In die Kurve – mit mehr Sicherheit

von Redaktion

Was mache ich, wenn ich in der Kurve zu schnell bin? Und wie bremst man am besten? Als Anfänger auf dem Motorrad bleiben selbst nach der Fahrschule noch einige Fragen offen. Reporterin Patricia Huber war beim ADAC-Fahrsicherheitstraining auf der Suche nach Antworten.

Motorrad umgefallen – was nun? Auch diese Frage beantwortete TJ (Dritter von links) beim Motorrad-Training. Julia (rechts) stellte zum Üben ihr Bike zur Verfügung.

Rosenheim/Landshut – 6 Uhr morgens, 17 Grad, Nieselregen: Eigentlich nicht meine bevorzugten Motorradfahr-Bedingungen. Doch es nützt nichts. Der Termin war gebucht – und dringend notwendig. Nachdem ich vor circa drei Monaten meinen Motorradführerschein bestanden habe, bin ich bisher etwa 1000 Kilometer durch die Region und in Österreich gefahren. Mein größter Gegner dabei: enge Kurven und Spitzkehren. Um hier sicher durchzukommen, braucht man Erfahrung, dachte ich. In den wenigen Fahrstunden, die man vor seiner Prüfung macht, fährt man schließlich keine weiten Touren zu kurvigen Gebirgspässen. Also woher sollte ich es können?

Hinzu kommt, dass in den vergangenen Wochen zahlreiche Motorradunfälle in der Region passiert sind. Das sorgt zusätzlich für Verunsicherung und ich frage mich, wie man gefährlichen Situationen vorbeugen kann.

Verblüfft
über Tipps

Also ging es auf nach Landshut zum Motorrad-Fahrsicherheitstraining. Nach meiner holprigen – oder eher nassen – Anreise, kam ich also am Fahrsicherheitsplatz des ADAC an. Insgesamt zehn Biker haben sich für das Training eingebucht. Die Gruppe war bunt gemischt. Männer und Frauen, von jung bis alt. Bevor es auf die Maschinen ging, wollte Trainer TJ wissen, wer welches Ziel mitbringt. Die meisten waren – wie auch ich – auf der Suche nach Tipps, die man in der Fahrschule nicht erhält. Doch nicht nur Fahranfänger waren dabei. Auch „ältere“ Fahrer, die den Führerschein zwar schon lange haben, aber wegen Familie, Beruf und Co. schon lange nicht mehr gefahren sind, wollten sich beim Training wieder Sicherheit zurückholen.

Im Anschluss ging es noch an den Sicherheits-Check, wie man ihn auch in der Fahrschule lernt. Blinker, Lichter, Reifen und Kette überprüfen. Auch hier hatte TJ schon ein paar Tipps parat, wie man sich den Motorrad-Alltag leichter gestaltet. Etwa wie das Bike am sichersten steht, oder wie man am bequemsten aufsteigt, wenn das Motorrad voll beladen ist. Das ist besonders für Julia ein hilfreicher Tipp. Sie plant eine große Reise – mit entsprechend viel Gepäck. Sie wollte noch einmal die Grundlagen „in einem sicheren Umfeld üben, um bestmöglich vorbereitet zu sein.“

Konkret geht es für die Münchnerin und ihr Motorrad nach Nordamerika. Ein Jahr lang wird sie die Westküste bereisen – von Alaska bis in den Süden. „Geplant ist von Anchorage bis nach San Diego“, erzählt sie. Ihr eigenes Motorrad nimmt sie dabei per Flugzeug mit.

In Kolonne geht es auf den Übungsplatz. Wir dürfen uns einfahren. Immer im Kreis. Dabei sollen wir verschiedene Sitz- und Fußpositionen testen, während der Fahrt aufstehen und freihändig fahren. Schließlich geht es ans Schlangenlinien-Fahren. Für viele komplett neu: der Lenkimpuls. Im stabilen Bereich, also ab einer Geschwindigkeit von etwa 30 Kilometern pro Stunde, fährt das Motorrad nach rechts, wenn man den Lenker auf der rechten Seite von sich weg drückt und andersherum. Klingt erst einmal verwirrend, sorgt bei den meisten Kursteilnehmern aber schnell für Verblüffung. „Warum lernt man so etwas in der Fahrschule nicht?“, fragt eine Teilnehmerin. „Das frag’ ich mich auch“, sagt TJ. Und ja, auch ich habe mich bei dem ein oder anderen Tipp gefragt, warum ich das erst jetzt lerne. Sei es, dass man bei vollem Lenkereinschlag nicht die Vorderbremse benutzen sollte, oder dass es sich mit gedrückter Fußbremse leichter anfährt.

