Wolfsverordnung vor Abschuss

von Redaktion

Gute Zeiten für den Wolf? Am Dienstag wurde über die Rechtmäßigkeit der bayerischen Wolfsverordnung vor dem Verwaltungsgerichtshof in München verhandelt. Es sieht danach aus, dass die Klage der Naturschützer Erfolg hat. Der Bauernverband ist darüber enttäuscht.

München/Nürnberg/Traunstein – „Wir sehen hier bei uns in Bayern keinen Platz für den Wolf.“ Klare Worte der Vorsitzenden des Traunsteiner Bauernverbandes, Dr. Tanja Sigl. Sie spricht vielen Bauern im Alpenraum aus dem Herzen. Mit Sorge blicken vor allem die heimischen Almbauern auf die Rückkehr des Beutegreifers.

Die Rückkehr des Wolfes ist durch EU-Recht abgesegnet

Die Möglichkeit auf Wiederansiedlung ist aber durch europäisches Recht festgelegt. Wölfe sind durch die sogenannte Fauna-Flora-Habitatrichtlinie streng geschützt. Deutschland ist dadurch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe langfristig einen lebensfähigen Bestand aufbauen können, den sogenannten „guten Erhaltungszustand“. Auch in den Almwirtschaftsregionen Chiemgau und Berchtesgadener Land sind derzeit keine ortstreuen Tiere registriert, ein guter Erhaltungszustand also weit entfernt.

Wolfsverordnungen
in Bayern und Tirol
als Schnellschüsse?

Dennoch erlässt die Regierung im Mai 2023 die bayerische Wolfsverordnung. Blaupause war unter anderem die Herangehensweise der Tiroler Nachbarn. Bereits im Jahr 2022 senkte man dort den Schutzstatus des Wolfes.

Nach einer Klage von Umweltverbänden bat das zuständige Verwaltungsgericht den Europäischen Gerichtshof um Rat. Die Antwort vor genau einer Woche, am 11. Juli: Der hohe Schutzstatus bleibt, eine Ausnahme zum schnelleren Abschuss bei gutem Erhaltungszustand der Wolfspopulation sei in Österreich nicht gegeben. Auch wirtschaftliche Schäden seien da kein Grund. Und jetzt steht also auch die bayerische Wolfsverordnung auf der juristischen Abschussliste.

Klage gegen Bayern wohl erfolgreich – mit einem Fragezeichen

Auch hier hatten Naturschutzverbände wie der Bund Naturschutz gegen den Erlass geklagt. Ein finales Urteil wird in den kommenden Tagen erwartet. Die Richterin des Verwaltungsgerichts in München ließ aber am Dienstag kaum Zweifel am Ausgang des Verfahrens: Die Wolfsverordnung ist unrechtmäßig, schon wegen eines Formfehlers. Das war nicht der einzige Grund, warum der Bund Naturschutz geklagt hatte: „Die Wolfsverordnung enthält Abschussgründe, die rein fachlich keine sind. Es wurde insbesondere in Bezug auf die Gefährlichkeit für den Menschen maßlos übertrieben. Das widerspricht den Erfahrungen von Jahrzehnten in Europa und mittlerweile auch in Deutschland.“ Uwe Friedel ist Artenschutzbeauftragter des Bund Naturschutz in Bayern. Ist er mit dem wahrscheinlich positiven Ausgang der Klage zufrieden?

Entscheidung des Gerichts ausschließlich wegen Formfehler?

„Grundsätzlich sind wir froh, dass diese Wolfsverordnung jetzt außer Kraft gesetzt ist.“ Im Moment sieht es so aus, als würde die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vor allem wegen eines Verfahrensfehlers beim Erlass der Wolfsverordnung fallen. Der Bund Naturschutz hätte das Recht auf Anhörung gehabt, dieses sei aber nicht gewährleistet worden.

