes Alter von neun Jahren festgelegt. Umgekehrt kann man sagen, wenn man die erste Impfung erst ab 15 Jahren durchführt, dann sind eben auch drei Impfungen erforderlich. Im Alter zwischen neun und 14 sind es nur zwei Impfungen. Wenn man also früh impft, dann braucht man für eine gute Antikörperentwicklung nur zwei Piekse und kann dem Kind oder dem Jugendlichen den dritten Pieks ersparen.

Das wird man als Elternteil gerne tun, denn die Kinder müssen ja ohnehin jede Menge Impfungen absolvieren. Wogegen sollte man sich denn dringendst geimpft haben?

Die Krankheiten, gegen die man sich sinnvollerweise impfen lassen sollte, sind in den Impfempfehlungen der Stiko. Da gibt es einen Kalender, in dem man sich ganz gut informieren kann. Im ersten Lebensjahr finden die meisten Impfungen statt. Das ist einmal die Sechsfachimpfung gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Polio, HIB und Hepatitis B. Diese Impfung wird dann nochmal kombiniert mit einer zweiten Impfung gegen Pneumokokken, die häufigsten Lungenentzündungs- und Mittelohrentzündungserreger im Kleinkindesalter. Und, last but not least, seit Januar 2024 ist die Impfung gegen Meningokokken Typ B empfohlen, ein Erreger, der Hirnhautentzündungen hervorrufen kann. Und eine Schluckimpfung gegen Rotaviren.

Puuh, ganz schön viel…

Da sagen viele: Oh je, mein Säugling wird mit Impfungen belastet. Aber das würde ich genau umgekehrt formulieren. Ich würde sagen, sind wir froh, dass wir mit einem vergleichsweise geringen Eingriff in Form der Impfung die Kinder zu einem frühen Alter schon effizient schützen können. Gerade weil die kleinen Kinder ein noch nicht ausgereiftes Immunsystem haben, sind sie verletzbar. Durch eine Impfung im ersten Lebensjahr hat man schon einen super Schutz gegen viele Erkrankungen. Und im zweiten Lebensjahr kommen dann noch Impfungen hinzu, die gegen Masern, Mumps, Röteln, Windpocken schützen. Auch gegen Meningokokken.

Da dürften manche Eltern Vorbehalte haben. Wie während Corona zu sehen war. Die Impfung wurde schon bei Erwachsenen als kritisch angesehen, erst recht aber dann bei den Kindern. Wie groß ist die Akzeptanz für die HPV-Impfung?

Es gibt bundesweit keine einheitlichen Datenerhebungen über die Impfquoten. Ich weiß aber, dass bei weitem nicht alle Jugendlichen geimpft sind. Ich bin kein Freund einer Impfpflicht. Aber ich bin ein entschiedener Freund von Impfaufklärung. Vor 100 Jahren war die durchschnittliche Lebenserwartung mit 45 Jahren deutlich geringer als heute, wo wir 70, 80 werden können. Es gibt viele Ursachen dafür, aber eine davon ist die verringerte Sterblichkeit im Säuglings- und Kleinkindesalter. Ein großer Teil davon ist auf die Impfung zurückzuführen. Wenn man den Eltern mitteilt, dass man eine wirkungsvolle und wirklich nebenwirkungsarme Möglichkeit hat, vor schwerwiegenden Infektionen zu schützen, dann kann man die Akzeptanz auch bei HPV deutlich steigern.

Wie ist die Akzeptanz hier in der traditionell impfskeptischen Region Rosenheim?

Ich glaube, der gesamte Alpenrand ist skeptischer, da ist Rosenheim keine Ausnahme. In den südlichen Regionen Deutschlands sind tatsächlich die Impfquoten im Schnitt etwas niedriger als im restlichen Deutschland.

Während Corona wurde diese Skepsis besonders spürbar.

Uhlig: Beim Thema Corona, da haben Sie recht, da gab es viel Aufruhr und eine Polarisierung der Bevölkerung. Ich glaube, vieles rührt daher, dass wir alle überrascht waren von dieser Entwicklung. Wir hatten keinerlei Erfahrung, wie eine Covid-19-Infektion verläuft, wir wussten nicht, wen können wir wie schützen. Ich bin froh, dass die Heftigkeit der Debatte inzwischen deutlich abgeflaut ist.

Was für ein Impfstoff ist denn der Impfstoff gegen HPV?

Es ist kein Impfstoff, der auf mRNA-Basis hergestellt wurde. Der Covid-19-Impfstoff war tatsächlich der Erste dieser Art. Daher ist das Impfherstellungsprinzip bei HPV ein sehr ähnliches wie das, das bei anderen Impfstoffen schon seit langer Zeit verwendet wird. Der HPV-Impfstoff ist auch nicht neu auf dem Markt. Insofern weiß man sehr viel über die Verträglichkeit. Was den Schutz vor Gebärmutterhalskrebs angeht, ist es natürlich so, dass es Jahrzehnte dauert, bis es zu einer solchen Erkrankung kommt. Das heißt, Langzeitstudien gibt es über knapp 20 Jahre, länger noch nicht. Man muss also noch warten, wie sich das entwickelt. Aber es gibt gute Studien aus Schweden und aus Australien, die untersucht haben, wie sich Krebsvorstufen beispielsweise bei Geimpften und Nicht-Geimpften entwickeln. Und da sind die Daten ganz klar: knapp 90 Prozent geringere Krebsrate bei Geimpften. Das spricht wirklich eine deutliche Sprache.

Wenn man sich oder sein Kind bei seinem Hausarzt oder bei Ihnen, Herr Dr. Uhlig, anmelden möchte, wie lange dauert es, bis man eine Impfung bekommt?

Ich glaube, eine Impfung beim Hausarzt, beim Kinderarzt oder beim Gynäkologen zu bekommen, das geht relativ schnell.

Interview: Michael Weiser

Aktionswoche des Ministeriums

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