Nach den ersten Aufwärmübungen geht es ans Ausweichen. „Das ist doch Quatsch“, ist sich ein Teilnehmer sicher. „Meinst du? Schauen wir mal“, sagt TJ. Also los geht‘s. Mit kleinen Hütchen stellt TJ ein Hindernis auf der Strecke dar, dem wir ausweichen sollen, dann simuliert er mit dem Heben des rechten und linken Armes ein bewegtes Hindernis – also beispielsweise ein Kind, das auf die Straße rennt. Je nachdem, welchen Arm er hebt, müssen wir in die entsprechende Richtung ausweichen. Doch das klappt nicht immer. Selbst bei voller Konzentration kann ich manchmal nicht schnell genug reagieren und richtig ausweichen. Was in dieser Übung nicht tragisch ist, wäre im Straßenverkehr fatal. Fazit: „Ausweichen ist pures Glück“, sagt TJ. „Schafft man es, ist man der Held. Schafft man es nicht, ist man tot. Will man in dieser Situation unbedingt der Held sein?“, fragt der Trainer in die Runde und erntet Kopfschütteln. Also lieber eine Gefahrenbremsung durchführen. „Jede Energie, die wir abbauen können, bauen wir ab. Lieber eine Gefahrenbremsung zu viel, als eine zu wenig“, sagt TJ. Und auch diese wurde im Anschluss noch geübt.

Dann das große Angstthema von vielen in der Gruppe: Kurven. Dass es verschiedene Techniken gibt, mit denen man durch die Kurven kommt, das hat jeder schon einmal gehört. Ausprobiert allerdings eher nicht. Sich mit dem Motorrad in die Kurve legen, das tun vermutlich die meisten. Oder aber man drückt es in die Kurve, bleibt dabei selbst aber eher aufrecht. Die dritte Methode, das „Hang off“ sorgt für große Augen, als TJ zeigt, wie es geht. Mit einer Hälfte des Hinterns rutscht man dabei in Richtung Kurveninneres, Kopf auf Spiegelhöhe, Knie Richtung Kurve. Was aussieht, wie von der Rennstrecke, ist eigentlich eine ziemlich sichere Taktik, wie der Trainer erklärt. Denn hierbei steht das Motorrad im Verhältnis zum Legen recht aufrecht und hat somit am meisten Grip. Das einzige Problem: Bei Serpentinenfahrten muss man seinen Körper recht zügig von einer auf die andere Seite schaffen.

Eine Frage, die auch bei mir beim Üben aufkommt: Was ist zu tun, wenn ich in der Kurve merke, dass ich zu schnell bin? TJs erste Antwort sorgt in der Runde erst einmal für verdutzte Gesichter: „Dann fährst du allgemein zu schnell“, sagt er. „Ihr solltet entsprechend 80 Prozent eures Könnens fahren und 20 Prozent Reserve für den Notfall zurückhalten.“ Sollte man doch einmal in die brenzlige Situation kommen, heißt es Vorderbremse drücken und gegen das Aufstellen des Motorrads lenken. In der Pause hat Julia dann noch eine weitere Frage, deren Antwort auch für ihre Reise sehr hilfreich sein könnte. Denn was tut man, wenn das Motorrad einmal umgefallen ist? Denn solch ein 200-Kilogramm-Gefährt lässt sich nicht so leicht wieder aufstellen, wie ein umgefallenes Fahrrad. Selbstverständlich weiß TJ auch hier Rat und führt es an Julias Motorrad vor.

Inzwischen
sicherer

Am Ende des langen Übungstages ist das Fazit der Teilnehmer klar. „Ich bin schon seit 30 Jahren nicht mehr gefahren“, erzählt Jeannette aus Kolbermoor. Sie wollte sich wieder mehr Sicherheit holen – mit Erfolg, wie sie sagt. Auch Tom, der ebenfalls aus Kolbermoor kommt, ist begeistert. „Ich bin seit 20 Jahren nicht mehr gefahren. Das Training hat mir wirklich viel gebracht“, sagt er. „Jetzt heißt es nur noch üben, üben, üben.“ Ähnlich geht es Julia. „Es war mir wichtig, noch einmal die Grundlagen zu lernen und zu erleben.

Besonders auch das Thema Kurvenfahren“, sagt sie. Und auch ich fühle mich inzwischen sicherer, wenn es auf die nächste Kurve zugeht.

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