„Das ist Erpressung“

von Redaktion

Tirol spricht von „Dosierung“, Bayern von „Erpressung“: Nachtfahrverbot und Blockabfertigung treiben einen Keil zwischen die Nachbarn. Klaus Wagenstetter platzt da der Kragen. Was den Transportunternehmer an Österreichs Manövern besonders ärgert.

Rosenheim – Die gute Nachricht: In August und September sollte es im Inntal einigermaßen ruhig bleiben. Für die Zeit der Ferien hat Österreich keine Blockabfertigungstermine angesetzt. Die schlechte Nachricht: Danach holen die Nachbarn Versäumtes nach. Allein fürs letzte Vierteljahr 2024 haben die Österreicher ein gutes Dutzend Termine angesetzt. Für Klaus Wagenstetter ist das nichts anderes als „Erpressung“.

Fahrer liegen
am Herzen

Der Transportunternehmer aus Pfaffing hat den Blick des betroffenen Praktikers auf Tirols „Dosierungsmaßnahme“. Sechs Jahrzehnte lang hatte er mit Transportverkehr quer durch Österreich zu tun. Sechs Jahrzehnte habe er die „Schikanen der Österreicher“ zu ertragen gehabt, erzählt Wagenstetter. Nun ist er im Ruhestand und kann „doch nicht einfach loslassen“, wie er sagt. Einerseits sei er froh, dass er die absehbaren Probleme auf der Brenner-Autobahn nicht mehr mitbekomme.

„Andererseits denke ich natürlich schon an die Fahrer. Die waren für mich nie nur eine Nummer.“ Und was den Fahrern bei der Blockabfertigung zugemutet werde, sei unerträglich, sagt Wagenstetter. „Da gibt’s so vieles, was nie erwähnt wird“, sagt Wagenstetter mit Blick auf Nachtfahrverbote und Blockabfertigung. Sein Verdacht: Die Österreicher legen sich‘s schon sauber zurecht. Ein Beispiel hat er parat. Das Nachtfahrverbot sei vor Jahren eingeführt worden, da die Lkw damals lauter gewesen seien. Rund 88 bis 90 Dezibel seien damals gemessen worden – eine Lautstärke, die nach Expertenmeinung bereits das Gehör schädigen kann. „Mittlerweile ist dieses Argument weggefallen, da die Lkw im höchsten Fall 80 Dezibel verursachen und lediglich das Abrollgeräusch der Reifen zu hören ist.“

Auch Tirols Begründung für das Nachtfahrverbot ist für ihn ein Scheinargument. Dass sich Feinstaub nachts nicht so schnell abbaue, sei lediglich „die neueste Behauptung der Österreicher“. Überhaupt sei die Überschreitung der Zielwerte geringfügig. Eine Klage dagegen sei schon seit Jahren anhängig, ein Erfolg zweifelhaft. Schließlich müsse Österreich seine Vorschriften in der Zwischenzeit nur ein wenig abändern.

„Wir sind Dienstleister der Wirtschaft und der Konsumenten“, verteidigt Wagenstetter seine Branche. Das gelte im Übrigen auch für die Kollegen im Nachbarland. Schließlich sei der Transit auch eine Angelegenheit der Österreicher. „Wir könnten die Schikanen auch auf deutsches Gebiet ausweiten“, sinniert Wagenstetter. Einerseits. Andererseits dürfe man sich „ja nicht auf das gleiche Niveau begeben“.

Wer mit Verkehr in Oberbayern zu tun hat, blickt in diesen Tagen mit Sorgen auf die Luegbrücke. Die Hangbrücke kurz vor der Brenner-Passhöhe wurde in den 60er-Jahren gebaut und ist am Ende ihrer Lebensdauer angelangt. Ab Januar 2025 soll der Verkehr nur noch gedrosselt über die Brücke geleitet werden, um das marode Bauwerk nicht über Gebühr zu belasten.

Ab dem Frühjahr soll es Spur für Spur abgebaut und durch einen Neubau ersetzt werden. Ein Nadelöhr auf Jahre hinaus droht da im Wipptal, „Blockabfertigung fast jeden Tag“, schwant auch Wagenstetter. „Unbedingt erforderlich“ sei es, dann das Nachtfahrverbot aufzuheben, sagt er. Was ihm Hoffnung gibt: „Zum Glück stehen dort dann auch österreichische Fahrzeuge im Stau.“ Dass Österreich lediglich die Vorteile der EU und des Transits absahnen, die Nachteile aber zu den Nachbarn in Bayern und Südtirol schieben will: Mit diesem Verdacht steht Klaus Wagenstetter nicht allein. Matteo Salvini (Lega) hat für Italien Klage gegen Österreich beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.

Gute Chancen
für die Klage

Zumindest bei diesem Punkt darf sich Italiens Verkehrsminister der bayerischen Zustimmung sicher sein. Bereits seit der Stellungnahme der EU-Kommission Mitte Mai habe man es schwarz auf weiß: Österreich verstößt gegen europäische Verträge, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) dem OVB. Tirols TransitReglement habe „in der Europäischen Union keinen Platz und muss ein Ende haben“. Er sehe gute Chancen für Italiens Klage, „Österreich wäre nun gut beraten, endlich einzulenken“, sagte Bernreiter.

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