von Redaktion

Pedalritter mit großem Herz für die Petö-Schule Portugal, Norwegen, Schottland – Thomas Reith (30) und Dominik Heiß (28) lieben das Reisen. Dabei sind sie nur mit dem Rad unterwegs und schlafen überwiegend unter freiem Himmel. Jetzt wollen sie Spenden sammeln: für die Petö-Schule in Niederaudorf. So können Sie die beiden unterstützen.

Oberaudorf – Mit dem Rad quer durch Europa, ohne dabei einen Cent für Unterkünfte auszugeben: der Traum eines jeden „Bikepackers“. Diesen Traum vom großen Abenteuer haben sich Dominik Heiß (28) und Thomas Reith (30) – gebürtig aus Bad Feilnbach und Bad Aibling – bereits 2021 einmal erfüllt. In 99 Tagen ging es damals für die beiden von Rosenheim über die Schweiz, Frankreich, Spanien bis nach Portugal – über 5000 Kilometer. Geschlafen haben sie dabei im Zelt, in der Hängematte unter freiem Himmel oder bei Menschen zu Hause, die sie aufgenommen haben. Und genau diese Art des Reisens hat es ihnen angetan.

Zwei Berliner
als Vorbild

Als Inspiration für ihre Reise diente ihnen eine Netflix-Doku über zwei Männer, die von Berlin nach Peking geradelt sind und dabei Spenden für den Bau einer Schule in Guatemala gesammelt haben. „Das wollen wir auch machen“, sagten sich die beiden. Da sie aber nicht die größten Radsportler sind, wählten sie die portugiesische Stadt Porto als Reiseziel – weit weg, aber deutlich näher als Peking. Die Räder kauften sie gebraucht. „Wir wollten uns und anderen beweisen, dass jeder alles schaffen kann, wenn er nur mag“, so Dominik.

Eine Botschaft, die er jeden Tag den Kindern in seiner Arbeit vermittelt. Denn der Wahl-Rosenheimer arbeitet seit neun Jahren als Erzieher an der Petö-Schule in Niederaudorf, nebenbei absolviert er ein Fernstudium der Psychologie. Er selbst, so sagt er, habe sich von einem grottenschlechten Realschüler hin zu einem guten Studenten entwickelt. Das Reisen habe ihn gestärkt und gezeigt, was er alles schaffen kann. Er und Thomas Reith kennen sich von klein auf, seit inzwischen 23 Jahren. Reith war nach der Schule und Ausbildung auf Weltreise. „Glücklicherweise konnte ich viel unterwegs sein.“ 2020 zwang ihn die Corona-Pandemie zu einer Pause. Zu dieser Zeit wohnte er mit Dominik in einer WG. Dort entstand auch die Idee für die Radreise nach Portugal. „Es war sehr sehr anstrengend, aber cool“, sagt Dominik. Das Besondere für sie: „All das Vertrauen, die Liebe und Herzlichkeit, die uns von den Menschen unterwegs entgegengebracht wurde“, erklärt Thomas. Zum Beispiel in der Schweiz, als eine Frau sie in ihrem Fotostudio übernachten ließ. „Wir kannten uns eine halbe Stunde, waren wildfremd“, erinnert sich der 30-Jährige. Und all das in Zeiten der Corona-Pandemie, als viele Menschen auf Abstand gingen.

Auch Dominik denkt gerne an ein Erlebnis zurück. Eine ältere Dame hatte ihnen für eine Nacht Unterschlupf gewährt. „Als sie mitbekommen hat, dass es mein Geburtstag war, hat sie uns zu einer Nachbarschaftsfeier mitgenommen.“ Diese hat eine 94-jährige Frau ausgerichtet, die dann gleich zwei Kuchen für ihn gebacken hatte. Bis tief in die Nacht wurde gefeiert und gegessen. „Um 1 Uhr nachts begann sie dann noch Jagdhorn zu spielen. Ein Geburtstag, den ich nie vergessen werde“, sagt er.

