Rott – Die mögliche Quecksilber-Belastung in der geplanten Erstaufnahmeeinrichtung in Rott schlägt weiter hohe Wellen in der Gemeinde. Nachdem das Gutachten im Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags angesprochen worden war, hatte die Bürgerinitiative „Rott rot(t)iert“ das Landratsamt Rosenheim und Landrat Otto Lederer aufgefordert, die Pläne für eine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft auch angesichts der Schadstoffbelastung fallen zu lassen. Das Landratsamt Rosenheim sprach jedoch bei sechs von acht Räumen von „keiner gefährlichen Quecksilberbelastung“. Die gemessenen Werte seien weit unter dem Richtwert I. Die verbliebenen beiden Räume würden „nicht zur Beherbergung verwendet werden“, so Landrat Lederer weiter in der Pressemitteilung vom Donnerstag.
Nun reagiert Rotts Bürgermeister Daniel Wendrock darauf. Er betitelt seine Stellungnahme mit einer Frage: „Entgegenkommen oder bloße Notwendigkeit?“ In der Pressemitteilung von Freitag erinnert Wendrock an ein Schreiben des Innenministeriums vor wenigen Wochen. In diesem wurde angekündigt, dass die Zahl der unterzubringenden Personen „deutlich reduziert“ werden solle. Die Ergebnisse des Gutachtens zur Schadstoffbelastung würden diese Aussage nun „in einem anderen Licht erscheinen“ lassen, so der Rathauschef. Schließlich seien laut Gutachten zwei von acht Räumen aufgrund der Quecksilberbelastungen nicht nutzbar. „Um welche Flächengröße es sich bei den beiden Räumen handelt, ist der Gemeinde noch nicht bekannt“, so Wendrock in der Mitteilung. Die Reduzierung der Personenzahl dürfte sich aber vermutlich auch aus den Quecksilberbelastungen ergeben haben.
Weiter erklärt Wendrock, dass die Gemeinde das Gutachten, und die Argumentation des Landratsamts, dass „bei Menschen mit Amalgam-Zahnfüllungen beim Ausatmen Mittelwerte bis zum Sechzigfachen dieses Richtwerts gemessen“ würden, „selbstverständlich mit fachlicher Begleitung hinterfragen“ werde. Er bitte das Landratsamt, das Gutachten zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinde werde über ihren Rechtsbeistand „auch ganz formell Akteneinsicht beantragen“.
„Führt unweigerlich
zu Konflikten“
Wobei nach Meinung des Bürgermeisters auch bei einer reduzierten Unterbringung von bis zu 300 Personen weiterhin „menschenunwürdige Bedingungen“ in der Erstaufnahme-Einrichtung vorherrschen würden. „Noch dazu, wenn die quecksilberbelasteten Räumlichkeiten nicht genutzt werden können“, so Wendrock. „Bis zu 300 Personen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, Religionen und Kulturen, die oftmals von ihrer Flucht traumatisiert sind, auf engstem Raum und ohne jegliche Privatsphäre in nur bis zu sechs Räumen zusammenzufassen, führt unweigerlich zu Konflikten. Erst recht, wenn es keine Möglichkeiten des Rückzugs, der Ablenkung und Erholung in der unmittelbaren Nähe gibt, wie in Rott der Fall.“
In den Leitlinien des Bayerischen Innenministeriums vom 4. September 2020 zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber sei unter Punkt eins „Individueller Wohnbereich“ (wozu Wohn- und Schlafräume zählen würden) klar geregelt, wie dieser gestaltet sein müsse: „Pro vorgehaltenem Platz soll eine durchschnittliche Wohn-/Schlafraumfläche von sieben Quadratmetern nicht unterschritten werden“ und „In einem Raum sollen in der Regelbelegung möglichst nicht mehr als vier Personen untergebracht werden“. Dies widerspreche klar dem geplanten Unterbringungskonzept des Landratsamts Rosenheim.
Zudem bestünden immer noch große infrastrukturelle Probleme. In dem Schreiben verweist der Bürgermeister auf fehlende Ärzte, nicht vorhandene Einkaufsmöglichkeiten, Grün- und Sportflächen oder Spielmöglichkeiten für die Kinder im Umfeld der Halle. Zudem erinnert Wendrock erneut an die beinahe ausgeschöpften Trink- und Abwasserkapazitäten. Noch bestehende, beziehungsweise durch eine angedachte Brunnensanierung möglicherweise zu schaffende Kapazitäten würden für ein Baugebiet, dessen Planungen weiter fortgeschritten seien, benötigt. „Wirtschaftlich ist die Gemeinde auf die Einnahmen aus dem Verkauf der Grundstücke im geplanten Neubaugebiet innerhalb der nächsten zwei Jahre existenziell angewiesen.“
„Gesprächskanäle
weiter offen“
Der Rathauschef betont in der Pressemitteilung, dass die Gemeinde bei ihrer kritisch-konstruktiven Haltung bleiben werde. Die Gesprächskanäle zum Landratsamt und den anderen beteiligten Behörden seien weiter offen. Doch der Freistaat Bayern müsse endlich eine gesetzliche Regelung zur paritätischen Verteilung der Geflüchteten auf Gemeindeebene schaffen. Dass eine selbsterfüllende gerechte Verteilung durch die Landratsämter nicht gelinge, zeige der Rotter Fall. Sophia Huber