„Natürlich hätten wir gerne auch die Inhalte gerichtlich klären lassen, um Sicherheit zu haben und zu wissen, wie es weitergeht in Zukunft.“ Jetzt, so Friedel, wisse man nicht, wie die Staatsregierung auf den Erfolg der Klage reagieren wird: „Rein theoretisch könnten sie genau dieselbe Verordnung mehr oder weniger nochmal erlassen, diesmal mit Beteiligung der Umweltverbände.“

Bauernverband ist „mit dem Ausgang nicht glücklich“

Die Aussage des Europäischen Gerichtshofes und die Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichts verärgern nun unter anderem die Weidetierhalter. Umweltpräsident des bayerischen Bauernverbandes, Stefan Köhler, spricht sogar von „einem Schlag in die Magengrube“. Auch die Vorsitzende des Traunsteiner Kreisverbandes, Dr. Tanja Sigl, findet klare Worte: „Wir sind mit dem Ausgang gar nicht glücklich.“ Sie verstehe nicht, warum nicht endlich gesehen wird, dass vor allem Bauern in der Alpenregion mit umfänglicher Weidetierhaltung Probleme hätten, ihre Tiere vor dem Wolf zu schützen. „Wir haben hier eine andere Besiedlungsdichte und andere Tierhaltung als in anderen Regionen Deutschlands. Ich muss auch die geografischen Gegebenheiten miteinbeziehen. Ich sehe das schon so, dass der Bund Naturschutz uns da jetzt Steine in den Weg legt, unsere einzigartige Almwirtschaft, die auch Kulturland ist, betreiben zu können.“ Auch die immer wieder geforderten präventiven Schutzmaßnahmen wie Umzäunung der Weiden oder Herdenschutzhunde seien laut Dr. Tanja Sigl im Alpenraum nicht umsetzbar.

Herdenschutz
im Alpenraum
nicht möglich?

Dem widerspricht Uwe Friedel vom Bund Naturschutz: „Wir erkennen an, dass es diese nicht schützbaren Weidegebiete gibt. Allerdings ist die Weidekommission, die das ausgearbeitet hat, unserer Meinung nach völlig übers Ziel hinausgeschossen. Da sind viele Tallagen dabei, flache Flächen, unmittelbare Ortsnähe und das halten wir einfach nicht für angemessen. Und auch darum haben wir dagegen geklagt.“ Generell vermutet Friedel hinter dem schnellen Erlass der Wolfsverordnung politisches Kalkül, da keine akute Gefahr bestünden habe.

„Geltendes Recht“ sollen auch Söder und Aiwanger beachten

„Grund war einfach, dass Markus Söder und Hubert Aiwanger sich hinstellen wollten vor dem Almauftrieb und sagen, so, jetzt wird geschossen.“ Es sei gut, dass nun die juristische Seite betont habe, dass „auch unsere bayerischen Spitzenpolitiker sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen können“, so Friedel. Er hoffe, jetzt wieder zu sachlichem, lösungsorientiertem Wolfsmanagement zurückkommen zu können.

Es sei niemals Ziel des Bund Naturschutz gewesen, jeden einzelnen Wolf unbedingt zu schützen. Es bestünde auch ohne Wolfsverordnung nach wie vor die Möglichkeit, Tiere abzuschießen: „Wenn sie eine Gefahr für den Menschen darstellen, da wird dann auch kein Naturschützer klagen. Ebenso wenig, wenn der Wolf bestehenden Herdenschutz überwindet und Weidetiere reißt. Selbst dann nicht, wenn angeblich nicht schützbares Gebiet betroffen ist.“ Das reicht den Weidetierhaltern nicht und so scheinen sich die Fronten zu verhärten: im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk kündigte Umweltminister Thorsten Glauber (FW) bereits an, man bleibe beim Wunsch, den Schutzstatus des Wolfes senken zu wollen.

Neue Verordnung liegt schon fertig
in der Schublade

Eine neue Verordnung sei bereits fertig in der Schublade. Die Antwort von Uwe Friedel: „Die würden wir uns dann ansehen. Bei wieder gleichem Inhalt müssten wir eben erneut klagen. Wenn die Inhalte vernünftig zusammengestrichen sind, dann können wir die Klage vielleicht lassen.“

Das klingt alles nach zweiter Runde. Die erste ging für den Wolf aus.

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