Auch wenn es rein statistisch wahrscheinlicher ist im Lotto zu gewinnen, als bei einem Gewitter vom Blitz erschlagen zu werden, ist dieses Schicksal jetzt leider wieder einem jungen Mann auf der Zugspitze widerfahren. Die momentan häufigen Sommergewitter lassen mich an meine Kindheit erinnern. Mein Vater liebte es, während eines Gewitters auf unserer Terrasse zu sitzen und das Schauspiel am Himmel zu beobachten. Mir war da nicht recht wohl dabei, denn ich hatte Angst um meinen geliebten Papa und verkroch mich schon bei dunklen Wolken im Haus. Dieses hatte nämlich einen Blitzableiter und dort fühlte ich mich allein deswegen schon viel sicherer. Heute werde ich oft selber zum Blitzableiter, wenn mich bei meiner Arbeit als Seelsorgerin der Zorn trifft, der sich bei manchen über die Institution Kirche aufgestaut hat. Das wird dann bei mir abgeladen und geht an mir nicht spurlos vorüber. Vor einigen Jahren wurde auch die monumentale Christusstatue von Rio de Janeiro von einem Blitz getroffen. Seitdem fehlt dem berühmten Wahrzeichen der Metropole ein Finger an der rechten Hand. „Der Erlöser wird repariert“, schrieb eine Zeitung, als die Bauarbeiter begannen, neue und bessere Blitzableiter an der Statue zu installieren. Bekanntlich schlägt der Blitz immer am höchsten Punkt ein. Für mich war dieses Ereignis auch ein tröstliches Bild. Da steht Christus mit weit ausgebreiteten Armen und gebrochenem Finger auf dem Berg über der Stadt und trägt und fängt sicher alles auf, was wir Menschen uns an schwierigen Geschichten aufgeladen haben.