Warnung nach tödlichen Gleitschirm-Abstürzen

von Redaktion

Der Sommer lockt nicht nur Wanderer und Radfahrer in die Berge, auch Gleitschirmflieger. In jüngster Zeit kam es aber wieder zu Unfällen – auch mit tödlichemAusgang. Über die häufigsten Unfallursachen und die Gefahren, die das Sommerwetter für Piloten mit sich bringt.

Ruhpolding/Rosenheim – Die Region von oben sehen, den Wind spüren und die Freiheit der Lüfte genießen. Das Gleitschirmfliegen ist mittlerweile ein beliebter Sport geworden. Auch im Chiemgau können ausgebildete Sportler eine Reise in der Höhe starten, zum Beispiel vom Hochfelln oder von der Hochplatte aus. Doch solche Flüge sind mit Risiken verbunden, so haben sich jüngster Zeit Unfälle ereignet, auch mit Todesfolge.

Ein 52-jähriger Mann aus dem Landkreis Berchtesgadener Land stürzte am Samstagnachmittag mit seinem Gleitschirm kurz nach dem Start am Unternberg in Ruhpolding ab. Er verfing sich in einer Baumkrone und hatte Glück – er überstand den Sturz unverletzt. In den Tiroler Alpen waren am Sonntag jedoch drei Todesopfer zu beklagen. Zuerst geriet eine 55-jährige oberhalb der Parggenspitze im Gemeindegebiet von Sillianberg mit ihrem Paragleiter in Turbulenzen und stürzte aus etwa 100 Metern Höhe spiralförmig zu Boden. Eingeleitete Erste-Hilfe-Maßnahmen blieben erfolglos, die Frau verstarb noch an der Unfallstelle.

Außerdem kamen ein 60-jähriger österreichischer Tandempilot und seine
zehnjährige deutsche Passagierin kurz nach dem Start nördlich der Choralpe im Gemeindegebiet von Westendorf in Turbulenzen und stürzten ab. Auch sie erlagen ihren Verletzungen.

Hochsommer bringt
mächtige Aufwinde

Wer dem Sport nachgehen will, muss zuerst eine Ausbildung in einer Flugschule absolvieren. Dazu gehören auch Prüfungen in Theorie und Praxis. Wer Tandemflüge ausführen will, also mit einer zweiten Person, der muss dann noch einige Zusätze erfüllen. „Und das ist gar nicht so einfach“, sagt Karl Slezak, Sicherheitsreferent vom Deutschen Hängegleiterverband (DHV). Zum einen müssen Tandempiloten eine bestimmte Zeit ihre einsitzige Lizenz besitzen, 200 Flüge nachweisen, bei einem speziellen Prüfer einen Eignungstest machen, dann kommt erst die Ausbildung in der Flugschule. Auch wenn sie die Prüfung bestanden haben, müssen sie laut Slezak alle drei Jahre einen Checkflug durchführen. „Aber auch der beste Pilot ist natürlich nicht gefeit vor einem Fehler, der gemacht wird oder einer fehlerhaften meteorologischen Einschätzung“, betont der Sicherheitsreferent.

Aktuell könne auch das Wetter zu Schwierigkeiten führen. Es ist Hochsommer, die Zeit der stärksten Thermik, der stärksten Talwinde, das ist beim Fliegen in den Alpen immer so ein Faktor.“ Eine Folge: sogenannte Scherungsturbulenzen. „Die Thermik steigt von unten nach oben und jetzt um die Jahreszeit hat man da durchaus mal vier, fünf Meter pro Sekunde Steiggeschwindigkeit.“
Um es zu verdeutlichen: Fünf Meter pro Sekunde sind umgerechnet 18 km/h, die Sportler mit den Gleitschirmen dann nach oben steigen. Trifft auf diese Kräfte jetzt noch ein Wind, dann könne es zu solchen Turbulenzen kommen .„Das kennt man auch, wenn man mit dem Flugzeug fliegt und der im Steigflug oder im Sinkflug unter die Thermikwolken fliegt, dann wird sogar ein großer Flieger unruhig“, sagt Slezak.

Wiederkehrende
Unfallursachen

Die Folge beim Gleitschirmfliegen: der Schirm kann einklappen. Normalerweise sollte sich der sogenannte „Klapper“ am Schirm wieder öffnen. Passiert das jedoch nicht, so „muss der Pilot ein gutes Können haben, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den Schirm wieder zu stabilisieren.“ Bleibt der Klapper zu, kommt der Schirm in eine Rotation und der Pilot stürzt in einer Spiralbewegung zu Boden.

Eine weitere Unfallursache sei die falsche Einschätzung des Geländes in Bezug auf die Windabweichung. Der Gleitschirmpilot fliegt in das sogenannte Lee. Das bedeutet in die Seite des Geländes, die vom Wind abgewandt ist. Auch das könne zu Turbulenzen führen.

„Unser Hauptunfallbereich sind aber die bodennahen Bereiche, also der Abflug und die Landung“, sagt Slezak. „Beim Landen muss man ein gutes Einschätzungsvermögen haben, wo kommt der Wind her, in welche Richtung muss ich landen. Da passieren die meisten Unfälle.“ Da sich Piloten hier nicht mehr in enormen Höhen befinden, seien aber die Verletzungen dabei nicht so schwerwiegend. Für den Fall, dass ein Pilot in Turbulenzen kommt und sich nicht mehr retten kann, ist er mit einem Rettungsfallschirm ausgerüstet, erklärt Slezak. „Für uns ist es dann oft bei der Unfalluntersuchung die große Frage, warum hat der Pilot diesen Rettungsschirm nicht ausgelöst?“ Damit er betätigt wird, befindet sich ein Griff am Gurtzeug des Piloten, an dem er im Notfall ziehen kann und der Fallschirm sich öffnet.

Um Gleitschirmflieger zu schulen, wie sie sich in Notfällen verhalten sollen, gibt es einen speziellen Simulator in der Flugschule Hochries in Brannenburg: den
G-Force-Trainer. Die Piloten lernen dort unter realen, aber kontrollierten Bedingungen etwa, wie sie trotz einem „Klapper“ die Kontrolle behalten, sagt Slezak. Um das Sicherheitsbewusstsein der Piloten zu stärken, analysiert der DHV Unfälle und gibt dementsprechend Hinweise im Internet.

Artikel 3 von 10