Ein Jahr später reiste Dominik alleine nach Norwegen – ebenfalls mit dem Rad. Jetzt wollen sie es nochmal gemeinsam wissen. Geplant ist eine zweimonatige Radtour nach Schottland. Die genaue Route legen sie nicht vorab fest. „Wir kennen die Radwege nicht und außerdem ergibt sich das meiste unterwegs“, sagt Thomas.

Am vergangenen Montag ging es für die beiden los mit ihrer neuen Reise. Das Besondere dieses Mal: Es soll nicht nur um ihr privates Vergnügen gehen. Denn sie wollen den Trip mit einer Spendenaktion bei Gofundme verknüpfen. „Egal, ob pro Kilometer oder eine einmalige Spende. Jeder Euro ist willkommen und geht zu 100 Prozent an die Petö-Schule.“ Die Spendenaktion laufe direkt auf das Schulkonto.

Bereits während der Ausbildung absolvierte Dominik sein Anerkennungsjahr an der Niederaudorfer Petö-Schule. Die inklusive Bildungseinrichtung gibt es seit über zehn Jahren. Gegründet wurde sie mithilfe der OVB-Spendenaktion, bei der 300000 Euro zusammenkamen – und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Denn sie ist keine Förderschule, sondern arbeitet mit konduktiver Förderung. „90 Kinder in zehn Jahrgangsstufen mit und ohne Behinderung lernen hier gemeinsam“, erklärt Bettina Brühl, Geschäftsführerin der Petö und Inklusion gemeinnützige GmbH und ehemalige Schulleiterin.

Rund ein Drittel der Schüler hat eine Behinderung. Vom gemeinsamen Unterricht profitieren alle Kinder. „Sie sehen Stärken und Schwächen, die jeder hat, und entwickeln ein besseres Verständnis für Anderssein und Behinderung“, so Brühl.

Sportlicher
Ehrgeiz

Und auch Kinder mit Behinderung werden angespornt. Gerade Kinder mit körperlichen Einschränkungen entwickeln sportlichen Ehrgeiz. Die konduktive Förderung, die auf den ungarischen Arzt András Petö zurückgeht, ist ein Fördersystem für Menschen mit Behinderung. Ziel ist es, die Kinder so bewegungsfähig zu machen, dass sie möglichst selbstständig und unabhängig leben können. Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Bewegung sind daher die drei Säulen, auf denen das Konzept der Schule steht.

Wie Brühl berichtet, haben die Schüler bis zur sechsten Klasse zehn Stunden Sport pro Woche. Von Klettern über Schwimmen bis hin zum Skifahren ist körperliche Ertüchtigung ein großes Thema – individuell an die Bedürfnisse der Kinder angepasst. „Und weil Dominik selbst auch sehr sportlich ist, passt er sehr gut zu uns“, sagt Brühl. Auch seine Erfahrung als Bergführer lässt der Erzieher in seine Arbeit einfließen. „Ich benutzte das gerne als Metapher. Wenn die Kinder es schaffen, den Gipfel zu erklimmen, dann können sie auch eine Probe locker schaffen“, so Dominik.

Weg vom Frontalunterricht

Generell steht die individuelle Unterrichtsgestaltung im Fokus: „Manche Kinder können gut rechnen und andere brauchen noch ein bisschen mehr Zeit“, so Brühl. An der Petö-Schule versucht man daher, auf die individuellen Bedürfnisse und Entwicklungsreifen der Kinder einzugehen – von der Grund- über die Mittelschule bis hin zur Mittleren Reife. Wer dann noch studieren will, kann an die Fachoberschule wechseln und das Abitur machen. Frontalunterricht wollen viele Eltern nicht mehr. Das Konzept der Schule spricht Dominik an. Dass ihm – neben dem Reisen – über seine persönlichen Erfahrungen aus der Schulzeit, die eher Selbstzweifel säten, hinweggeholfen hat. „Die Schule ermöglicht es mir, jederzeit auf Reisen zu gehen. Jetzt ist es Zeit, etwas zurückzugeben“, sagt der Erzieher.

Pedalritter mit großem Herz
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