Rosenheim – Ja, es kann passieren. Und nein, in Deutschland ist es noch nicht passiert: Die Ständige Impfkommission macht zur Pandemiegefahr durch Vogelgrippe eine klare Ansage. Auch das staatliche Gesundheitsamt in Rosenheim warnt vor Panik. Bislang seien keine Übertragungen von Mensch zu Mensch bekannt.
In den USA bereits zwölf Bundesstaaten von H5N1 betroffen
Das Gesundheitsamt beruft sich auf die US-amerikanische Seuchen-Behörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC). CDC habe in den USA Ausbrüche mit dem Vogelgrippevirus in gut 140 Milchviehbetrieben verteilt über zwölf Bundesstaaten registriert. Insgesamt seien fünf Fälle bei Menschen registriert worden, und zwar mit mildem Verlauf. Davon vier Fälle bei Mitarbeitern, die Kontakte zu Milchvieh hatten.
Geringes Risiko in Deutschland –
für den Moment
Die Gefahr eines Überspringens auf den Menschen? Vorhanden. Aber die Ansteckung weiter Kreise der Bevölkerung? So wie seinerzeit beim Corona-Erreger SARS-Cov-2? Das Gesundheitsamt spricht von einem geringen Risiko und verweist auf entsprechende Untersuchungen europäischer Gesundheitsbehörden. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) stuft das Risiko einer „zoonotischen Influenzaübertragung auf die allgemeine Bevölkerung“ in den Ländern der Europäischen Union als gering ein. Es sei jedoch von einem geringen bis moderaten Risiko für „beruflich exponierte Gruppen“ auszugehen. Beispiel Finnland: Dort können sich Mitarbeiter von Pelztier- und Geflügelfarmen impfen lassen. Die Experten sehen – was die Region Rosenheim betrifft – derzeit keinen Grund zur Besorgnis, sehr wohl aber zu erhöhter Wachsamkeit. Denn hinter den eher beruhigenden Feststellungen von offizieller Seite steht derzeit ein „aber“. Aktuell gebe es kaum Anzeichen für eine gefährliche Entwicklung. Damit es dazu komme, benötige das Virus mit der „Seriennummer“ HPAI H5N1 noch „mehrere Schritte zur Anpassung“. Doch wenn das geschieht, wenn das Virus mutiert? Dann könnte es sich „schnell zu einer akuten Bedrohung“ entwickeln. „Dann bestünde die ernste Gefahr einer neuen Pandemie“, heißt es vom Gesundheitsamt. Womöglich sogar mit einem „hochpathogenen“ Keim, also einem Erreger lebensbedrohender Krankheiten.
Experte sieht „größere Gefahr durch Computerviren“
Droht der Region Rosenheim eine Pandemie – so wie ab März 2020 mit Corona? Ausschließen will das niemand. Viren entwickelten sich, mutierten immer mal wieder, was dabei rauskomme, überrasche ab und an auch Fachleute, berichtet Dr. Thomas Schulzki, Chef des Medizinischen Labors Rosenheim. „Aktuell sehe ich für das Gesundheitswesen eine größere Gefahr durch Computerviren als durch andere Erreger“, sagt er mit Blick auf Agatharied.
Immerhin sei man etwas besser vorbereitet, sagt Dr. Wolfgang Hierl, Leiter des Rosenheimer Gesundheitsamtes. Politik, Gesundheitsbehörden und Fachwelt hätten in den Corona-Jahren „viel Erfahrung in der Pandemiebekämpfung gesammelt, die sehr wertvoll für den Umgang mit einem neuen pandemischen Erreger ist“. Freilich sei da immer noch Luft nach oben. „Wir sehen großen Bedarf an einer systematischen Aufarbeitung der Corona-Pandemie auf allen Ebenen, damit wir aus den Erfahrungen lernen und unsere Instrumente zukünftig noch wirkungsvoller einsetzen“, sagte Hierl.
Lernbedarf bei Besetzung von Expertengremien
Lernbedarf sieht auch Schulzki. Auch was die Zusammensetzungen der Expertengremien betrifft. Würde man bei einem erneuten Ausbruch eines Corona-ähnlichen Erregers Schulen für Wochen schließen? Oder alte Menschen in ihrer womöglich letzten Lebensphase isolieren, um ihr Leben zu schützen? Wohl kaum, hofft Schulzki. „Künftig sollten sich da Experten aus allen Fachbereichen wiederfinden, und nicht nur aus zwei oder drei Gebieten.“