Geduldet und immer bewacht

von Redaktion

In der Asylunterkunft im winzigen Weiler Grafing bei Halfing leben acht Flüchtlinge. Sie werden rund um die Uhr von einer Sicherheitsfirma bewacht.

Halfing – Nur wenige Eingeweihte wussten es vorher. Doch nach der blutigen Auseinandersetzung in der Asylunterkunft in Grafing in der Gemeinde Halfing am 20. Juli wurde es öffentlich: Diese Flüchtlingsunterkunft ist besonders. Hier leben zwar nur acht Asylbewerber. Die werden aber rund um die Uhr von Mitarbeitern eines Security-Unternehmens bewacht. Im alten Gasthof seien Asylbewerber untergebracht, die eine Haftstrafe in Deutschland verbüßt hätten, erzählt man sich in Grafing.

Neuanfang
nach der Haft

Die Regierung von Oberbayern bestätigt das auf OVB-Anfrage und erklärt: „Strafrechtlich in Erscheinung getretene Ausländer, die nach Verlust ihres Aufenthaltsrechts ausreisepflichtig sind, aber nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können, bleiben nach Verbüßung einer Haftstrafe zunächst als Geduldete in Deutschland und müssen in staatlichen Unterkünften untergebracht werden, soweit von den Strafverfolgungsbehörden keine anderweitige Unterbringung angeordnet wurde.“

Jeder Landkreis müsse Unterkünfte anbieten, die auch für „Personen geeignet sind, bei denen aufgrund der Umstände des Einzelfalls besondere präventive Maßnahmen angezeigt sind“, erläutert der Regierungssprecher. „Im Fall von Personen mit erhöhtem Konfliktpotenzial kann dies, wie im Falle von Grafing, die Anwesenheit eines Sicherheitsdienstes sein, der bei internen Streitigkeiten frühzeitig deeskalierend eingreifen kann“, ergänzt eine Sprecherin des Landratsamtes Rosenheim.

Grundsätzlich, so erläutert die Regierung von Oberbayern, würden keine Unterkünfte ausschließlich für straffällig gewordene Asylbewerber geschaffen. Wo die jeweilige Kreisverwaltungsbehörde die benötigten Plätze für diesen Personenkreis schaffe, entscheide sie eigenverantwortlich. Der Landkreis Rosenheim hat sich für Grafing entschieden, einen winzigen Ort mit kaum 100 Einwohnern an der Staatsstraße 2092 zwischen Halfing und Bad Endorf.

Im einstigen Gasthof fanden zu Beginn der Flüchtlingskrise Familien mit Kindern Zuflucht. Erst seit etwa zwei Jahren sind hier straffällig gewordene Asylbewerber untergebracht. Nach Informationen des Landratsamtes kommen die jungen Männer aus Afghanistan, Nigeria, Somalia und Syrien. Aufgrund welcher Straftaten sie Haftstrafen verbüßten, ist den Behörden nach eigenen Angaben nicht bekannt.

Die Regierung von Oberbayern und das Landratsamt Rosenheim teilen auf OVB-Anfrage mit: „Wir führen keine Statistik zu Bewohnern von Asylunterkünften, die strafrechtlich in Erscheinung treten.“ Allgemein lasse sich jedoch sagen, dass nur ein sehr geringer Teil der Bewohner von Asylunterkünften strafrechtlich auffällig sei. „Der Vorfall am 20. Juli in der Unterkunft in Halfing ist die absolute Ausnahme.“ Dabei hatte ein 24-jähriger afghanischer Asylbewerber einem 26-jährigen Somalier mit der Bratpfanne Kopfverletzungen und mit einem Cuttermesser eine Stichwunde am Oberschenkel zugefügt. Der Somalier musste in einer Klinik medizinisch versorgt werden. Für den 24-jährigen Angreifer wurde Untersuchungshaft angeordnet.

Messerattacke
in Grafing

Nach Informationen des Münchner Justizministeriums sind etwa 59 Prozent der in Bayern inhaftierten Untersuchungsgefangenen ausländische Staatsbürger. Auf den Gesamtbestand der Gefangenen bezogen, beträgt der Ausländeranteil etwa 45 Prozent – davon sind 3,8 Prozent afghanischer und 6,4 Prozent syrischer Nationalität.

„Ein Asylbewerber ist während des Asylverfahrens im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Eine Abschiebung ist rechtlich erst nach einem negativen Abschluss des Asylverfahrens mit Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht möglich“, informiert das Bayerische Innenministerium über die rechtlichen Grundlagen.

Zum Stichtag 30. Juni hielten sich im Freistaat Bayern 26977 Ausreisepflichtige auf. Die häufigsten Herkunftsländer sind Irak, Nigeria, Afghanistan, die Türkei und die Ukraine. 20323 von ihnen sind geduldet. Im Landkreis Rosenheim leben im Moment 377 ausreisepflichtige Personen, ein Großteil von ihnen ist geduldet.

Eine Duldung, so erklärt das Innenministerium, werde erteilt, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sei. „Das können humanitäre oder familiäre Gründe sein. Aber auch das Fehlen von Heimreisedokumenten verhindert eine Abschiebung“, erklärt das Landratsamt Rosenheim. Weitere Abschiebungshindernisse könnten aber auch von den Zielländern ausgehen.

Seit Monaten fordern die Bundesländer eine schnellere Abschiebung straffälliger Asylbewerber. „Neben einer harten schuldangemessenen Bestrafung durch die zuständigen Gerichte braucht es klare ausländerrechtliche Konsequenzen für den Aufenthalt von Straftätern in Deutschland – unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status“, stellt das Bayerische Innenministerium klar. Bei verurteilten Straftätern werde auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes das Ausweisungsinteresse geprüft. Insbesondere wenn durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei, werde die Ausweisung von den Ausländerbehörden konsequent angeordnet.

Statement
gegen Vorurteile

„Ab einer bestimmten Deliktschwelle und sofern es erforderlich ist, werden ausländische Straftäter außerdem konsequent von der Task Force ‚Straftäter‘ am Landesamt für Asyl und Rückführungen im Auge behalten“, informiert das Innenministerium. „Wenn eine Ausreise tatsächlich nicht durchsetzbar ist, ist es maßgebliches Ziel, den Handlungsspielraum dieser Personen so weit wie möglich einzuschränken, zum Beispiel durch strikte Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen.“ Möglichkeiten, diese Personen abzuschieben, würden immer wieder geprüft.

Um Vorurteilen gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern vorzubeugen, geben die Regierung von Oberbayern und das Landratsamt Rosenheim ein klares Statement ab: „Die pauschale Annahme, dass straffällig gewordene Personen auch nach Verbüßung einer Strafe eine Gefahr für andere oder gar die Allgemeinheit darstellen würden und deshalb mehr oder weniger intensiv zu bewachen seien, entspricht nicht der Realität.“

Dies gelte unabhängig von Nationalität und Herkunft der betreffenden Person. „Es wäre daher auch die Annahme falsch, dass eine Person allein aufgrund ihres Status als Ausländer oder Asylbewerber ein erhöhtes Gefährdungspotenzial habe und nach Verbüßung einer Strafe automatisch zu bewachen sei.“

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