Rosenheim – Es rumort in München und Bozen, die Verkehrspolitiker dort haben schlechte Laune. Wegen Tirol und seiner Verkehrspolitik. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter und Südtirols Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider sorgen sich um die „bisher sehr gute Zusammenarbeit der drei Regionen Bayern, Südtirol und Tirol bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen beim alpenquerenden Verkehr“. So heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung, die das Bayerische Verkehrsministerium verteilt hat.
Blechlawinen und
Flaschenhälse
Wenn sich Politiker in aller Öffentlichkeit „sorgen“, heißt das in Wahrheit meist: Es gibt bereits ernsthaften Knatsch. Tatsächlich herrschen zwischen Südtirol, Bayern und Tirol Verstimmungen. Es geht um den Alpen-Transit im Allgemeinen und die Sanierung der Luegbrücke unweit der Brenner-Passhöhe im Besonderen, um Blechlawinen und immer enger werdende Flaschenhälse also.
Ab 2025 wird der Verkehr auf der Luegbrücke in jede Richtung nur noch einspurig fließen. Auf der Brenner-Autobahn drohen Mega-Staus – was Tirol zu noch viel mehr Blockabfertigungsterminen als bisher schon veranlassen wird. Mit jedem Monat, der verstreicht, verschärft sich der Ton zwischen den Nachbarn.
Verhandlungen über
Nachtfahrverbot
Um den Verkehr flüssig zu halten, drängen Bayern und Südtiroler auf Aufweichungen des strengen Tiroler Verkehrsregiments. Die Tiroler aber stellen sich taub. Die gemeinsamen Verhandlungen über das Nachtfahrverbot am Brenner seien ins Stocken geraten, klagt Bernreiter. „Die Informationspolitik in Bezug auf wichtige Sanierungsmaßnahmen und deren Auswirkungen auf Bayern und Südtirol verläuft nicht zufriedenstellend.“
„Unser Vorstoß für das digitale Verkehrsmanagement hatte als Hauptziel das Gemeinsame im Blick, also eine Korridorpolitik aller drei Länder“, sagt der Südtiroler Landesrat Alfreider. Im Frühjahr 2023 hatten Spitzenpolitiker der drei Länder Bayern, Tirol und Südtirol die „Kufsteiner Erklärung“ vorgelegt – eine Absichtserklärung für ein digitales Verkehrsmanagement, das ein Slot-System ermöglichen sollte: passgenaue Zeitfenster für den Schwerverkehr, um Ballungen zu entzerren und damit Staus zu verhindern.
Doch von einer Lösung, die Mega-Staus auf der bayerischen Seite des Inntals bis hinauf zur Salzburger Autobahn verhindern könnte, ist man weit entfernt. Spediteure und Logistiker auch aus der Region Rosenheim sprachen von Anfang an von einem neuen „Bürokratiemonster“. Auch scheint noch nicht ganz klar, wie die Verkehrsströme gelenkt werden sollen.
Knackpunkt
Nachtfahrverbot
Ohnehin fehlt es an Grundvoraussetzungen. Beispielsweise an Flächen, auf denen Lkw abgestellt werden können, bis sich das für sie bestimmte Zeitfenster öffnet. Oder am Mittun der nationalen Regierungen. Dass sich beispielsweise Deutschland zu einem Slot-System durchringen kann, erscheint unwahrscheinlich. Systeme, die eine „Blockabfertigung mittels Digitalisierung“ fortsetzten, änderten am Grundsatz einer Kontingentierung nichts, teilte das Bundesverkehrsministerium auf OVB-Anfrage mit. Kapazitäten dürften zu keiner Zeit eingeschränkt werden, nur dann funktionierten digitalisierte Maßnahmen.
Dem würde Bayerns Verkehrsminister Bernreiter nicht zustimmen. Entscheidend für das Gelingen sei vielmehr, ob sich Tirol beim Nachtfahrverbot bewege: „Im Sinne einer weiteren guten Zusammenarbeit fordere ich Tirol auf, hier endlich an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“
In einem Punkt sind Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter und das Bundesverkehrsministerium einer Meinung: Österreichs Blockabfertigung ebenso wie das Nachtfahrverbot sind weder fair noch hilfreich. „Zusätzliche Einschränkungen von außen, etwa in Form der regelmäßigen Blockabfertigungen, erschweren die Situation in unverhältnismäßiger Weise“, heißt es aus Berlin. Die EU müsse sich um das Problem kümmern und auf Österreich Druck ausüben, sagt ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums.
Regelmäßig bekommen den Ärger die Menschen im Inntal ab. „Es wird immer schlimmer“, sagt Raublings Bürgermeister Olaf Kalsperger. Er sieht die Verschärfung der Transit-Bedingungen – mit Riesenstaus als Folge – als den „Super-GAU“ für die Region. Österreichische Politiker kümmert das offenbar nicht. Oder zumindest weniger als der Druck, den sie von den eigenen Bürgern bekommen. Von Aktivisten wie Fritz Gurgiser vom Transitforum Austria-Tirol, das sich als Vereinigung zum Schutz der Anrainer im Inntal bezeichnet.
Gurgiser und Mitstreiter bezeichnen die Belastungen durch den Gütertransport auch mal als „Terrorquelle“ und wenden sich strikt gegen eine Aufweichung der Nachtfahrverbote. Gurgiser setzt dem OVB gegenüber noch einen drauf: Er habe als Obmann des Transitforums „die Blockabfertigung in Kufstein bei den zuständigen Tiroler Behörden durchgesetzt“. Und zwar nicht gegen die Transportbranche, sondern für den Schutz der Tiroler.
Dettendorfer
reagiert genervt
Kenner der Materie wie Spediteur Georg Dettendorfer aus Nußdorf reagieren da nur noch genervt. „Da sag ich jetzt gar nix dazu, das ist nicht das Niveau, auf dem man sich austauschen sollte“, sagt er. Am Ende leiden auch Wirtschaft und Bevölkerung, auch der Tourismus, nicht nur die Transport-Branche. „Wenn man nur noch Stau hat, hat niemand einen Spaß daran“, meint Dettendorfer. „Wir müssen ideologiefrei nach Lösungen suchen, die für alle Seiten erträglich sind.“