Raubling – Die Tragödie von Großholzhausen sorgt in Raubling für Fassungslosigkeit. „Ein freundlicher, hilfsbereiter Mann“ sei Hans A. gewesen, sagt der Vermieter, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will. „Ich lass‘ auf den Hans nichts kommen.“ Der 60-jährige, angestellt bei einer Großmetzgerei, sei vor drei Jahren eingezogen.
Hans A. habe viel gearbeitet. Er habe sich kaum in die Öffentlichkeit begeben und seine Wohnung in Großholzhausen eigentlich bevorzugt zum Schlafen genutzt. „Im Herbst letzten Jahres hat er dann gefragt, ob sein Sohn Tobias einziehen kann“, sagt der Eigentümer der Wohnung. „Der habe zwar Depressionen, aber Hans hat gesagt, er könne für ihn bürgen.“ Er habe auch nie etwas von Streitigkeiten mitbekommen. Doch eben Tobias gilt nach dem gewaltsamen Tod von Hans A. als dringend verdächtig, seinen Vater mit dem Messer angegriffen und getötet zu haben.
Noch viele
offene Fragen
„Es herrscht Betroffenheit“. So beschreibt Bürgermeister Olaf Kalsperger die Stimmung in Raubling, drei Tage nachdem der 31-jährige Sohn seinen Vater Hans A. (60) getötet haben soll. Nach der Tat soll sich Tobias A. in einem grauen Škoda auf den Weg nach Italien gemacht haben – mit der Leiche seines Vaters, in eine Decke eingewickelt, im Kofferraum. „Dass so etwas auch bei uns, in Raubling, passieren kann, das sorgt schon für Entsetzen“, meint Kalsperger.
Es ist nicht nur die Tat an sich, die die Menschen in der Region bestürzt und mit vielen Fragen zurücklässt. Es sind die Umstände: die Tatsache, dass ein Sohn seinen Vater umbringt. Dass er seine Tat mit dem Messer verübt hat, in der gemeinsamen Wohnung in Großholzhausen. Und dann die scheinbare Kaltblütigkeit, mit der er sich auf eine 1100 Kilometer lange Reise nach Süditalien macht, mit der Leiche im Kofferraum. Tobias A. hatte noch weiter fahren wollen, darauf lassen Berichte der italienischen Polizei schließen. Polizeibeamte nahmen ihn jedoch im Großraum Neapel fest – wenige Kilometer vom Flughafen entfernt.
Der Fall wirft weiterhin viele Fragen auf. Über die Motive der Bluttat könne man noch nichts sagen, sagt Daniel Katz, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Fest steht wohl, dass die Tat in der gemeinsamen Wohnung in Raubling passiert sei. Dort seien die Ermittler auf Spuren gestoßen. Der Vater soll, das ergab eine erste augenscheinliche Untersuchung, an Schnittwunden gestorben sein. Auch andere Spuren von Gewalteinwirkung sollen gefunden worden sein. Eine Obduktion stehe aber noch aus. Was Tobias A. in Italien suchte? Um diese Fragen zu beantworten, müsse man das Ergebnis der Verhöre abwarten. Zur Zeit führen noch Ermittler der italienischen Polizei die Befragung. Demnächst sollen aber deutsche Kommissare hinzustoßen. Auch werden die juristischen Einzelheiten für eine zeitnahe Auslieferung nach Deutschland verhandelt. Die Besucher aus Deutschland werden außerdem als Zeugen die Obduktion begleiten, die nächste Woche erfolgen soll.
Möglicherweise werden sich dann auch weitere Fragen beantworten lassen. Offenbar hatte Tobias A. in der 40000-Einwohnerstadt Pomigliano d’Arco am nordöstlichen Stadtrand von Neapel eine Autopanne. Drei Stunden später stieß die Verkehrspolizei an der Stadtautobahn auf das Fahrzeug, nach dem mit europäischem Fahndungsaufruf gesucht worden war. Tobias A. hatte die Polizei bereits zuvor festgenommen: Er war laut italienischen Medien von Anwohnern der Via Passariello beobachtet worden, als er versuchte, in Wohnungen einzubrechen. Suchte er dort nach einem Autoschlüssel, um die Fahrt mit einem anderen Fahrzeug fortsetzen zu können?
Deutschlandweit
auffällig
Hatte der Sohn neben seinen Depressionen weitere psychische Probleme? Die Polizei hält sich auch in diesem Punkt bedeckt. Tobias A. habe sich noch nicht geäußert, auch nicht gegenüber den italienischen Ermittlern. Laut Daniel Katz war der heute 31-jährige Mann in der Vergangenheit aber schon deutschlandweit polizeilich auffällig geworden.