Aubenhausen/Paris – Am Wochenende wird es spannend für Jessica von Bredow-Werndl. Dann geht es für die deutsche Dressur-Hoffnung bei den Olympischen Spielen in Paris um die Medaillen. Am heutigen Samstag ist die Team-Entscheidung. Am morgigen Sonntag, 4. August, geht es ums Einzel. Die 38-jährige Reiterin und ihr Pferd Dalera haben sich lange auf diese Tage vorbereitet. Doch ohne ihr Team wäre all das nicht möglich. Franziska Leonhardt (29) aus Großkarolinenfeld ist ein bedeutender Teil davon. Sie ist Pferdepflegerin in Aubenhausen und durfte Bredow-Werndl nach Paris begleiten. Im exklusiven OVB-Interview erzählt sie von ihren Aufgaben bei Olympia, den Unterschieden zu anderen Turnieren und wie es ist, „nur“ zuzusehen.
Wie sind Sie zu Ihrem Job als Pferdepflegerin bei Olympia gekommen?
Ich habe 2017 schon zehn Monate in Aubenhausen gearbeitet. Dann habe ich aber studiert und ein Jahr in dem Job gearbeitet – weil eigentlich sollte man ja noch was Anständiges machen (lacht). Ich bin dann aber in dieser Zeit mit einem spanischen Dressurreiter auf große Turniere gefahren. Das hat damals auch Jessica eingefädelt. Daraufhin habe ich ein Angebot von einer Dressurreiterin aus Wien bekommen.
Dort war ich dann zehn Monate, wollte aber eigentlich wieder nach Hause. Schließlich hab ich in Aubenhausen eine gute Freundin besucht, die Pferdepflegerin bei Jessica war. Da sie schwanger wurde, hat Jessica eine Nachfolgerin gesucht und so hat sich alles ergeben.
Sind Sie dort nur für das Pferd von Jessica Bredow-Werndl zuständig?
Wir haben insgesamt acht Pferde bei uns im Stall und für die bin ich alle zuständig. Ich fahre aber auch mit auf die Turniere und bin dementsprechend die Hauptverantwortliche – vor allem für Dalera.
Wie sieht ein Tag bei den Olympischen Spielen aus?
Leonhardt: Es kommt immer darauf an, ob eine Prüfung an dem Tag ist oder nicht. Wir sind schon seit über einer Woche hier und haben sehr viele freie Tage. Aber es geht in der Früh um 6 mit Füttern los und danach holen wir Dalera schon das erste Mal raus und gehen ein bisschen spazieren. An einem Prüfungstag wird in der Früh ein bisschen Schritt geritten und Dalera wird auf die Prüfung vorbereitet, sodass sie in Bestform für die Prüfung ist. An den freien Tagen reiten wir meistens am Nachmittag, damit wir zur selben Zeit wie am Prüfungstag trainieren und wir in der Routine sind. Um 22 Uhr ist der Arbeitstag vorbei – und dann fallen wir ins Bett.
Was sind Ihre Aufgaben konkret?
Die Pflege des Pferdes. Das Pferd fertig machen, nach dem Reiten abspritzen, mit ihm spazieren gehen, mit ihm grasen gehen, mit ihm Wellness machen. Einfach schauen, dass es ihm gut geht, und dass alles für die Prüfung vorbereitet ist.
Gibt es bei den Olympischen Spielen Herausforderungen, mit denen man bei den üblichen Turnieren nicht konfrontiert ist?
Der organisatorische Aufwand war im Vorfeld ein bisschen größer, weil bei den Olympischen Spielen nur die offiziellen Logos getragen werden dürfen. Also nur die Kleidung vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), die wir ja gestellt bekommen, und auch nur die Pferdeausrüstung, die wir von unserer Deutschen Reiterlichen Vereinigung gestellt bekommen. Auf normalen Turnieren dürfen wir natürlich unsere Sachen benutzen. Das ist bei den Olympischen Spielen eben nicht erlaubt.
