München/Rosenheim – Die Wirtschaft bangt um den Warenfluss über den Brenner. Und scheint die Geduld zu verlieren angesichts der Diskussionen um den Brenner-Nordzulauf. Man brauche endlich eine „klare zeitliche Perspektive für Planung und Bau der bayerischen Zulaufstrecke“, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Wirtschaft, am Montag in München. „Das Tempo muss hier schneller werden und der Kleinkrieg um den Trassenverlauf beendet werden.“
Angriff auf die
Bürgerinitiativen?
Attackiert Brossardt damit die Bürgerinitiativen gegen einen Neubau? Hört sich so an. Lothar Thaler vom Brennerdialog nimmt es gelassen. Die Wirtschaft fordere so ziemlich dasselbe wie die Bürgerinitiativen – Nachhaltigkeit und die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene. Dazu die Verbesserung der Infrastruktur. „Wir sind allerdings der Meinung, dass es dazu keines Neubaus bedarf“, sagt Thaler. „Was die Verzögerungen und den Kleinkrieg angeht: Den Schuh sollte sich die Politik anziehen.“ Immerhin hätten mehrere Verkehrsminister hintereinander das Problem des Transits nicht wirklich aufgegriffen.
Brennpunkt der
Verkehrsprobleme
Die Vertreter der Wirtschaft Bayerns, Tirols und Südtirols waren zusammengekommen, um eine Erklärung für den Alpentransit zu unterzeichnen. Den Hintergrund der Zusammenkunft bildet die Sanierung der
Luegbrücke, die für empfindliche Behinderungen auf der österreichischen Seite der Brenner-Autobahn sorgen dürfte. Für die Wirtschaft ein großes Risiko.
Brenner mit Abstand
wichtigste Alpenroute
50 Millionen Tonnen Güter rollen nach Auskunft des vbw jährlich über den Brenner, fast ein Drittel des Gesamtvolumens im Bereich der Alpen. Der Brenner ist der mit Abstand wichtigste Übergang.
Ausgerechnet dort soll ab 1. Januar 2025 jeweils eine Spur der Luegbrücke gesperrt werden. Mit der Folge, dass in den Norden wie in den Süden nur noch eine Spur geöffnet bleibt. Staus sind damit vorprogrammiert. Die Vertreter der Wirtschaft kritisieren daher Maßnahmen wie Blockabfertigung und Nachtfahrverbote. Brossardt sprach „europarechtswidrige Eingriffe“ der Österreicher in den Verkehr an. Vor allem das Nachtfahrverbot scheint der Wirtschaft zu schaffen zu machen. Neben Brossardt unterzeichneten Max Kloger, Präsident der Industriellenvereinigung Tirol, und Heiner Oberrauch, Präsident des Unternehmerverbandes Südtirol, die Erklärung. Auch sie sprechen sich gegen das Nachtfahrverbot aus. Etwa Heiner Oberrauch: „Verbote und einseitige Maßnahmen einzelner Länder sind, wie uns die Maßnahmen in Tirol zeigen, fürs Klima mit Sicherheit der falsche Weg.“ Sie führen einzig zur Verlagerung der Belastung auf die Nachbarregionen. Und sie seien ein „Umweltfrevel“, weil sie zu erhöhtem Ausstoß von Kohlendioxid führten.
Die Luegbrücke
betrifft jeden
Vor der Wirtschaft hatten bereits Vertreter der Transport- und Logistikbranche vor dem drohenden Kollaps gewarnt. Andere Branchen hätten ebenso viel Anlass zum Klagen. Denn es gibt, zumindest im Süden Bayerns, fast niemanden, den das Nadelöhr nicht betrifft. Da sind die Urlauber, die gleich zu Beginn ihrer Ferien im Stau stehen – auf der Inntal-Autobahn oder sogar schon auf der Salzburger Autobahn.
Der nächste
Preistreiber
Da sind die Lastwagenfahrer, die in ihren Führerhäusern schwitzen, dazu ihre Chefs in den Speditionen, die Lieferpläne nicht mehr einhalten können, die von Staus und Abgasen geplagten Anwohner im Inntal und im Wipptal. Und da sind letztlich die Konsumenten. Der erschwerte Transit „dürfte die Preise verteuern“, sagt Josef Heiß, Geschäftsführer der BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH in Raubling.
„Es steht zu befürchten, dass die Österreicher viel mehr Blockabfertigungstermine verhängen“, meint er. Die Sanierung sei „eine sehr, sehr schwierige Geschichte, es ist nichts mehr vernünftig planbar“.
Der Brenner wird
wichtig bleiben
Abzumildern seien die Folgen des Engpasses nur, wenn die Österreicher das Nachtfahrverbot aufweichten. Denn für die Verlagerung von Gütern auf die Schiene fehlte die Infrastruktur. Den Brenner umfahren sei aber für die meisten Fahrer auch keine Alternative. Die Tauernroute ist ihrerseits durch Baustellen beeinträchtigt. Und die Route über die Schweiz sei zu teuer und wegen des Zolls zu umständlich. „Es ist schon so, dass für die meisten Lkw der Brenner die kürzeste und logische Verbindung ist“, sagt Heiß.