Gab es neben dem Organisatorischen noch andere spezielle Vorbereitungen?
Wir waren seit Montag vergangener Woche schon alle zusammen im Trainingslager. Da hat sich einmal das komplette deutsche Dressurteam in einem Stall, der eine Stunde von der Wettkampfstätte entfernt ist, entfernt getroffen und die wichtigsten Dinge zum Ablauf besprochen. Dort wurde natürlich auch mit dem Bundestrainer noch mal intensiv trainiert.
Mit welchen Sicherheitsvorkehrungen werden die Pferde bei Olympia geschützt?
Bei internationalen Turnieren hat nicht jeder Stallzugang. Da gibt es Akkreditierungen oder StableAccess-Bändchen. Hier ist es noch mal ein bisschen verschärfter. Sobald wir in den Stall wollen, müssen wir einmal durch eine Sicherheitsschranke. Wir müssen durch ein Gate wie am Flughafen gehen, wo unsere Rucksäcke, Handys gescannt werden, um wirklich sicherzustellen, dass da keine verbotenen Sachen mit reingebracht werden. Es laufen hier außerdem andauernd Stewards herum, die gucken, dass es den Pferden gut geht. Auch in der Nacht wird kontrolliert und es hängen überall Kameras.
Was ist Ihr Eindruck von den Veranstaltungen bisher? Wie ist die Stimmung bei den Reitern und beim Publikum?
Das Publikum bemerke ich gar nicht so, weil ich da so aufgeregt bin. Aber es ist natürlich schon ein krasses Stadion. Da sind 14000 Leute drin und es war bisher immer ausverkauft. Das ist schon etwas anderes, wenn Jessica mit Dalera einreitet und man das Schloss Versailles im Hintergrund sieht. Das ist nicht zu vergleichen mit irgendeinem anderen Turnier. Ich glaube, das ist für mich das schönste und größte Turnier, bei dem ich bisher war. Es ist eine besondere Stimmung.
Gab es bisher ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Die erste Prüfung von Jessica und Dalera. Alles hat so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Am heutigen Samstag werden die Karten noch mal neu gemischt. Es wird alles wieder auf null gesetzt, aber wir haben eine gute Visitenkarte abgegeben. Bei der Prüfung am Mittwoch ist aber schon mal die erste Anspannung abgefallen.
Wie ist die Verbindung zwischen Ihnen und Bredow-Werndl und zwischen Ihnen und Dalera?
Jessica und ich verstehen uns mittlerweile wirklich sehr, sehr gut. Das ist auch keine klassische Arbeitsbeziehung, sondern mittlerweile wirklich eine Freundschaft geworden. Wir können über alles sprechen. Wir vertrauen uns zu 100 Prozent, und auch mit Dalera ist es eine ganz besondere Beziehung. Auch wenn ich erst ein Jahr da bin, ist es schon sehr, sehr eng. Ich kenne sie mittlerweile so gut, dass wir sofort an der Nasenspitze sehen, wenn ihr etwas nicht passt. Das ist auch wichtig. Denn wenn Jessica nicht da ist, muss ich erkennen, wenn etwas nicht passen sollte.
Was ist das Wichtigste an Ihrem Job?
Ruhe bewahren. Schauen, dass ich alles zusammen habe, damit Jessica und Dalera am Ende auch wirklich nichts an unseren Routinen verändern. Ich bin aufgeregt, wenn sie reinreiten und weg von mir sind, aber davor versuche ich wirklich, so viel Ruhe auszustrahlen, wie es geht.
Sie reiten ja selbst auch. Denkt man in Ihrer Position nicht manchmal: „Mensch, wie gerne würde ich hier reiten“?
Nein, weil ich weiß, dass ich das nie in meinem Leben tun werde. Ich hätte auch gar nicht die Nerven dafür. Da bleibe ich lieber Bodenpersonal.
Interview: Patricia Huber